„Virtuelle Kraftwerke“ sollen die Energiewende vorantreiben. Wir erklären dir, was es damit auf sich hat und welche Vor- und Nachteile das Prinzip mit sich bringt.
Ein virtuelles Kraftwerk ist kein Kraftwerk im herkömmlichen Sinne: Es produziert keinen Strom aus Ressourcen, wie etwa ein Kohle- oder ein Atomkraftwerk. Ein virtuelles Kraftwerk ist der Zusammenschluss von mehreren Strom-Speichern und Anlagen, in denen Strom produziert wird.
Durch sie kann der erzeugte Strom gesteuert, gebündelt und je nach Bedarf ins Stromnetz eingespeist werden. Solche virtuellen Kraftwerke sind für die Energiewende wichtig: Denn Sonnen- und Windkraftanlagen sind in der Regel viel kleiner als beispielsweise ein großes Kohlekraftwerk. Noch dazu sind sie stark von Umweltbedingungen abhängig. So erzeugen Solaranlagen zwar laut dem iwr-Institut auch ungefähr dann am meisten Energie, wenn sie gebraucht wird – nämlich zur Mittagszeit. Im Winter kann der Bedarf aber oft nicht gedeckt werden. Auch bei bewölktem Himmel sind Solaranlagen weniger leistungsfähig: Sie liefern circa 50 Prozent weniger Strom.
Damit die Energiewende trotzdem funktionieren kann, brauchen wir virtuelle Kraftwerke, die die einzelnen Anlagen vernetzen und steuern können. Wenn beispielsweise Solaranlagen weniger produktiv sind, können die Kraftwerke automatisch mehr Energie aus Biogasanlagen beziehen oder Energie aus Strom-Speichern ins Netz einspeisen.
Aufgaben eines virtuellen Kraftwerks
Bisher springen noch konventionelle Kraftwerke ein, wenn aus erneuerbaren Energien nicht genügend Strom gewonnen wird. Das ist deshalb notwendig, weil immer eine bestimmte Spannung im Stromnetz vorhanden sein muss. Nur so ist die Stromversorgung zu jeder Zeit sichergestellt.
Bisher stammt laut dem Bundeswirtschaftsministerium über ein Drittel unseres Stroms aus erneuerbaren Energien. Damit wir in Zukunft unseren Strombedarf vollständig mit regenerativer Energie decken können, brauchen wir virtuelle Kraftwerke:
- Sie bündeln den Strom von verschiedenen kleinen Erzeugern. Viele Betreiber von Anlagen müssen den Strom, den sie nicht selbst brauchen, ins Netz einspeisen und so direkt verkaufen. Das gilt für alle, die die eine Leistung von über 500 Kilowatt erzielen beziehungsweise für Anlagen, die seit 2016 gebaut worden sind, und über 100 Kilowatt Strom liefern. Diese Aufgabe übernimmt ein virtuelles Kraftwerk für sie.
- Ein virtuelles Kraftwerk verfügt außerdem über ein umfangreiches Monitoring- und Überwachungssystem. Mit diesem werden viele Daten beispielsweise über das Wetter erhoben. So kann man abschätzen, welche Strommengen die verschiedenen Windkraft-, Solaranlagen und Co. produzieren. Das alles muss in Echtzeit geschehen.
- Meistens besitzt ein virtuelles Kraftwerk auch noch integrierte Speicher, damit der überflüssige Strom nicht verschwendet werden muss.
- Über das Kraftwerk wird die vereinbarte Strommenge ins Netz eingespeist.
- Dank der zentralen Steuerung kann ein virtuelles Kraftwerk schnell und flexibel auf Veränderungen im Strommarkt reagieren.
Ein virtuelles Kraftwerk ist also mit einem konventionellen Kraftwerk vergleichbar, weil es ebenfalls Steuerungs- und Versorgungsfunktionen übernimmt. Auch die Strommenge, über die ein virtuelles Kraftwerk verfügt, ist vergleichbar mit der von konventionellen Kraftwerken – oder teilweise größer. Zwei der ersten virtuellen Kraftwerke, „Next Pool“ von der Firma Next Kraftwerk GmbH und das virtuelle Kraftwerk der Firma Statkrafts, bündeln 10.000 Megawatt Leistung . Das ist so viel wie zehn Kernkraftwerke.
Im Vergleich zu herkömmlichen Kraftwerken hat ein virtuelles einen entscheidenden Vorteil: Es kann viel flexibler und schneller auf die ständigen Preisänderungen am Strommarkt reagieren, als das bei einem Kohle- oder Atomkraftwerk der Fall ist.
Hürden bei der Stromversorgung
Wie bereits angesprochen sorgen die Schwankungen in der Stromerzeugung, die Sonnen- und Windkraft mit sich bringen, für Probleme. Deshalb muss ein virtuelles Kraftwerk auch flexible Stromverbraucher, Speicher und zuverlässigere Energiequellen wie Wasserkraft oder Biogasanlagen integrieren. So können Schwankungen besser ausgeglichen werden.
Relevanz für mich als Stromverbraucher
Für dich als Privatmensch hat ein virtuelles Kraftwerk noch keine so große Bedeutung. Aber für Firmen und größere Produktionsstätten, die Strom verbrauchen, sind positive Folgen absehbar: Wenn der Strom günstig ist oder ein Überangebot herrscht, können sie beispielsweise ihre Hauptproduktionsphasen einplanen. Sie können sie ihre Produktion an Strompreise und Stromangebot an dem Markt anpassen und Strom dann nutzen, wenn er am günstigsten ist.
Mehr noch: Ein virtuelles Kraftwerk kann einem angeschlossenen Industriebetrieb den Befehl erteilen, seine Produktion hochzufahren, um überschüssige Energie aus dem System zu ziehen und umgekehrt.
Private Haushalte mit viel geringerem Stromverbrauch müssen sich noch etwas gedulden. Aber zukünftig sollen auch Haushalte durch Messgeräte – sogenannte Smart Meter – mit virtuellen Kraftwerken vernetzt werden. Durch sie soll man zukünftig stromintensive Geräte wie Herd oder Waschmaschine vom Stromangebot und den Strompreisen abhängig nutzen können. So jedenfalls sieht es die Firma Next Kraftwerke.
Fazit: Virtuelle Kraftwerke sind für die Energiewende essenziell
Virtuelle Kraftwerke und mit ihnen die Digitalisierung des Strommarktes werden in Zukunft unverzichtbar sein. Sie werden die dezentrale Stromerzeugung intelligent steuern und so die Stromversorgung sicherstellen.
Virtuelle Kraftwerke werden außerdem dazu beitragen, die erneuerbaren Energien unabhängiger von konventionellen Kraftwerken zu machen – deshalb sind sie ein essentieller Bestandteil der Energiewende.
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