Der Flughafen Berlin Tegel steht seit einiger Zeit still. Nun entsteht dort eine kleine Stadt – nachhaltig, tierfreundlich und emissionsarm. Ökologisch hat sie großes Potenzial, es gibt aber auch ungeahnte Hürden.
Geplant für das neue nachhaltige Stadtviertel, genannt „Schumacher Quartier“, sind über 5000 Wohnungen, zwei Schulen, sechs Kindertagesstätten, einige Einzelhandels- und Gastronomieflächen, Sport- und Freizeiteinrichtungen sowie großflächige Grünanlagen. Der Fokus des Viertels soll auf Nachhaltigkeit und Tierschutz liegen. Auf Autos wird in der Planung weitestgehend verzichtet: Die Straßen sind dem Lieferverkehr und mobilitätseingeschränkten Personen vorbehalten. Das restliche Wohngebiet soll von Fuß- und Radwegen durchzogen werden und auch eine gute Anbindung an den Personennahverkehr ist eins der wichtigsten Ziele.
Schumacher Quartier: Eine nachhaltige Bauweise und Energieversorgung
2021 kaufte die Tegel Projekt GmbH das Areal des ehemaligen Flughafens, um dort das Schumacher Quartier und ein weiteres Projekt zu realisieren: Nachbar des nachhaltigen Stadtviertels soll „Berlin TXL – The Urban Tech Republic“ werden, ein Forschungs- und Industriepark.
Der Bau des Schumacher Quartiers begann noch 2022 und soll so nachhaltig wie möglich gestaltet werden. Existierende Bauten bleiben bestehen und die Neubauten werden hauptsächlich aus Holz aus dem nah gelegenen Brandenburg gefertigt.
Außerdem soll der Ort nach dem sogenannten Modell der „Schwammstadt“ entstehen. Das Prinzip der Schwammstadt ist es, das Regenwasser an nassen Tagen lokal „aufzusaugen“, statt es durch Kanalisierung abzuleiten. Einerseits versorgt das die städtischen Bäume mit Wasser und verhindert Überflutungen bei Starkregen. Andererseits kühlt es auch die Stadt, wenn das Grundwasser an besonders heißen Tagen verdunstet. Auch die Entwässerungskosten senken sich. Indem urbane Grünflächen und sogar Feuchtgebiete entstehen können, ist eine Schwammstadt auch besonders nützlich für die Biodiversität.
Die Stadtplanung erfolgt im sogenannten „Animal Aided Design“ (AAD): eine Infrastruktur, die Wildtiere explizit mitdenkt. Das soll sowohl den Tierarten zugutekommen, als auch dem Menschen, indem es ein naturnahes Erlebnis der Stadt ermöglicht. Thomas Hauck, Professor für Landschaftsarchitektur an der Technischen Universität Wien, hat einen Entwurf für 14 „Zieltierarten“ vorgestellt. Für sie werden in dem Wohnviertel und im angrenzenden Landschaftspark auf dem ehemaligen Flughafengelände artgerechte Lebensbedingungen geschaffen. So wird es einen Eichhörnchenwald mit Nahrung und Wohnraum für die Tiere geben und Wechselkröten sollen eigene Leichgewässer bekommen.
Auch die Energieversorgung ist so nachhaltig wie möglich gestaltet. Als erneuerbare Energiequellen sind beispielsweise oberflächennahe Geothermie, Solaranlagen und Windkraft vorgesehen.
Ökologische Herausforderungen des Schumacher Quartiers
Doch nicht alle sind von dem Projekt überzeugt. Hauck selbst merkt gegenüber dem rbb24 an, dass die Weiterführung dieser Ansätze nach Bauende eine Herausforderung darstellen könnte. Die vielen guten Ideen könnten nämlich bei nachlässiger Pflege schnell der Vergangenheit angehören. So müssten Grünpfleger:innen beispielsweise wissen, wie sie wo schneiden, damit zu pflegende Naturprojekte wie eine Wildblumenwiese langfristig eine Chance auf Erfolg haben.
Auch das harmonische Leben zwischen Mensch und Tier kann eine große Herausforderung darstellen. Wie der rbb24 berichtet, zeigen Studien, dass potenzielle Bewohner:innen beispielsweise den „süßen“ Tieren freundlicher eingestellt sein könnten, als solchen, die in der Gesellschaft nicht als süß angesehen werden. Des Weiteren ist das Projekt immer noch ein Bauprojekt und das Animal Aided Design hat nicht die höchste Priorität.
Kritik aus Politik und Wirtschaft
In der Politik herrschte zu Beginn der Planung 2016 zum Schumacher Quartier keine Einigkeit: SPD und Grüne halten das Konzept zwar nicht für perfekt, dennoch aber für wertvoll und umsetzbar. Die CDU jedoch zeigt sich kritisch: „Auf Teufel komm raus“ 5000 Wohnungen für 10.000 Menschen bauen zu wollen, sei laut Baustadtrat Lambert von der CDU eine unrealistische Größenordnung, schreibt die Berliner Woche. Auch die Verkehrs-, Schul- und Grünflächenkonzepte kritisiert er.
Jörg Franzen, der Vorstandschef von Gesobau, eins der Partnerunternehmen der beiden Projekte, hält das Schumacher Quartier für nicht (mehr) bezahlbar. Er nennt Fachkräftemangel, Lieferengpässe sowie steigende Energiepreise und Zinsen als Gründe. Im Berliner Abgeordnetenhaus sagt er, es könne „nach jetzigem Stand wirtschaftlich keine einzige Wohnung gebaut werden“. Seinen Berechnungen nach kostet der Bau der ökologischen Kleinstadt pro Quadratmeter 900 Euro mehr als im konventionellen Bau.
Diese Mehrkosten müssten abgefangen werden – sei es durch Zuschüsse und Förderungen, oder den Verkauf eines Teils der Wohnungen als Eigentumswohnungen. Die Linke lehnt vehement ab, dass „ein landeseigenes Wohnungsunternehmen anfangen soll, Eigentumswohnungen zu bauen“ und haben bei dieser generellen Einstellung auch die Grünen auf ihrer Seite.
Obwohl alle Parteien des Schumacher-Quartier-Projekts eng zusammen arbeiten – die Tegel Projekt GmbH baut nicht selbst. Wie genau am Ende die Projekte und Ideen umgesetzt werden, ist demnach nicht gesichert. Die Tegel Projekt GmbH schreibt rbb24 gegenüber: „Auch wenn wir selbst nicht bauen, so geben wir doch den künftigen Bauherren Anregungen und Leitlinien an die Hand, damit die Idee des Modellquartiers mit all seinen Elementen bestmöglich in die Tat umgesetzt werden.“ Die kleine, nachhaltige Stadt soll ab 2027 phasenweise bezugsfertig sein und Mitte der dreißiger Jahre fertiggestellt werden.
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