Die Umweltpsychologie befasst sich mit der Wechselbeziehung zwischen Mensch und Natur. Wie wirkt die Natur auf den Menschen, und wie der Mensch auf die Natur? Das sind die Kernfragen der Umweltpsychologie.
Was ist Umweltpsychologie?
Die Umweltpsychologie ist ein noch recht junger Zweig der Psychologie. Im Zentrum ihrer Forschung stehen die Wechselwirkungen zwischen Umwelt und der menschlichen Psyche, so das Umweltbundesamt. Das funktioniert in zwei Richtungen:
- Einerseits betrachtet die Umweltpsychologie, wie sich bestimmte Umwelteinflüsse auf unsere Psyche auswirken, also zum Beispiel ein Aufenthalt im Wald in Vergleich zu einem Aufenthalt in der Stadt.
- Auf der anderen Seite geht es aber auch darum, zu erklären, warum Menschen in Bezug auf die Umwelt so handeln, wie sie handeln. Daraus folgt die Frage, was Menschen dazu motiviert, sich umweltfreundlich zu verhalten oder sich für den Umweltschutz zu engagieren.
Umwelt im Sinne der Umweltpsychologie meint sowohl die natürliche Umwelt als auch die menschgeschaffene. Daher gehören der Arbeitsplatz, der Wohnort und die Menschen in deinem Umkreis auch zu deiner Umwelt.
Denken, Fühlen und Handeln von Menschen in Wechselwirkung mit der Umwelt können Gegenstand der Umweltpsychologie sein. Die Frage danach, was Menschen zu umweltschützenden Verhalten motiviert, bezeichnet die Initiative Psychologie im Umweltschutz als Umweltschutzpsychologie. Diese ist wiederum eng verwandt mit dem weitergefassten Begriff der Psychologie der Nachhaltigkeit.
Womit beschäftigt sich Umweltpsychologie?
Bei der Frage, wie die Umwelt den Menschen beeinflusst, geht es unter anderem um diese Themen:
- Die Wahrnehmung von Risiken: Wie nehmen unterschiedliche Menschen ein Risiko wahr, beispielsweise eine Naturkatastrophe, auf der Grundlage ihrer Emotionen, ihrer Werte oder ihrer Glaubenssätze?
- Umwelteinflüsse auf das Stressempfinden wie Lärm, Verkehr, Platzmangel, Qualität von Wohnraum oder Nachbarschaft
- Wahrnehmung und Bewertung verschiedener Landschaften: Welche Landschaften finden wir besonders schön, welche weniger?
- Der positive Einfluss von Natur auf unsere Gesundheit: Wie dieses Paper belegt, werden beispielsweise Patient*innen in Krankenhäusern schneller gesund, wenn sie Bäume und Pflanzen vor dem Fenster haben statt Häusern oder Gebäuden.
- Gründe für den erholsamen Effekt, den Natur auf uns hat
- Wahrnehmung und Bewertung von „Wildnis„
- Wahrnehmung und Bewertung von bebauter Umwelt und Ansätze für neue Architektur- und Designmethoden. Darunter fällt das sogenannte „Social Design“, bei dem Architekt*innen und Nutzende eines Gebäudes sich zusammensetzen, um die Bedürfnisse der Nutzenden mit in die Planung aufzunehmen. Das „Biophilic Design“ wiederum setzt sich für die Integration von natürlichen Elementen und Naturerleben in Gebäuden ein mit der Begründung, die Menschheit habe den größten Teil ihrer Zeit in einer natürliche Umwelt verbracht und lebe erst seit kurzem in Städten.
- Die Wirkung von Städten auf unser Wohlbefinden.
Die andere Perspektive der Umweltpsychologie untersucht die Faktoren, die unser Umweltverhalten beeinflussen. Dazu gehören:
- Die Rolle, die unsere Werte für umweltfreundliches Verhalten spielen
- Die Rolle von sozialen Normen: Soziale Normen sind Verhaltensregeln, von denen wir glauben, dass unser Umfeld sie von uns oder generell erwartet. Wenn beispielsweise all meine Kolleg*innen mit dem Auto zur Arbeit fahren, kann es so etwas wie eine ungeschriebene Regel sein, dass ich auch mit dem Auto zu Arbeit fahren sollte. Wenn sich aber alle meine Freund*innen vegetarisch oder vegan ernähren, dann werde ich das wahrscheinlich auch tun. Mehr zu sozialen Normen unten im Handtuch-Experiment.
- Persönlichkeitsfaktoren, die einen Einfluss auf umweltfreundliches Verhalten haben
- Selbstbild und Identität und deren Einfluss auf unser umweltfreundliches Verhalten
- Die Frage, wie sich umweltfreundliches Verhalten durch Strafen oder Belohnungen beeinflussen lässt
- Veränderungen von Einstellungen und Wissen und dadurch eine Veränderung des Verhaltens
Die Liste ist angelehnt an das Buch „Environmental Psychology – An Introduction“ (zu finden unter anderem bei **Amazon). In dem Buch findest du viele weitere spannende Themen und Erkenntnisse zur Beziehung und Wechselwirkung von Mensch und Umwelt.
Die Theorie des geplanten Verhaltens: Ein beliebtes Modell der Umweltpsychologie
Ein Modell hat sich als besonders geeignet erwiesen, um Voraussagen darüber zu machen, ob sich jemand umweltfreundlich verhält oder nicht. Der Wissenschaftler Ajzen, der das Modell 1985 entwickelt hat, bezeichnet es als Theorie des geplanten Verhaltens.
Drei Faktoren bestimmen, wie du Verhalten planst:
- Die persönlichen Einstellungen: Du musst ein Verhalten gut oder wichtig finden, damit du es tun willst.
- Die subjektiven Normen: Sie sind im Grunde dasselbe wie die sozialen Normen, also das, was du glaubst, was dein Umfeld von dir erwartet.
- Die wahrgenommene Verhaltenskontrolle: Du musst das Gefühl haben, dass das Verhalten möglich ist und unter deiner Kontrolle steht.
Wenn diese drei Faktoren erfüllt sind, gelangst du zu einer Handlungsabsicht und diese führt dann zum tatsächlichen Verhalten.
Mit einem Beispiel lässt sich das abstrakte Modell ganz einfach erklären: Du stehst vor der Entscheidung, ob du mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren sollst oder lieber das Auto nimmst.
Angenommen, du fährst gerne Fahrrad und möchtest überdies noch was für den Umweltschutz tun. Dann hast du also positive Einstellungen zum geplanten Verhalten „Radfahren“.
Weil du in einem Bioladen arbeitest, finden es deine Kolleg*innen gut, dass du mit dem Fahrrad fährst. Autofahren lehnen sie dagegen ab. Die subjektiven Normen erfüllst du also auch, wenn du mit dem Fahrrad statt dem Auto fährst.
Der Weg ist nicht zu weit, dein Fahrrad ist voll funktionstüchtig und das Wetter ist gut – du hast also volle Kontrolle über das Verhalten.
Anders wäre es, wenn du spät dran wärst und dein Fahrrad einen platten Reifen hätte. Oder aber du nach der Arbeit noch einen Großeinkauf erledigen müsstest oder deine Arbeitsstelle viel zu weit weg wäre, um dort mit dem Fahrrad hinzufahren. In diesem Fall hättest du zwar die besten Vorsätze, aber keine wahrgenommene Verhaltenskontrolle. Die Einflussfaktoren auf dein Verhalten lägen außerhalb deines Machtbereichs. Deshalb würdest du dich wider besseren Gewissens wahrscheinlich für das Auto entscheiden.
Mehr zur Theorie des geplanten Verhaltens kannst du in dieser Studie nachlesen.
Egoistische, altruistische und biosphärische Werte in der Umweltpsychologie
Die sogenannte Value-Belief-Norm-Theory spielt in der Umweltpsychologie eine wichtige Rolle. Sie geht davon aus, dass unsere Weltsicht und die Wahrnehmung von Umweltproblemen stark davon abhängig sind, welche Werte wir haben. Sie unterscheidet drei grundsätzliche Werte:
- egoistisch
- altruistisch, also selbstlos
- biosphärisch, also ein Wert, bei dem die Natur und Umwelt um ihrer selbst willen als schützens- und erhaltenswert gesehen wird
Diese Werte formen unsere Perspektive auf die Welt und dadurch unseren Fokus darauf, welche Konsequenzen ein Verhalten hat. Aus den Konsequenzen leiten wir dann die Verantwortung ab, die einzelne Personen haben oder nicht haben. Wenn du diese Verantwortung bei dir selbst siehst, tendierst du dazu, umweltfreundliches Verhalten zu zeigen. Je nach Werten kann dass Umweltaktivismus sein, aber auch lediglich die Akzeptanz für politische Maßnahmen zum Umweltschutz, umweltschützendes Verhalten im Privaten oder umweltschützendes Verhalten innerhalb einer Organisation.
Auch diese abstrakte Theorie lässt sich anhand des Beispiels „Auto versus Fahrrad“ besser verstehen.
- Ein egoistischer Mensch hat in erster Linie sein eigenes Wohlergehen im Fokus. Er*sie sieht, dass er*sie mit dem Fahrrad verschwitzt bei der Arbeit ankommt und Auto fahren für ihn*sie bequemer ist. Entweder macht sich diese Person über mögliche Umweltauswirkungen ihres Verhaltens sowieso keine Gedanken oder sieht zumindest die Verantwortung nicht bei sich, sondern beispielsweise beim Staat. Ein Mensch mit diesem Wertemuster empfindet also keine Verpflichtung, sich umweltfreundlich zu verhalten. Umweltpolitik wird ein egoistisch denkender Mensch dann akzeptieren, wenn sie keine Nachteile für ihn*sie mit sich bringt.
- Der altruistische Mensch hat das Wohl aller oder zumindest eines erweiterten Menschenkreises im Fokus. So besteht in seinen*ihren Augen dann Bedarf zum Handeln, wenn sein*ihr Verhalten negative Konsequenzen für andere Menschen hat. Im Sinne der Klimagerechtigkeit kann ein altruistischer Mensch beispielsweise eine Verbindung zwischen klimafreundlichem Verhalten und positiven Auswirkungen auf das Leben vieler Menschen herstellen – und sich infolgedessen für das Fahrrad entscheiden.
- Der Mensch mit biosphärischen Werten erkennt die Folgen seines Verhaltens auf die Umwelt und schreibt sich selbst die Verantwortung dafür zu. Deshalb sucht er*sie nach Möglichkeiten, sich umweltfreundlich zu verhalten und geht vielleicht sogar noch einen Schritt weiter: Eine Person mit biosphärischen Werten engagiert sich für mehr Umweltschutz, wenn aus ihrer Sicht noch nicht genug dafür getan wird.
Der Wertetyp von Menschen gibt auch Aufschluss darüber, wie sie am besten für umweltfreundliches Verhalten motiviert werden können:
- Leute mit egoistischen Werten werden sich dann umweltfreundlich verhalten, wenn es für sie selbst besser ist – also beispielsweise das umweltfreundliche Verhalten günstiger ist oder ihrer Gesundheit dient.
- Altruistische Menschen sind umweltfreundlichem Verhalten gegenüber schon recht aufgeschlossen. Bei ihnen ist es wichtig zu betonen, welchen Mehrwert umweltfreundliches Verhalten für die Menschen hat.
- Personen mit biosphärischen Werten lassen sich am leichtesten zu umweltfreundlichem Verhalten motivieren. Sie tendieren von sich aus dazu, sich umweltfreundlich zu verhalten und sich für Umweltschutz zu engagieren. Am ehesten fehlt es ihnen an Wissen darüber, welches Verhalten was zur Folge hat.
Mehr zur Value-Belief-Norm-Theory findest du in dieser Studie.
Soziale Normen in der Umweltpsychologie: Das Handtuchexperiment
Wie bereits angesprochen, haben soziale Normen einen starken Einfluss auf unser Verhalten. Wir sind viel eher dazu geneigt, uns umweltfreundlich zu verhalten, wenn wir glauben, dass andere das von uns erwarten. Natürlich ist das sehr stark abhängig von den Menschen und Gruppen, in denen wir uns bewegen. Wenn dir die Meinung bestimmter Menschen egal ist, wirst du dein Verhalten auch nicht danach ausrichten.
Das sogenannte Handtuchexperiment in einem Hotel hat gezeigt, welchen Einfluss soziale Normen auf unser Verhalten haben:
Wer im Hotel täglich sein Handtuch waschen lässt, verbraucht damit mehr Wasser und Waschmittel als bei der Wiederbenutzung desselben Handtuchs. Wahrscheinlich kennst du das auch:
- Handtuch auf dem Boden heißt, die Putzkraft wechselt das Handtuch.
- Handtuch am Haken heißt, du verwendest das Handtuch nochmal wieder.
Das machten sich die Wissenschaftler*innen für ihr Experiment zunutze und verteilten verschiedene Informationen auf die Hotelzimmer. Die einen waren klassische Umweltbotschaften wie „Wenn du dein Handtuch wiederbenutzt, spart das soundso viel Wasser“. Die anderen enthielten Botschaften, die die sozialen Normen eines Hotelgasts ansprachen, etwa in der Form „Soundso viele andere Gäste in diesem Hotel haben ihr Handtuch mehrfach verwendet.“
Und das Ergebnis zeigte: Die Menschen mit der Information, dass viele andere zuvor auch ihr Handtuch wiederverwendet hatten, nutzten ihr Handtuch im Schnitt länger als die mit den Botschaften zum Wasserverbrauch.
Damit ist dieses Experiment ein Beispiel dafür, wie sehr soziale Normen unser Verhalten beeinflussen.
Was bedeuten die Erkenntnisse der Umweltpsychologie in der Praxis?
Menschen sind bekanntermaßen keine Maschinen und deshalb funktioniert es natürlich nicht, dass wir einen Knopf drücken und sich plötzlich alle umweltfreundlich und klimaschützend verhalten. Aber trotzdem gibt die Umweltpsychologie einige wichtige Hinweise darauf, wie wir Menschen zu mehr Klimaschutz motivieren können:
- Zum Beispiel lässt sich jeder Mensch aufgrund seiner persönlichen Werte und sozialen Normen mit unterschiedlichen Argumenten motivieren. Wenn du suchst, findest du wahrscheinlich für alle Menschen Gründe, warum sie sich umweltfreundlicher verhalten sollten – und sei es nur, weil es ihrem eigenen Vorteil oder ihrer Gesundheit nutzt.
- Sei selbst ein Vorbild. Vielleicht trägst du dazu bei, dass sich neue soziale Normen bilden, wonach es verpönt ist, sich umweltschädlich zu verhalten.
- Hinterfrage deine eigenen Gewohnheiten. Welche Auswirkungen haben sie auf die Umwelt? Weise auch Freund*innen oder Verwandte vorsichtig darauf hin, wenn sie mit ihren Gewohnheiten unbewusst der Umwelt schaden.
Wenn du Lust hast, dich intensiver mit dem Thema Umweltpsychologie auseinanderzusetzen, kannst du dir auf der Website der Initiative für Umweltschutz kostenfrei das Handbuch „Psychologie im Umweltschutz“ herunterladen. Das Buch erklärt die zentralen Themen der Umweltpsychologie und zeigt, wie du sie in der Praxis anwenden kannst.
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