Woher genau unsere Kleidung stammt und unter welchen Bedingungen sie produziert wurde, ist meist unmöglich herauszufinden. Doch einige Labels machen es anders: Hier kannst du für jedes Teil nachverfolgen, wer es gemacht hat.
Herkunft: unbekannt. Das gilt für fast alle T-Shirts, Jeans, Pullover oder Unterwäsche in unseren Schränken. Zwar hat jedes Teil ein eingenähtes Etikett, aber das verrät nur Faserart, Herstellungsland und Waschanleitung. Dabei haben unsere Kleidungsstücke vom Baumwollfeld bis zur Näherei oft Dutzende Länder und Fabriken durchlaufen. Wie da wer gearbeitet hat, mit welchen Chemikalien hantiert wurde und welche Löhne gezahlt wurden, weiß keiner – meist nicht einmal die Modefirmen selbst.
Doch einige Marken machen das ganz bewusst anders. Sie schaffen komplette Transparenz über ihre Lieferkette – für alle Kunden einsehbar, per Mausklick oder QR-Code. Diese Labels sind Vorreiter.
Jan’n June: Personalausweis für jedes Kleidungsstück
Das junge Hamburger Label Jan’n June** hat eine Eco-ID für jedes Kleidungsstück geschaffen. Diese hängt in Form eines QR-Codes am Hangtag jeder Hose, Bluse oder Strickjacke. Schon im Laden – also vor dem Kauf – kann jeder Kunde mit seinem Smartphone den Code scannen und erfährt alles über die Herkunft des Teils. Auch im Onlineshop bekommt man für jedes Teil einen detaillierten Überblick über die Lieferkette.
Zum Beispiel bei dem schwarzen Shirt-Kleid „Iris“**: Zellulose aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern, von der Firma Lenzing in Tencel verwandelt, gestrickt und gefärbt in Portugal (mit genauer Koordinaten-Angabe), produziert von den polnischen Näherinnen Wanda, Aga, Wiola und Asia bei der Firma Wroclaw in Breslau, entworfen von Anna und Jula in Hamburg – den beiden Eigentümerinnen von Jan’n June. Und wer genau wissen will, welche der polnischen Arbeiterinnen eben dieses Kleid hergestellt hat, guckt in der Seitennaht nach, dort hat sie ihren Namen eingenäht.
„Wir haben mit der Eco-ID von Anfang an eine Art Personalausweis für jedes Kleidungsstück geschaffen, den jeder ganz einfach abrufen kann“, sagt Juliana Holtzheimer, 27, eine der beiden Gründerinnen. „Denn Transparenz gehört zu nachhaltiger Mode einfach dazu. Und es hilft den Kunden, die wirklich konsequente Eco-Fashion vom Rest zu unterscheiden.“
Tatsächlich hat Jan’n June nichts zu verbergen: Die Baumwolle ist nach dem strengen Öko-Label GOTS zertifiziert, die Kunstfasern stammen aus Recycling-PET, geprüft nach dem Global Recycling Standard. Und die Extra-Teile wie Knöpfe oder Reißverschlüsse stammen von Zulieferern, die nach ÖKO-TEX Standard 100 zertifiziert sind.
bioRE: Transparenz für Mammut, Globetrotter, Grüne Erde
Jan’n June hat die Lieferkette von Anfang an selbst offen gelegt. Andere Marken heuern dagegen Dienstleister wie bioRE oder Respect-Code an.
So etwa die Schweizer Outdoormarke Mammut**: Die zertifizierten Jacken besitzen einen eingenähten Tracking-Code. Gibt man den bei bioRE ein, erscheint eine Weltkarte mit der Lieferkette der Jacke.
Station 1: der indische Baumwollfarmer Mr. Rajendra aus Kasrawad, einer von 3700 indischen bioRe-Baumwollbauern. Station 2: die Spinnerei Eurotex Industries im indischen Kolhapur. Station 3 liegt nicht weit entfernt: In Bangalore, ebenfalls in Indien, sitzt der Produzent Birdy Exports, der die Kleidung näht. Von dort gelangt das fertige Produkt auf dem Seeweg durch Suez-Kanal und Mittelmeer nach Europa in den Laden. Alle bioRE-zertifizierten Textilien besitzen also nicht nur eine komplett transparente Lieferkette, sondern sind auch fair und ökologisch produziert.
Weitere bekannte Marken, die bio-Re unter Vertrag hat, sind zum Beispiel Gerry Weber**, Grüne Erde, Maloja und Naturaline.
Respect-Code: individuelle Tracking Codes
Der Transparenz-Dienstleister Respect-Code macht das ganz ähnlich. So verfügen etwa die T-Shirts des Schweizer Herstellers Switcher ebenfalls über individuelle Tracking Codes, die online zum Ursprungsland der Faser führen – und von dort über alle Produktionsstationen bis hin zum Endverbraucher. Klickt man auf der Respect-Code-Website auf die Marke Switcher, erfährt man, wo und von welchen Zulieferern die T-Shirts gesponnen, gewebt, gefärbt und konfektioniert wurden. Exportfirmen und Transportwege in die Schweiz zu Switcher sind ebenfalls auf der Karte eingezeichnet.
Auch das bekannte T-Shirt-Druck-Unternehmen Spreadshirt** lässt seine Shirts von Respect-Code tracken.
Übrigens: Viele Öko-Modelabels legen großen Wert auf transparente Produktionsprozesse und legen ihre Lieferketten weitgehend offen – die Jeanslabels Nudie Jeans und Kuyichi beispielweise geben auf ihren Webseiten Einblicke in ihre Lieferketten und Produktionsstätten (Nudie Jeans Production Guide / Kuyichi: Who made your clothes).
„Fehlende Transparenz kostet Leben“
Warum Transparenz in der Lieferkette wichtig ist? Weil nur dann die Zulieferer kontrolliert werden können. Genau das gewährleisten Respect-Code und die Remei AG, die hinter bioRE steht.
Dieser Durchblick fehlt bei den meisten globalen Modemarken: Sie arbeiten mit Tausenden Webereien, Färbereien, Textilveredlern und Nähereien aus verschiedenen Ländern gleichzeitig, welche wiederum Aufträge an Sub- und Sub-Sub-Unternehmer weitergeben. Sie besitzen die Fabriken in der Regel nicht, sondern beauftragen sie nur. Bei diesem System geht den Marken der Durchblick sehr oft verloren.
Doch: „Fehlende Transparenz kostet Leben“, heißt es im „Fashion Transparency Index“. In dem Report schreiben die Organisation FashionRevolution und der Non-Profit-Verbund Ethical Consumer:
„Wenn du es nicht sehen kannst, weißt du nicht, dass es passiert – und kannst es nicht in Ordnung bringen“.
Gemeint sind unmenschliche Arbeitsbedingungen, einsturzgefährdete Fabriken, giftige Chemikalien.
Seit die Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch einstürzte und 1127 Menschen starben, kämpft FashionRevolution für eine transparente, faire und nachhaltige Textilproduktion. Jeder Konsument kann bei den Kampagnen mitmachen und so mehr Bewusstsein für die textilen Lieferketten schaffen: Einfach unter dem Hashtag #whomademyclothes ein Bild von deinem Kleidungsetikett an den Hersteller schicken – und fragen, wer genau dieses Teil hergestellt hat.
Die meisten Modelabels wissen immer noch nicht, woher ihre Kleidung stammt
Doch der Weg hin zu einer transparenten textilen Lieferkette ist noch weit. Der Fashion Transparency Index 2018 nimmt die 150 weltweit größten Modemarken (über 500 Million Dollar Jahresumsatz) unter die Lupe, mit einem ernüchternden Ergebnis: 21 Prozent von 250 möglichen Transparenz-Punkten erreichen die Firmen im Durchschnitt. Keine Marke erhielt mehr als 60 Prozent.
Aber der Transparenz-Trend geht nach oben: Die 98 bereits im letzten Jahr untersuchten Firmen verbessern sich immerhin um fünf Prozent. Mehr Firmen veröffentlichen ihre Zuliefererbetriebe (von 32 auf 37 Prozent) – zumindest die Produktionsstätten, wo zugeschnitten und genäht wird. Zum Vergleich: noch 2016 waren es nur gut zehn Prozent. Aber nur eine einzige Firma gibt ihre Rohmaterial-Zulieferer preis. Das heisst: Wo die Wolle, Baumwolle oder Synthetik unserer Kleidung herkommt – wir haben keine Ahnung. Die Übersicht der Ergebnisse findest du hier.
Aber nun zu den Siegern des Rankings: Die Sportartikler Adidas, Reebok, Puma und die Modemarken Esprit, Gap mit den dazugehörigen Marken Old Navy und Banana Republic, C&A und Marks & Spencer sind die transparentesten großen Modemarken.
Adidas und Reebok liegen mit 58 Punkten auf Platz 1. Adidas etwa veröffentlicht hier alle etwa 800 direkten Zulieferbetriebe („tier 1“) und deren Zulieferer („tier 2“), alle Nassbetriebe und weitere Fabriklisten.
H&M, mit 55 Punkten an dritter Stelle nach Puma, verfolgt das Transparenz-Thema schon seit 2013. Nahezu alle direkten Zulieferer, inklusive deren Sub-Unternehmer, sind auf der H&M-Website einsehbar. Auch die meisten Garn- und Stoffhersteller werden seit 2015 veröffentlicht. Und direkt an den Produkten der Conscious Exclusive-Kollection kannst du online auch erfahren, wer dein Produkt gemacht hat und wo.
Was wir tun können
Damit Mode noch transparenter wird, sind wir Konsumenten gefragt. Achte auf die Etiketten, die an der Kleidung hängen – und nicht nur auf Design, Preis und Marke. Am besten für Umwelt und Arbeiter ist es, wenn du zertifizierte Eco- und Fair-Modeartikel kaufst.
Denn auch wenn kein Lieferketten-Label von Respect-Code oder bioRE dran ist: Die Öko- oder Fair-Zertifizierungen wie etwa GOTS, IVN und Fairtrade garantieren eine transparente Lieferkette – und bessere Produktionsbedingungen gleich dazu.
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