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Tierversuche: So ist die rechtliche Situation in Deutschland

Tierversuche
Foto: CC0 / Pixabay / tiburi

Tierversuche werden in Deutschland über das deutsche Tierschutzgesetz geregelt. Das ist wiederum der EU-Tierversuchsordnung angepasst. Wir haben uns die Gesetze angesehen.

Rechtliche Grundlagen für Tierversuche

Tierversuche werden durch das deutsche Tierschutzgesetz geregelt, das 2013 der EU-Tierversuchsrichtlinie angepasst wurde. Zusätzliche Regulierungen sind in der Tierschutz-Versuchstierverordnung festgehalten.

Im ersten Abschnitt des Tierschutzgesetzes heißt es:

„Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“

Doch was ein vernünftiger Grund ist, lässt sich nur schwer definieren und ist zum Teil auch Ansichtssache. Im fünften Abschnitt des Tierschutzgesetzes werden Bedingungen und Voraussetzungen für Tierversuche genauer festgelegt.

Ein Tierversuch wird dabei als Handlung, bei der das betreffende Tier Schmerzen, Leid oder Schaden mit wissenschaftlicher Rechtfertigung zugefügt wird, definiert. Tiere zu töten, um mit den Organen zu wissenschaftlichen Zwecken zu forschen, zählt dabei nicht als Tierversuch.

Tierversuche: Wann sind sie erlaubt?

Tierversuche sind für die Entwicklung und Überprüfung neuer Medikamente immer noch gesetzlich vorgeschrieben.
Tierversuche sind für die Entwicklung und Überprüfung neuer Medikamente immer noch gesetzlich vorgeschrieben.
(Foto: CC0 / Pixabay / stevepb)

In § 7a ist festgelegt, zu welchen Zwecken Tierversuche durchgeführt werden dürfen. Ein Versuch an lebenden Tieren muss demnach einem der folgenden Zwecke dienen:

  • Grundlagenforschung
  • Forschung zu Krankheiten und gesundheitlichen Zuständen, auch in Bezug auf Haltungsbedingungen von landwirtschaftlichen Nutztieren
  • Umweltschutz
  • Überprüfung der Wirksam- und Unbedenklichkeit von Arzneimitteln, Lebensmitteln, o. Ä.
  • Prüfung der Wirksamkeit von Stoffen gegen tierische Schädlinge
  • Forschung zur Artenerhaltung
  • Aus-, Fort- oder Weiterbildung (mit einem Gesetz, das im Juni 2021 in Kraft getreten ist, muss dafür eine behördliche Genehmigung eingeholt werden)
  • gerichtsmedizinische Untersuchungen

Dabei ist auch klar definiert, dass Tierversuche nicht zulässig sind für

  • für Entwicklung von Waffen und Munition,
  • für den Test von Tabakwaren,
  • Waschmittel und
  • Kosmetika.

Schon seit 2004 dürfen in Deutschland sowohl dekorative als auch pflegende Kosmetika nicht mehr an Tieren getestet werden. Seit 2013 darf Kosmetik, die an Tieren getestet wurde, in der gesamten EU nicht mehr verkauft werden. Auch die einzelnen Inhaltsstoffe dürfen nicht an Tieren getestet werden. 

Bedingungen für Tierversuche

Bevor ein Tierversuch genehmigt wird, muss er einigen Kriterien entsprechen.
Bevor ein Tierversuch genehmigt wird, muss er einigen Kriterien entsprechen.
(Foto: CC0 / Pixabay / DarkoStojanovic)

Bedingungen für Tierversuche werden im Tierschutzgesetz in Abschnitt fünf in § 7 bis § 9 genauer festgelegt. Ein Tierversuch muss folgende Kriterien erfüllen:

  • Der Versuch muss als unerlässlich gelten.
  • Die Vorgehensweise muss ethisch vertretbar sein.
  • Es werden nur so viele Tiere wie wirklich für den Versuch nötig eingesetzt.
  • Schmerzen, Leid und Schäden an den Tieren müssen so gering wie möglich sein.
  • Der Einsatz von alternativen Methoden ist nicht möglich.
  • Es werden nur Tiere mit möglichst geringem Nervensystem verwendet.
  • Der Versuch darf nicht schon einmal durchgeführt worden sein.
  • Der wissenschaftliche Nutzen aus dem Versuch muss das Leid aufwiegen.

Um sie statistisch zu erheben, unterliegen alle Tierversuche der Meldepflicht. Jene Versuche, die gesetzlich vorgeschrieben sind, sind seit 2021 auch genehmigungspflichtig. Dazu gehören etliche Tierversuche, die durch die folgenden Gesetze verpflichtend sind:

  • Arzneimittelgesetz
  • Chemikaliengesetz
  • Futtermittelgesetz 
  • Gentechnikgesetz
  • Lebensmittelgesetz
  • Pflanzenschutzgesetz
  • Tierseuchengesetz und vielen weiteren

Tierversuche mit Wirbeltieren, vor allem Primaten, Kopffüßern oder gefährdeten Arten sind durch Tierschutzbeauftragte genehmigungspflichtig. Bei dem Ansuchen um Genehmigung müssen Forscher:innen nach den oben angeführten Gesichtspunkten darlegen, warum der Versuch mit Tieren als notwendig zu betrachten ist.

Seit 2021 sind auch die Einrichtungen, in denen Tierversuche stattfinden, genauer geregelt. Beispielsweise müssen solche, in denen Versuche mit Primaten stattfinden, einmal jährlich kontrolliert werden. 

Kritik am Tierschutzgesetz

Tierschutzorganisationen fordern ein Ende von Tierversuchen.
Tierschutzorganisationen fordern ein Ende von Tierversuchen.
(Foto: CC0 / Pixabay / PublicDomainPictures)

Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland

Große Tierschutzorganisationen wie der deutsche Tierschutzbund und PETA kritisieren die deutschen Gesetze für Tierversuche. In der letzten Anpassung an die EU-Richtlinie seien primär Ungleichheiten innerhalb Europas aufgehoben worden. Außerdem scheint das Gesetz in Deutschland nicht ausreichend umgesetzt zu werden, weshalb die EU 2018 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet hat.

Die Kritikpunkte betreffen hauptsächlich die Inspektion und die Genehmigungspflicht. Es herrsche ein Mangel an fachkundigen Tierärzt:innen zur Prüfung der Tierversuche. Außerdem dürfen die Tierschutzbeauftragten die Versuche nur sehr eingeschränkt prüfen. Ob ein Versuch als ethisch vertretbar gilt, darf die zuständige Behörde beispielsweise nicht unabhängig und eigenständig prüfen, sondern muss sich auf das Urteil der Forschungseinrichtung verlassen.

Die Bundesregierung versucht, mit den oben genannten Verschärfungen von 2021 eine solche Klageerhebung beim Europäischen Gerichtshof gegen Deutschland zu verhindern. Sie möchte mit dem neuen Gesetz eine „zweifelsfreie, vollständige Umsetzung der ‚EU-Richtlinie zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere’“ sicherstellen.

Auch an alternativen Methoden, um Tierversuche künftig überflüssig zu machen, werde zu wenig geforscht.

„Statt sich wie Frau Klöckner auf den bereits bestehenden Aktivitäten im Bereich Alternativmethoden auszuruhen, sollte die Bundesregierung endlich anerkennen, dass der Status quo nicht ausreicht. Wir fordern die Regierung auf, die kritisierten Mängel umgehend zu beheben. Zusätzlich muss aber eine konkrete Strategie zum Ausstieg aus Tierversuchen her“, so Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzvereins.

Experimente an genetisch modifizierten Schweinen im ICON

Ein neues Forschungszentrum für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Großhadern, genannt „ICON“, soll ab 2024 mithilfe von „geeigneten Großtiermodellen“ seine Forschungsarbeit aufnehmen. Die Süddeutsche Zeitung übersetzt das zu: „Experimente an genetisch modifizierten Schweinen“. Eckhard Wolf, Professor für Molekulare Tierzucht und Biotechnologie vom Genzentrum der LMU, rechtfertigt diese Vorgehensweise damit, dass Schweine in ihrer Anatomie dem Mensch ähneln und sich besser für Versuche eignen als Modelle. Den Schweinen wird als Embryo bereits exakt die Mutation „eingepflanzt“, die die zu untersuchende Krankheit im Menschen verursachen.

Laut RKI machen Herz-Kreislauf-Probleme etwa 40 Prozent aller Sterbefälle in Deutschland aus, die führende Todesursache also. Viele dieser Todesfälle sollen verhindert werden können, indem man mit den genetisch modifizierten Schweinen die Lücke zwischen der sogenannten „präklinischen Forschung“ und der Anwendung am Menschen schließt: Die in der präklinischen Forschung üblichen Versuche an dem Menschen ja sehr unähnlichen Nagetieren führen oft ins Nichts. Wenn genetisch modifizierte Schweine dazu führen, dass die Forschung effizienter betrieben werden kann, ist möglicherweise zumindest dem Mensch damit besser geholfen. Dass Schweine nicht nur groß und dem Menschen ähnlicher, sondern auch sehr intelligent und emotional sind, führt jedoch zu anderen moralischen Fragestellungen.

PETA kritisiert REACH

Die Tierschutzorganisation PETA kritisiert vor allem die EU-Verordnung REACH. Durch diese müssen unzählige Chemikalien, die auch in Kosmetika verwendet werden, erneut auf ihre Verträglichkeit getestet werden. Auch wenn die Verordnung Tierversuche nur als letzte Möglichkeit gestattet, wurden allein bis 2016 Versuche an über einer Million Tieren durchgeführt.

Wenn du sichergehen möchtest, dass deine Kosmetik tierversuchsfrei ist, kannst du Liste der Tierschutzorganisation PETA prüfen, außerdem kannst du auch die Petition gegen die REACH Verordnung unterzeichnen.

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      English version available: Animal Testing: How Big Is the Problem?

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