Sneakers für 9 Euro, In-Ear-Kopfhörer für unter 4 Euro und modische Shirts für unter 3 Euro: Der Onlineshop Temu lockt mit absurd günstigen Produkten aus China und aggressivem Marketing. Hier erfährst du, wieso Temu in der Kritik steht und was du unbedingt wissen solltest.
Sneakers für 9 Euro, In-Ear-Kopfhörer für unter 4 Euro und modische Shirts für unter 3 Euro – der Onlineshop Temu lockt weiterhin mit absurd günstigen Produkten aus China und aggressive Werbung. Seit Frühjahr 2023 ist Temu in Deutschland aktiv und hat sich trotz vieler negativer Kritiken zu einem der größten Onlinehändler auf dem deutschen Markt entwickelt.
Utopia erklärt, warum Shopping auf der chinesischen Plattform keine gute Idee ist – auch wenn es so verführerisch billig ist.
Was ist Temu eigentlich?
Temu (ausgesprochen tee-moo) ist ein Online-Marktplatz, der nach eigenen Angaben „Verbraucher mit Millionen von Verkäufern, Herstellern und Marken auf der ganzen Welt verbindet, mit der Mission, ihnen die Möglichkeit zu geben, ihr bestes Leben zu führen“. „Shoppen wie ein Milliardär“ – so lautet der Slogan des Online-Shops ‚Temu‘, der im Prinzip der Nachfolger von Wish ist.
Temu verkauft über Website und App eine riesige Auswahl an Artikeln – von Fast Fashion, Haushaltswaren, Drogerieartikeln bis zu Elektronik. Das Unternehmen betreibt kein eigenes Lager und keine Eigenmarken. Stattdessen agiert es als digitaler Marktplatz, auf dem überwiegend chinesische Verkäufer:innen ihre Waren direkt an Kund:innen in den USA, Kanada und Europa verkaufen.
Hinter Temu steckt Pinduoduo – Chinas E-Commerce-Riese
Hinter Temu steht das chinesische E-Commerce-Unternehmen Pinduoduo, einer der größten Onlinehändler Chinas. Temu wurde 2022 in Shanghai gegründet und startete 2022 in den USA. Für Europa ist das irische Unternehmen Whaleco zuständig. Seit 2023 ist Temu in Deutschland, Italien, Frankreich, Spanien, Großbritannien und den Niederlanden aktiv.
Pinduoduo investiert stark in Werbung, um Reichweite und Downloads zu steigern. Im Jahr 2024 wurde Temu weltweit über 544 Millionen Mal heruntergeladen und war damit die am häufigsten heruntergeladene Shopping-App des Jahres. Analyst:innen schätzen, dass der Umsatz 2024 bei rund 50 Milliarden US-Dollar lag, für 2025 werden 70–80 Milliarden US-Dollar prognostiziert.
Temu-Erfolg in Deutschland: Nutzerzahlen, Downloads & Umsatz
Nach Angaben von YouGov war Temu im ersten Halbjahr 2025 unter den meistgenutzten Online-Shops auf Platz 6 in Deutschland, gemessen an der Zahl der Bestellungen. Rund 1,3 Millionen Menschen kauften in diesem Zeitraum bei Temu ein. Im Apple App Store belegte Temu im Frühjahr 2025 den ersten Platz unter den kostenlosen Shopping-Apps.
Der Erfolg basiert vor allem auf niedrigen Preisen, aggressiven Rabatten, Gratisversand und Influencer-Marketing. Doch hinter diesen Schnäppchen stecken Schattenseiten, die von Verbraucherschützer:innen und Medien immer wieder kritisiert werden.
13 Gründe, warum Temu für Käufer:innen problematisch ist
Handelsvertreter:innen, Politiker:innen und Verbraucherschützer:innen kritisieren bei Temu unter anderem schlechte Produktqualität, mangelnde Kontrollen und unfaire Wettbewerbsbedingungen.
#1: Temu ist das Gegenteil von Nachhaltigkeit
Wie viele andere Fast-Fashion-Anbieter lässt Temu die Ware hauptsächlich in China produzieren. Transparenz zu Menschenrechten und Umweltschutz bei der Produktion fehlt weitgehend. Der Ultra-Fast-Fashion-Ansatz bedeutet: Neue Trends und Kollektionen kommen in immer kürzeren Abständen auf den Markt. Kleidungsstücke werden erst nach Bestelleingang produziert, wodurch der Druck auf Näher:innen vor Ort steigt.
Die langen Transportwege nach Europa verursachen zusätzlich hohe CO₂-Emissionen. Nachhaltigkeit oder fairer Handel spielen für Temu keine erkennbare Rolle.
#2: Temu-Produkte: Schlechte Qualität und Sicherheitsrisiken
Testkäufe durch NDR, Heise, Guardian und andere Medien zeigen: Die Qualität der Produkte ist oft niedrig.
- Laut einer GfK-Umfrage für den ZVEI berichten zwei von fünf Nutzer:innen von negativen Erfahrungen.
- 15 % der Produkte gingen schnell kaputt, bei 10 % funktionierten sie gar nicht.
- Die Verbraucherzentrale warnt vor geringen Sicherheits- und Qualitätsstandards, insbesondere bei Elektronik, Spielzeug und Haushaltswaren.
#3: Fragwürdige Zoll- und Steuerstrategien
Temu nutzt hauptsächlich Luftfracht und deklariert oft Waren falsch, um Einfuhrabgaben zu umgehen.
- In der EU müssen Pakete aus Nicht-EU-Ländern mit einem Wert über 150 Euro verzollt werden.
- Die EU plant, die Zollfreigrenze bis 2028 aufzuheben, was direkte Auswirkungen auf Temu-Bestellungen hat.
- Verbraucherschützer:innen kritisieren die fehlende Transparenz, und Zollbehörden berichten von schwieriger Kontrolle bei großen Versandmengen.
#4:Temu und Markenfälschungen: Vorsicht beim Online-Shopping
Temu gerät immer wieder in die Kritik, da Markenfälschungen über die Plattform verkauft werden.
- Die EU-Kommission prüft, ob Temu ausreichend gegen illegale Plagiate vorgeht.
- Ende 2024 wurde ein Verfahren eingeleitet, weil Temu möglicherweise nicht gegen Fälschungen vorgeht.
#5: Temu-Verstöße: EU-Rechtsverstöße und Sicherheitsrisiken
Mehr als 85 % der Produkte von Temu sollen laut der „Plagiarius“-Jury gegen EU-Sicherheitsstandards verstoßen.
- Elektronische Geräte tragen häufig kein CE-Zeichen, das für Spielzeug, Haushaltsgeräte und Elektronik in der EU verpflichtend ist.
- Verbraucher:innen tragen ein hohes Sicherheitsrisiko, da Produkte weder nach EU- noch nach chinesischen Standards geprüft sein könnten.
Aktuelle Entwicklungen: Im Juli 2025 leitete die EU-Kommission ein formelles Verfahren gegen Temu wegen Verstößen gegen das Digitale-Dienste-Gesetz (DSA) ein. Laut der Kommission hat Temu bislang nicht ausreichend Maßnahmen ergriffen, um den Verkauf illegaler oder gefährlicher Produkte zu verhindern. Sollte sich der Verdacht bestätigen, drohen Temu Strafen von bis zu 6 % des weltweiten Jahresumsatzes.
Temu wurde außerdem als „Sehr große Online-Plattform“ eingestuft und muss künftig strengere Regeln zu Transparenz, Risikobewertung und Verbraucherschutz einhalten.
#6: Gefahr für Käufer:innen
Dass die Billigprodukte gefährlich sein können, zeigen verschiedene Tests. Bei Testkäufen des NDR fielen Temu-Produkte durch eklatante Sicherheitsmängel auf. So hatte ein Dampfgarer keinen dicken Stecker mit Schutzkontakten („Schuko-Stecker“), bei einer Lichterkette und einem Ladegerät bestand die Gefahr eins Stromschlags. „Richten von Temu gekaufte Produkte nach der Einfuhr Schaden an, kann das für den jeweiligen Käufer im Ernstfall schwere Konsequenzen haben“, warnt der NDR. Auch die italienische Verbraucherorganisation Altroconsumo machte Testkäufe: Von 15 Produkten war keines einwandfrei: Darunter ein Teddybär mit verschluckbaren Kleinteilen und ein E-Scooter-Helm mit defektem Kinnriemen und viel zu dünnem Material.
#7: Temu-Produkte enthalten gefährliche Chemikalien
Produkte von Temu enthalten laut Tests des BUND und RTL-Extra oft gesundheitsgefährdende Chemikalien:
- Phthalate, Chlorparaffine, PFAS („Ewigkeitschemikalien“) und Nitrosamine.
- Besonders problematisch bei Kleidung, Spielzeug und Küchenartikeln.
#8: Dark-Patterns: So werden Käufer:innen zum Kauf gedrängt
Temu nutzt Dark Patterns, um Nutzer:innen zum Kauf zu animieren:
- Abgemahnt durch den VZBV im März 2024.
- Unterlassungserklärung abgegeben, dennoch bleibt die Plattform psychologisch manipulierend gestaltet.
- Influencer:innen auf TikTok und YouTube verstärken den Kaufdruck durch Hauls und Rabattcodes.
Zusätzlich kritisiert die EU-Kommission gemeinsam mit dem Netzwerk für Verbraucherschutz (CPC), dass Temu irreführende Rabattaktionen, gefälschte Bewertungen und komplizierte Rückgabe- oder Erstattungsprozesse verwendet. Diese Praktiken verstoßen gegen EU-Verbraucherschutzrecht.
#9: Temu behindert weltweiten Lufttransport
Der rapide Anstieg der Lieferungen von Temu und Shein sorgt für Engpässe im Lufttransport und steigende Frachtkosten weltweit.
#10: Risiko Zwangsarbeit
Ein Bericht eines Kongressausschusses beschuldigt sowohl Temu als auch die Konkurrenz-App Shein, Produkte anzubieten, die mit Zwangsarbeit in der westchinesischen Region Xinjiang hergestellt wurden. Es bestehe ein „extrem hohes Risiko“, dass die Lieferketten durch Zwangsarbeit kontaminiert seien, warnte der Bericht.
#11: Undurchsichtige Geschäftspraktiken & Datenschutz
Kund:innen wissen oft nicht, bei welchem Händler sie genau bestellen. Temu sammelt umfangreiche personenbezogene Daten, u.a. Standortdaten.
Das Bundeskartellamt leitete 2025 ein Verfahren ein. Temu soll Händler:innen verpflichten, Produkte bis zu 15 % günstiger als auf anderen Plattformen anzubieten, was als wettbewerbswidrig gilt.
#12: Temu-Kundenbewertungen: Lieferprobleme, beschädigte Ware & Rückerstattungen
TrTrustpilot-Bewertung 2025: 2,4 von 5 Sternen („mangelhaft“)
- Lieferzeiten können mehrere Wochen dauern.
- Produkte oft beschädigt, fehlerhaft oder chemisch stark belastet.
- Positive Bewertungen werden häufig mit Rabattcodes manipuliert.
EU-Behörden und Verbraucherzentralen kritisieren zudem komplizierte Rücksendungen, fehlenden Kundenservice und verzögerte Rückerstattungen. Auf TikTok/YouTube berichten Nutzer:innen regelmäßig über kaputte oder falsch gelieferte Produkte (#TemuFail, #TemuScam).
Temu-Schnäppchen: Lohnt sich der Online-Shop wirklich?
Utopia meint: Themen wie Inflation, hohe Energiepreise und steigende Lebenshaltungskosten beschäftigen nach wie vor viele Menschen. Fast Fashion und schneller Konsum dürfen dennoch nicht unsere Antwort auf hohe Produktpreise sein. Der Temu-Onlineshop ist das Gegenteil von verantwortungsvollem Konsum – er geht zu Lasten von Mensch und Umwelt. Unsere Aufgabe ist es, uns nicht von vermeintlichen Schnäppchen und süchtig machenden Mechanismen verführen zu lassen. Diese Regeln können helfen:
Drei goldene Regeln für verantwortungsvolles Einkaufen:
- Kaufe nur, was du wirklich brauchst.
- Wähle nach Möglichkeit nachhaltige Produkte.
- Nutze alles möglichst lange und entsorge verantwortungsvoll.
Temu, Shein & Co.: Utopia berichtet über Neuigkeiten und Kritik
Utopia berichtet regelmäßig über Temu, Shein & Co. Hier unsere Links zum Weiterlesen:
- Temu hat jetzt mehr Nutzer:innen als Amazon –doch App verstößt weiter gegen Verbot
- Regierung beschließt Maßnahmen gegen Temu und Shein: Was sich ändern soll
- Wie uns Shein und Temu manipulieren: „Man befindet sich in einer Art Rauschzustand“
- Dreiste Temu-Fälschungen überfordern Handel und Behörden: „Rechtsdurchsetzung faktisch unmöglich“
- Podcast: Die Psychologie hinter Temu und Shein
- 5000 Tonnen gehen täglich ins Ausland: Der Wahnsinn hinter Shein und Temu
- „Wir sind machtlos“: Behörden kritisieren Tricks von Temu & Co.
- Grenzwerte bis zu 150-fach überschritten: Partyartikel von Shein, Temu & Co. gefährden deine Gesundheit
- Trendyol: Schon wieder eine neue Konkurrenz auf dem Fast Fashion-Markt?
- Shein: GPS-Tracker zeigen Retouren-Wahnsinn mit Fast Fashion
- „Shein-Dorf“: Wie Ultra-Fast-Fashion in China hergestellt wird
- Das nächste Shein: Ist der Fast-Fashion-Shop Cider noch schlimmer?
- Ist Shein plötzlich nachhaltig? Tierschützer:innen loben Shop, neue Regelung im Check