Sportswashing bezeichnet eine Praktik, bei der Politiker:innen, Regierungen oder Marken Sportveranstaltungen nutzen, um das eigene Image aufzupolieren. Was genau hinter dem Begriff steckt, erfährst du hier.
Die Olympischen Spiele 1936 unter der politischen Führung Hitlers, die Fußball-WM 1978 in Argentinien unter einer Militärdiktatur und die WM 2022 im autokratischen Wüstenstaat Katar – dies sind prominente Beispiele für die Praktik des Sportswashing. In allen Fällen haben sich Politiker:innen konkret als Veranstalter für ein weltweit angesehenes Sportevent beworben, um die eigene Reputation weltweit zu verbessern.
Die positiven Gedanken, die viele Menschen dabei mit dem jeweiligen Sport verbinden, sollen sich so auch auf die Regierenden des Landes übertragen. Der Politikwissenschaftler Jürgen Mittag fasst die Methode gegenüber dem Spiegel mit den Worten zusammen: „Sie beabsichtigen, die Strahlkraft des Sports auf sich zu ziehen.“
Sportswashing: Eine altbekannte Methode
Dass Politiker:innen im Rahmen von großen Sportveranstaltungen die Nähe zu nationalen Sportler:innen suchen, ist nichts Neues. So sitzen führende Politiker:innen bei wichtigen Spielen mit im Stadion oder lassen sich mit der Mannschaft ihres Landes ablichten. Auch Deutschland nutzte die WM 2006 im eigenen Land, um sich unter dem Slogan „Zu Gast bei Freunden“ der Welt als besonders herzlich und weltoffen zu präsentieren, so der Spiegel.
Auch wenn Sportswashing als Begriff also noch relativ neu ist – die Praktik selbst ist es nicht. Besonders verheerend wird es jedoch dann, wenn der Sport dazu dienen soll, Menschenrechtsverletzungen eines Regimes zu verschleiern und die Legitimation der repressiv Herrschenden zu untermauern.
Demzufolge nutzen NGOs und Medien den Begriff „Sportswashing“ laut Deutschlandfunk und der Rosa-Luxemburg-Stiftung meist nur, um über autokratische Staaten wie Katar, Saudi-Arabien oder China zu sprechen. Man dürfe jedoch auch westlichen, demokratischen Staaten nicht alles durchgehen lassen.
Sportswashing – nur in Autokratien?
Dem Deutschlandfunk zufolge handelt es sich bei „Sportswashing“ um keinen klar definierten Begriff. Das liegt daran, dass es bislang kaum wissenschaftliche Veröffentlichungen zu dem Konzept gibt. Dementsprechend ist es teilweise nicht einfach, die Grenze zwischen Imagekampagnen und Sportswashing zu ziehen. Schließlich nutzen auch westliche Staaten den Sport für das politische Image gezielt aus.
So kooperiert die britische Regierung laut Deutschlandfunk seit 2021 mit der Premier League und präsentiert sich in zugehörigen Werbekampagnen als zukunftsorientiertes Land. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung macht zudem darauf aufmerksam, dass auch westliche Staaten von der WM in Katar profitieren. So brachte die WM der Deutschen Bahn den bislang größten Auftrag in ihrer gesamten Geschichte ein: Die DB baute in Doha ein komplettes Metro-System auf. Schließlich gab es bislang keine ausreichend ausgebaute Infrastruktur, die für ein derart großes Sportevent ausreichend gewesen wäre.
Wenzel Michalski von Human Rights Watch betont jedoch gegenüber Deutschlandfunk, dass auch hinsichtlich Sportswashing zwischen Autokratien und Demokratien unterschieden werden müsse. Das heißt nicht, dass es nicht wichtig wäre, auch demokratische Staaten genauer unter die Lupe zu nehmen und zu kritisieren. Gerade NGOs konzentrieren sich jedoch in ihrer Arbeit stärker auf repressive autokratische Staaten und decken die Missstände auf, die der Sport eigentlich verschleiern sollte.
Sportswashing in Katar
Mindestens 6.500 Gastarbeiter:innen aus Indien, Pakistan, Nepal, Bangladesch und Sri Lanka sind laut Angaben des Guardian seit den WM-Vorbereitungen in Katar gestorben. Die Dunkelziffer könnte noch deutlich höher sein. Zudem ist Katar bekannt für die Unterdrückung der LGBTQIA+-Community, die Verfolgungen, Folter und Todesstrafen beinhaltet. Auch Frauen unterdrückt die Regierung bedingungslos. Gleichzeitig präsentiert sich Katar laut dem Nachrichtenportal DW als gastfreundlicher WM-Veranstalter und verspricht „Offenheit und Toleranz“.
Die wenigen Reformen, die seitdem in Katar in diesen Bereichen angeschoben wurden, sind zu schwach und dienen in erster Linie einer PR-Strategie, so der Menschenrechtler Wenzel Michalski im DW-Interview. Dass sich wirklich etwas ändern werde, sei unwahrscheinlich.
Die WM 2022 ist jedoch nicht das erste große Sportevent in Katar. Auch durch Golfturniere, Formel-1-Strecken und die Leichtathletik-WM 2019 hat sich der Wüstenstaat zu einem der größten Akteure im weltweiten Sportgeschäft aufgeschwungen, so die Rosa-Luxemburg-Stiftung. Ziel des Königshauses sei es dabei, sich durch eine bessere weltweite Reputation unabhängiger von Erdöl-Exporten zu machen und andere Wirtschaftszweige aufzubauen. Es gehe also nicht allein um die Verschleierung von Menschenrechtsverletzungen, sondern auch darum, auf dem Weltmarkt mehr Macht und Einfluss zu erlangen.
Das Problem liegt dabei laut der Rosa-Luxemburg-Stiftung jedoch nicht nur an Katar selbst, sondern an der global kapitalistischen Ausrichtung des Fußballs, die nicht nur durch Autokratien, sondern auch demokratische Staaten ermöglicht wird.
Aus Entsetzen über die Menschenrechtsverletzungen vor Ort, haben in Deutschland viele Menschen beschlossen, die WM zu boykottieren. Wenn du mehr dazu erfahren möchtest, kannst du hier weiterlesen: Fußball-WM in Katar: Warum stiller Boykott nichts bringt.
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English version available: From Nike to the NBA: How Brands Use Sportswashing to Control Their Image
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