Nicht jeder vermeintliche Energiespartipp spart wirklich Energie. Energieexpert:innen erklären, welche fragwürdigen Tipps im Umlauf sind, wieso man sie nicht befolgen sollte – und wie man Gas und Strom effizient einspart.
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Wegen Stromkosten und aus Klimaschutzgründen macht es Sinn, Energie zu sparen. Doch wie lassen sich Strom- und Gasverbrauch am besten reduzieren? Zu dem Thema kursieren zahlreiche Tipps – nicht alle sind sinnvoll.
Energieexperte Martin Brandis hat im Rahmen seiner Tätigkeit für die Energieberatung der Verbraucherzentrale schon viele fragwürdige Energiespartipps gehört – und Aufklärungsarbeit geleistet. Gegenüber Utopia spricht er über häufige Missverständnisse und erklärt, wie es Verbraucher:innen besser machen können. Seine Organisation hat einige weitere schlechte Tipps aufgedeckt.
1. Heizung durchlaufen lassen
Die Raumtemperatur immer wieder absinken zu lassen und wieder zu erhöhen soll mehr Energie verbrauchen als die Heizung bei konstanter Temperatur laufen zu lassen – davon sind anscheinend viele Menschen überzeugt. Martin Brandis vom Energieberatungsteam des Verbraucherzentrale Bundesverbands stellt klar: „Durchheizen ist die deutlich verbrauchintensivere Maßnahme.“ Er rät, die Heizung runterzudrehen, wenn sie nicht gebraucht wird – also zum Beispiel nachts oder bei Abwesenheit.
Was als „längere Abwesenheit“ zählt, hängt Brandis zufolge auch davon ab, wie gut das Haus gedämmt ist. Denn ein gut gedämmtes Haus kann die Zimmertemperatur auch ohne Heizung für ein paar Stunden aufrecht erhalten. Kommt man danach zurück und dreht wieder auf, muss die Heizung keine Energie investieren, um die Ausgangssituation wiederherzustellen. Allgemein rät der Experte: „Die Heizung für 30 Minuten abzudrehen, macht wenig Sinn, aber bei vier Stunden wird es sich in der Regel lohnen.“
Lies dazu auch: Nicht zuhause: Wie stark solltest du die Heizung runterdrehen
Um Schimmel vorzubeugen, verweist der Experte auf eine Faustregel: In Wohnräumen sollte die Raumtemperatur nicht unter 16 Grad fallen. Damit dies passiert, braucht es aber bei den meisten Häusern mehr als ein nächtliches Runterregeln der Temperatur. Außerdem beruhigt Brandis: „Selbst, wenn für ein paar Stunden die Temperatur niedriger ist, haben wir deshalb kein Problem mit Feuchtigkeit.“
Tipp der Utopia-Redaktion: Solltest du dir dennoch unsicher sein, ob bei dir bereits ein Schimmelproblem entsteht, kann ein Testkit helfen. Solche Kits gibt es online zum Beispiel beim Anbieter Ivario.
Übrigens: Es gibt genug weitere Ratschläge zum Thema Heizen, die du besser nicht befolgen solltest. Drei davon besprechen wir hier: Schlechte Heiztipps: Diese 4 Ratschläge solltest du nicht befolgen
2. „Halbwahr“: Licht lieber brennen lassen
Eine weitere Empfehlung, die den Expert:innen der Verbraucherzentrale häufig unterkommt, ist folgende: Das Licht an- und auszuschalten verbraucht viel Energie. Deshalb sollte man die Lampe lieber brennen lassen, anstelle sie mehrmals an- und auszuschalten.
Martin Brandis bezeichnet dies als „halbwahr“. Bei normalen Glühlampen gibt es Einschaltströme, die über dem Nennstrom liegen, erklärt der Experte. Das heißt: In den ersten Millisekunden, nachdem eine Lampe angeschaltet wurde, ist der Energieverbrauch höher. Diese Zeitspanne ist aber so gering, dass sie nicht wirklich relevant ist. Brandis stellt klar: „Wir raten davon ab, ständig das Licht an- und auszuschalten.“ Wer den Raum für mehr als drei Minuten verlässt, der sollte die Lampe aber nicht brennen lassen.
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3. Auf Kombi-Geräte setzen
Wäschewaschen und dann noch den Trockner anwerfen kostet viel Energie. Wäre es da nicht sparsamer, wenn ein Gerät beides erledigt? Die Energieberatung der Verbraucherzentrale rät in einer Pressemitteilung davon ab. Viele „Waschtrockner“ verbrauchen demnach mehr Strom und Wasser als Waschmaschine und Trockner separat. Das liege an den Kondenstrocknern, die in den Geräten verbaut sind. Moderne Trockner hingegen setzen laut Verbraucherzentrale auf eine sparsamere Wärmepumpentechnik. „Der geringste Energieaufwand entsteht, wenn die Wäsche auf einem Wäscheständer oder der Wäscheleine trocknet“, schreiben die Expert:innen.
4. Kühlschrank möglichst voll machen
Ein voller Kühlschrank soll Energie sparen? Die Energieberatung der Verbraucherzentrale widerspricht: Der Inhalt eines Kühlschranks habe nur begrenzt Einfluss auf seinen Energieverbrauch. Entscheidender sei laut Pressemitteilung die Größe und Energieeffizienz des Modells.
Mit zunehmenden Alter kann außerdem der Stromverbrauch eines Kühlschranks steigen. Denn das Dämmmaterial altert und so geht Kälte verloren. Auch undichte Türen oder stark verstaubte Kühlgitter führen zu Kostensteigerungen. Nach Ansicht der Verbraucherzentrale NRW lohnt sich der Austausch eines Standgeräts mit Gefrierfach nach rund 15 Jahren, bei den teureren Einbaugeräten ab 20 Jahren. Mehr Informationen: Energie sparen: Ist es sinnvoll, funktionierenden Kühlschrank zu ersetzen?
Wer sich einen neuen Kühlschrank zulegen möchte, dem rät die Energieberatung der Verbraucherzentale Geräte mit Effizienzklasse C oder besser zu wählen. Die sparsamsten neuen Modelle sind aktuell mit Energieeffizienzklasse A ausgezeichnet. Einige sparsame Kühlschränke stellt Utopia in folgendem Ratgeber vor: Kühlschrank-Test: Diese Kühl-Kombis kosten dich am wenigsten Strom
5. Blind auf „Energiesparmodus“ verlassen
Viele Haushaltsgeräte verfügen laut Hersteller über einen „Energiesparmodus“. Doch blind auf die Angaben verlassen kann man sich nicht – das zeigt Brandis anhand des Beispiels eines Elektroboilers.
Diese Geräte sind in älteren Wohnungen noch öfter in der Küche verbaut und sollen das Wasser erwärmen. Die Temperatur wird über einen Regler eingestellt. Dieser führt bei einigen Modellen auch eine „Energiesparstufe“ auf, erklärt Brandis. Beschreibungen von Geräten von Vaillant oder Bosch in Onlineshops bestätigen dies. Bei Vaillant ist die Einstellung mit einem „E“ auf dem Regler gekennzeichnet. Wie die Gebrauchsanweisung zeigt, wird das Wasser bei dieser Stufe auf 60 Grad erhitzt. Die Maximaltemperatur liegt bei 85 Grad.
Wer die Einstellung wählt, erhitzt Wasser also 25 Grad weniger als maximal möglich – das klingt prinzipiell sinnvoll. Doch Energieexperte Martin Brandis hält die vermeintliche Energiesparstufe immer noch für viel zu warm: „So heißes Wasser brauchen Sie selbst in der Küche so gut wie nie.“ Er sieht 60 Grad als absolutes Maximum und folgert deshalb: „Schaltung E ist ein echter Trugschluss, was das Energiesparen angeht“. Außerdem weist der Experte auf ein anderes Problem hin:
Der Elektroboiler sorgt dafür, dass das Wasser rund um die Uhr die eingestellte Temperatur behält – dabei benötigen wir wirklich warmes Wasser nur ein paarmal pro Tag. Brandis Fazit lautet deshalb: „Tatsächlich energiesparend wäre, wenn Sie den Boiler nur anstellen, wenn Sie wirklich heißes Wasser brauchen.“
Elektroboiler sparsam nutzen
- Bei einem kleinen Elektroboiler mit einem Inhalt von 5 Litern (so wie der in unserem Beispiel) ist das Wasser schnell aufgewärmt. Diesen kann man einfach ein paar Minuten vor Benutzung (z.B. Geschirr spülen) einschalten. Wer die Einstellung nicht jedes Mal manuell ändern möchte, kann zum Beispiel einen Drückschalter zwischen Steckdose und Gerät stecken, welcher den Boiler aktiviert oder deaktiviert (Anm. d. R: Gibt es zum Beispiel bei Mediamarkt, Otto oder Amazon)
- Ein größerer Warmwasserboiler (z.B. für Duschen) braucht länger, um Wasser aufzuheizen. Wer einen solchen zuhause hat, sollte das Wasser darin dem Experten zufolge besser auf einer niedrigeren Gradzahl halten und hochschalten, wenn warmes Wasser benötigt wird. Dies lässt sich auch automatisch über eine Zeitschaltuhr regeln. Diese kann man zum Beispiel so einstellen, dass morgens immer rechtzeitig zum Duschen warmes Wasser verfügbar ist.
Übrigens: Davon, die Trinkwassertemperatur auf unter 60 Grad zu senken, wird oft abgeraten – weil das das Risiko erhöhen kann, dass sich Legionellen in Warmwasseranlagen ausbreiten. Martin Brandis von der Verbraucherzentrale sieht in einer zeitweisen Absenkung der Boilertemperatur jedoch kein Problem: Ein Risiko für eine Erkrankung durch Legionellen bestünde nur, wenn die Erreger in zerstäubtem Wasser als Aerosole eingeatmet werden – also vor allem beim Duschen. Elektroboiler, die Duschwasser erhitzen, versorgen meist nur eine Partei, enthalten also relativ wenig Wasser. Dieses wird in der Regel relativ zügig verbraucht, und die Erwärmung würde gemäß den oben ausgeführten Tipps nur zeitweise ausgesetzt. Unter diesen Umständen sieht der Experte das regelmäßige An- und Ausschalten des Elektroboilers nicht als problematisch. Längeres Abschalten oder dauernde Temperaturen unter 60 Grad seien aber nicht empfehlenswert.
Richtig Energiesparen: So geht’s!
Wer um die oben genannten „Tipps“ einen Bogen macht und stattdessen sparsam mit Heizung, Licht und dem Warmwasserboiler umgeht, spart schon eine Menge Energie. Doch es gibt noch viele weitere Punkte, an denen Verbraucher:innen ansetzen können. Martin Brandis empfiehlt unter anderem folgende Maßnahmen:
- Energiespareinstellungen des PC/ Laptop aktivieren: Diese helfen im normalen Betrieb und in Ruhephasen (z.B. während der Mittagspause) dabei, Strom zu sparen.
- Noch besser: Elektronische Geräte wie Fernseher oder Computer komplett von Stromnetz nehmen, wenn sie nicht gebraucht werden.
- „Raus damit!“ Wer zuhause noch Glühlampen und Halogenlampen verwendet, sollte diese nicht behalten, sondern auf sparsame Beleuchtung (sprich: LEDs) umrüsten.
- Informieren: Bei Energiesparfragen hilft die Energieberatung der Verbraucherzentralen weiter.
Auch wir von Utopia.de haben diverse Energiespartipps zusammengetragen: die wirksamsten Tipps, Hinweise, um Stromfresser zu erkennen, sowie Möglichkeiten, ohne Heizung zu heizen bzw. buchstäblich im Schlaf Energie zu sparen.
Hinweis: Dieser Artikel wurde 2022 erstveröffentlicht.
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