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Sober Curiosity: Die neue Lust am Nüchternsein

sober curiosity
Foto: Colourbox.de/Elena Veselova

Sober Curiosity plädiert in einer Gesellschaft, in der Alkohol fest dazugehört, für den umgekehrten Weg. Gerade junge Menschen verzichten immer öfter auf den Rausch. Was steckt dahinter?

Bei Sober Curiosity handelt es sich um eine Bewegung, die zahlreiche Menschen anspricht. Auf Instagram finden sich Millionen von Beiträgen mit Hashtags wie „soberlife“, „sober“ oder „soberliving“. Viele versuchen auch im Dry January oder Sober October zum ersten Mal, für einen Monat komplett auf Alkohol zu verzichten.

Darüber hinaus werden Bücher und Rezepte als Ratgeber für einen alkoholfreien Lifestyle immer populärer. Sogar ein paar alkoholfreie Festivals locken inzwischen zum „natürlichen High“. Besonders bei Jüngeren nimmt die Lust zu, nüchtern zu sein – und zu bleiben. Wir erklären den Trend.

Junge Menschen trinken deutlich weniger

Wer bei Partys freiwillig auf Alkohol verzichtet, musste für lange Zeit empörte Fragen und Reaktionen ertragen. Das könnte sich mit Sober Curiosity allerdings ändern. Zahlen deuten darauf hin, dass der Alkoholkonsum bei Jugendlichen und jungen Menschen abnimmt:

  • In den meisten europäischen Ländern mit hohen Einkommen, wie Frankreich, Großbritannien oder Spanien, sinkt der Alkoholkonsum bei Jugendlichen seit den 2000ern.
  • Die Alkoholsurvey der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zeigt, dass die Anzahl der 12- bis 17-Jährigen, die regelmäßig Alkohol trinken, auch in Deutschland deutlich zurückgegangen ist. 2001 lag sie bei 17,9 Prozent, im Jahr 2021 nur noch bei 8,7. Außerdem ist die Zahl derjenigen, die bis zum 17. Lebensjahr mindestens einmal in ihrem Leben Alkohol getrunken haben, auf 57,5 Prozent gesunken.
  • Laut dem Statistischen Bundesamt gab es 2020 und 2021 deutlich weniger 10- bis 19-Jährige, die wegen einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert wurden. In den Jahren vor der Pandemie waren dies noch deutlich mehr.
  • Der regelmäßige Alkoholkonsum bei 18- bis 25-Jährigen ist nach der Alkoholsurvey ebenfalls erkennbar zurückgegangen: Auf 32 Prozent.

Die Gründe, weshalb Nüchternsein gerade bei Millennials und der Gen Z Anklang findet, sind nicht eindeutig klar. Eine Rolle könnte es spielen, dass der Zugang zu Informationen durch das Internet und Social Media deutlich einfacher geworden ist, und demzufolge ebenso das Wissen um die Gefahren von Alkohol.

Eine Umfrage von Google über die Gen Z hat beispielsweise ergeben, dass 86 Prozent Alkohol mit „Angst“, „Missbrauch“ und „Verletzlichkeit“ verbinden. Außerdem finden es 76 Prozent wichtig, stets die Kontrolle über alle Bereiche des eigenen Lebens zu behalten. Das könnte auch mit der Nutzung von Social Media zusammenhängen. Denn 49 Prozent geben an, immer ihr „Internet Image“ im Hinterkopf zu haben, wenn sie sich mit Menschen treffen.

Sober Curiosity: Spaß ohne Rausch?

Gerade bei jungen Menschen geht der Konsum von Alkohol zurück.
Gerade bei jungen Menschen geht der Konsum von Alkohol zurück.
(Foto: CC0 / Pexels / cottonbro studio)

Sober Curiosity beschränkt sich allerdings nicht explizit auf junge Menschen. Der Trend und die damit einhergehende Bewegung hat ihren Ursprung in den USA. Sie befasst sich gezielt mit dem Konsum von Alkohol und dessen Rolle in der Gesellschaft.

Zu unterscheiden ist Sober Curiosity des Weiteren von trockenen Alkoholiker:innen, die komplett nüchtern bleiben müssen, weil ihnen sonst ein Rückfall droht. Trotzdem geht es darum, auf Alkohol zu verzichten und zu hinterfragen, welche Rolle er in deinem Leben spielt:

  • Warum trinkst du?
  • Zu welchen Anlässen?
  • Was macht das mit dir?
  • Wie geht es dir am nächsten Tag?

Es geht darum, diese Fragen ehrlich für dich zu beantworten und im Anschluss einen bewussteren Umgang mit Alkohol zu pflegen. Wie sich dieser letztendlich gestaltet, dies schreibt allerdings Sober Curiosity ebenso nicht vor. Anhänger:innen des Konzepts verzichten zum Beispiel komplett auf Alkohol, nur für bestimmte Zeitperioden wie den Dry January, zu bestimmten Anlässen oder reduzieren ihren Konsum insgesamt.

Zu den Pionier:innen der Bewegung zählt unter anderem die Britin Ruby Warrington, die den Begriff mit ihrem Buch „Sober Curious“ prägte. Davon abgesehen gibt es noch eine Reihe weiterer Autor:innen, die sich mit der Thematik befassen – etwa Annie Grace in „Einfach Nüchtern!“ oder Eva Biringer in „Unabhängig. Vom Trinken und Loslassen“.

Welche Vorteile bietet Sober Curiosity?

Das Motto lautet: Spaß ohne Rausch. Sober Curiosity möchte zeigen, dass Alkoholverzicht nicht mit Spießigkeit gleichzusetzen ist und nicht bedeutet, dass man nicht mehr feiern oder sich mit Freunden treffen soll. Außerdem kann es weitere Vorteile haben, wenn du keinen Alkohol trinkst:

  • Nicht nur der Kater am nächsten Morgen bleibt aus, dein Schlaf verbessert sich merklich. Besser zu schlafen hat den Vorteil, dass du am nächsten Tag fit bist.
  • Du hast insgesamt mehr Energie, was vor allem aus dem besseren Schlaf resultiert und damit zusammenhängt, dass dein Körper nicht erst den Alkohol abbauen muss.
  • Dein Gedächtnis und deine Konzentration steigern sich.
  • Du hast mehr Geld zur Verfügung und Zeit, um dich anderen Aktivitäten und Hobbys zu widmen, etwa Sport.
  • Verbunden mit den anderen Vorteilen kann sich zudem deine mentale Gesundheit verbessern. Eine Studie aus Schweden weist darauf hin, dass geringerer Alkoholkonsum das Risiko für eine Depression senkt.

Dies sind positive Effekte durch Sober Curiosity, die bereits nach kurzer Zeit eintreten und dein Leben verbessern können. Davon abgesehen verbessert sich durch den Verzicht auf Alkohol deine körperliche Gesundheit insgesamt. Das liegt an den langfristigen Folgen, die Alkoholkonsum mit sich bringt.

Die langfristigen Gefahren von Alkohol

Sober Curiosity lohnt sich ebenfalls, weil Alkohol äußerst gesundheitsschädlich ist.
Sober Curiosity lohnt sich ebenfalls, weil Alkohol äußerst gesundheitsschädlich ist.
(Foto: CC0 / Pixabay / rebcenter-moscow)

Trotz der Akzeptanz von Alkohol in der Gesellschaft sind die negativen Effekte und Gefahren durch die Droge alles andere als gering. Frühere Untersuchungen deuteten zwar darauf hin, dass eine geringe Menge Alkohol gesundheitsfördernd sein kann. Mittlerweile ist aber tatsächlich wissenschaftlich belegt, dass es keine gesunde Menge von Alkohol gibt. Jedweder Konsum von Alkohol ist gesundheitsschädlich.

Alkohol erhöht unter anderem das Risiko für verschiedene Arten von Krebs, Bluthochdruck, Schlaganfälle sowie Herz-Rhythmusstörungen. Damit verbunden steigt ebenso die Wahrscheinlichkeit, früher zu sterben.

Gibt es dennoch eine akzeptable Menge vom Alkohol? Laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung (DGE) liegt die maximal tolerierbare Menge bei 20 Gramm für gesunde Männer und 10 Gramm für gesunde Frauen. Sie beruft sich dabei auf wissenschaftliche Untersuchungen. Überhaupt keinen Alkohol trinken sollten Frauen während der Schwangerschaft und Stillzeit sowie Jugendliche und Kinder.

Übrigens: 20 Gramm Alkohol entsprechen etwa 0,6 Liter Bier oder 0,25 Liter Wein. Bei 10 Gramm sind es entsprechend die Hälfte.

Wie gelingt Sober Curiosity am besten?

Die Gefahren zu kennen ist das eine, echter Verzicht das andere. Besonders, da Alkohol so allgegenwärtig und akzeptiert in unserer Gesellschaft ist. Außerdem versteckt sich auch Alkohol in Lebensmitteln, bei denen man es nicht erwartet, wie in fertigen Backwaren oder Süßem aus dem Supermarkt. Trotzdem kannst du es schaffen, weniger bis gar nichts zu trinken:

  • Beantworte die weiter oben genannten Fragen für dich, um herauszufinden, welche Rolle Alkohol in deinem Leben spielt und warum. Stelle dir vor, welche Vorteile der Verzicht bereithält. Entscheide darauf aufbauend, auf wie viel davon du in Zukunft verzichten möchtest. Wenn du das weißt, hast du einen groben Plan und kannst diesem folgen.
  • Suche dir Aktivitäten, die dir Spaß machen und keinen Alkoholkonsum beinhalten. Das können beispielsweise das Spielen eines Instruments, Sport, Kunst oder Gesellschaftsspiele sein.
  • Du musst definitiv nicht darauf verzichten, dich mit Leuten zu treffen. Es kann dir im Gegenteil helfen, mit anderen über deine Entscheidung zu sprechen. Am besten findest du Leute, welche ähnliche Ansichten haben und dich bei der Sober Curiosity unterstützen. Spezielle Communites dafür bieten sich ebenfalls an.
  • Es gibt mittlerweile eine große Auswahl an alkoholfreiem Bier und weitere „nüchterne Getränkealternativen“ zu kaufen. Du kannst zudem selber alkoholfreie Cocktails, Apfelpunsch, alkoholfreien Hugo oder fruchtige Himbeerbowle machen.

Achtung: Wenn du glaubst, ernsthafte Probleme mit Alkohol zu haben und süchtig danach zu sein, reichen diese Maßnahmen nicht aus. Wende dich stattdessen gleich an eine Suchtberatung in deiner Nähe oder die Anonymen Alkoholiker. Diese haben ebenfalls eine Telefon-Hotline.

Fazit: Besser nüchtern bleiben

Alkoholfreie Cocktails können beim Gelingen von Sober Curiosity helfen.
Alkoholfreie Cocktails können beim Gelingen von Sober Curiosity helfen.
(Foto: CC0 / Pixabay / wir_sind_klein)

Es lohnt sich sowohl, Sober Curiosity auszuprobieren, als auch, langfristig auf Alkohol zu verzichten. Einfach ist das hingegen nicht. Du solltest diesen Weg Schritt für Schritt gehen. Damit der Verzicht gelingt, achte auf die obigen Hinweise und darüber hinaus eine gesunde Ernährung.

Alkoholfreie Getränke sind nicht generell empfehlenswert und können unter anderem zu viel Zucker enthalten. Mögliche Alternativen sind selbst gemachte Limonade oder Eistee selber zu machen.

Wenn du mehr zu dem Thema lesen möchtest, dann findest du Reihe von Ratgebern, Erfahrungsberichte und Rezeptbücher für alkoholfreie Drinks online oder in deiner Buchhandlung.

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