Besorgte Menschen gehen wegen unterschiedlichster Beschwerden in die Notaufnahme. Doch wann ist es wirklich nötig, die Rettungsstelle aufzusuchen, und in welchen Fällen reicht es abzuwarten, bis die Arztpraxis öffnet? Utopia hat beim Leiter einer Notaufnahme nachgefragt.
Als Laie ist es schwer zu beurteilen, ob eine Verletzung oder Krankheit sofort behandelt werden muss oder sie noch einige Stunden bis einige Tage warten kann. Aus diesem Grund landen auch sehr viele Patient:innen in den Rettungsstellen, deren Beschwerden gar keinen echten Notfall darstellen. Die Sorge „nicht krank genug“ für die Notaufnahme zu sein, sollte aber niemanden vom Aufsuchen einer Rettungsstelle abhalten, betont Matthias Klein, Leiter der Zentralen Notaufnahme des LMU-Klinikums Großhadern.
Doch in welchen Fällen liegt denn nun wirklich ein Notfall vor? Wann reicht es, erst am nächsten Tag einen Hausarzt oder eine Fachärztin aufzusuchen? Und wo gibt es bei unklaren Situationen eine schnelle und zuverlässige Beratung? All diese Fragen beantwortet der Müncher Oberarzt in den folgenden Absätzen.
Bei welchen Verletzungen oder Symptomen sollte man in die Notaufnahme kommen?
Besonders bei folgenden akuten Symptomen oder Verletzungen sollte laut Matthias Klein der Notruf über die 112 getätigt werden:
- plötzliche Bewusstlosigkeit
- schwere Atembeschwerden
- Brustschmerzen
- ausgeprägte Kreislaufprobleme
- Bluterbrechen
- große Mengen Blut im Stuhl
- schwere Verletzungen
- plötzlich auftretende Lähmungen, Sehstörungen oder Sprachstörungen
Bei leichteren Symptomen oder bei Beschwerden, die weniger plötzlich auftreten, ist eine Selbsteinschätzung hingegen schwierig. In diesen Fällen empfiehlt Klein, die Telefonnummer 116 117 anzurufen. Dort erhalten Patient:innen rund um die Uhr eine professionelle individuelle Einschätzung, ob eine Vorstellung in der Notaufnahme erfolgen sollte oder ob eine Versorgung durch Hausärzte bzw. kassenärztliche Bereitschaftsärzte auch ausreichend erscheint.
Mit welchen Verletzungen und Symptomen sollte man lieber zu Hause bleiben?
Klein findet, dass trotz der teils angespannten Lagen in den Krankenhäusern jeder Patient, der sich selbst als Notfall empfinde, eine Anlaufstelle aufsuchen solle. Dies könne entweder über die Notaufnahme selbst geschehen oder (bei unklaren Fällen und nach telefonischer Ersteinschätzung unter 116 117) auch über den ärztlichen Bereitschaftsdienst. Der promovierte Neurologe betont:
„Auf keinen Fall darf die öffentliche Diskussion über Kapazitätsengpässe in der Notfallversorgung dazu führen, dass Patienten mit akuten Symptomen sich nicht ärztlich vorstellen, weil sie Sorge haben, für eine Notaufnahme oder einen Besuch in einer ärztlichen Bereitschaftspraxis nicht krank genug zu sein.“
Allerdings solle auch Verständnis für mitunter lange Wartezeiten mitgebracht werden, ergänzt der Mediziner. Schließlich müsse in den Notaufnahmen ständig priorisiert werden: „Patienten mit lebensbedrohlichen Erkrankungen werden dort immer zuerst behandelt, auch wenn die Anzahl an wartenden Patienten mit weniger bedrohlichen Krankheitsbildern schon lang ist.“
Trotz aller Vorsicht gibt es durchaus auch Fälle, bei denen in der Regel kein Notfall vorliegt, erklärt Klein: „Patienten mit Beschwerden, die seit Wochen und Monaten bestehen und sich nicht grundlegend verändert haben, müssen in der Regel nicht primär in der Notaufnahme behandelt werden.“
Zwar bestünde in diesen Fällen oft ein langer Leidensdruck, weshalb die Wartezeiten bei niedergelassenen Fachärzt:innen inakzeptabel erscheinen. Doch die Behandlung in der Notaufnahme wäre in einem solchen Fall für beide Seiten nicht optimal: „für den Patienten, da die Probleme nicht ausreichend und vollumfänglich betrachtet werden können und für den Arzt in der Notaufnahme, da dieser das Gefühl hat, dem Patienten mit seinen Beschwerden wirklich gerecht zu werden.“
Mit Kindern und Babys in die Notaufnahme
„Für Kinder und Babys gilt in der Regel das Gleiche wie für Erwachsene“, so Klein. Bei starken akuten Beschwerden, besonders den oben aufgelisteten, sollte also ein Notruf getätigt werden. Bei weniger eindeutigen Situationen empfiehlt sich auch hier der Patient:innen-Service unter 116 117. Nur wenn die Beschwerden bereits viele Tage und Wochen unverändert auftreten, liegt wahrscheinlich kein Notfall vor. Dann ist ein Besuch beim Kinderarzt die bessere Wahl.
Prinzipiell gilt, egal ob bei Erwachsenen oder Kindern: Wenn du dir unsicher bist, wähle die 116 117.
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