Zellbasierte Milchprodukte bestehen aus Milchproteinen – Kühe braucht es für ihre Herstellung aber nicht. In wenigen Jahren sollen die ersten neuartigen Käse auf den Markt kommen.
Für tierische Produkte wie Milch, Fleisch oder Eier gibt es inzwischen viele vegane Ersatzprodukte. Sie sind in Geschmack, Konsistenz und Nährwerten allerdings immer noch mehr oder weniger stark vom tierischen Original unterscheidbar.
Inzwischen ist es aber auch möglich, im Labor Proteine herzustellen, die beispielsweise identisch zu Milchproteinen sind. Daraus entstehen dann sogenannte „zellbasierte Milchprodukte“. Mit ihnen soll es möglich sein, Ersatzprodukte herzustellen, die sich kaum vom tierischen Original unterscheiden lassen.
Zellbasierte Milchprodukte dank Präzisionsfermentation
Das Verfahren dahinter nennt sich Präzisionsfermentation. Im Handelsblatt beschreibt ein deutsches Start-up, wie es mithilfe dieser Technik zellbasierten Käse herstellt:
- Bestimmte Hefen werden genetisch so manipuliert, dass sie Milchproteine produzieren. Genau genommen wird in ihrem Genom ein kopiertes Stück Kuh-DNA eingefügt.
- Die Mischung aus Hefen und Proteinen gärt für einige Tage in einem Edelstahltank.
- Anschließend werden die Proteine mit weiteren Zutaten wie Fetten und Kohlenhydraten zu Käse (hier: Ricotta oder Mozzarella) verarbeitet.
Zellbasierte Milchprodukte: Stand der Forschung und Herstellung
Das Unternehmen will seine zellbasierten Milchprodukte voraussichtlich 2023 auf den Markt bringen – allerdings vorerst in asiatischen Ländern, wo die Zulassungshürden für neuartige Lebensmittel („Novel Foods“) geringer sind als beispielsweise in Europa.
Auch von anderen Hersteller:innen finden sich bisher keine zellbasierten Milchprodukte auf dem Markt. Einer Studie des oben schon erwähnten Start-ups und der University of Bath zufolge sind solche Erzeugnisse bisher noch teurer als die tierischen Originale. In den letzten Jahren ist die Präzisionsfermentation jedoch immer einfacher und günstiger geworden, sodass sich die Kosten in Zukunft angleichen könnten.
Das Thinktank rethinkx prognostiziert sogar, dass zellbasierte Alternativen zu tierischen Produkten bis 2030 nur noch halb so viel kosten wie die Originale und dadurch die traditionelle Tierindustrie zusammenbricht.
Akzeptanz der zellbasierten Milchprodukte
In der verlinkten Studie geht es primär nicht um wirtschaftliche Erwägungen. Gegenstand der Studie ist eine Umfrage mit etwa 5.000 Teilnehmenden in den USA, Brasilien, Indien, Großbritannien und Deutschland. Mithilfe eines Online-Fragebogens wollten die Studienautor:innen herausfinden, wie es um die Akzeptanz von zellbasierten Milchprodukten (hier vor allem Käse) in der Bevölkerung steht.
Die Studie ergab, dass fast 80 Prozent der Befragten den zellbasierten Käse probieren würden und etwa 70 Prozent dazu bereit wären, dafür draufzuzahlen. Der Umfrage zufolge fanden vor allem Flexitarier:innen diese Alternative zu tierischen Produkten attraktiv, da sie sich geschmacklich im Gegensatz zu veganen Ersatzprodukten nicht vom Original unterscheiden sollen. Eine Geschmacksprobe beinhaltete die Studie allerdings nicht. Zudem ist fraglich, wie unabhängig eine Studie sein kann, bei der ein brancheninternes Unternehmen als Co-Autor auftritt.
In einer früheren Befragung von 1.000 Brit:innen hatten nur 30 Prozent angegeben, dass sie „synthetische Milch“ probieren würden. Die Autor:innen der oben verlinkten Studie kritisieren allerdings, dass der Begriff „synthetische Milch“ nicht näher spezifiziert worden sei. Zudem ist die Studie nicht in einem wissenschaftlichen Journal mit Peer-Review-Verfahren erschienen, sondern in einem industrienahen Magazin.
Wie nachhaltig sind zellbasierte Milchprodukte?
Um zellbasierte Milchprodukte herzustellen, braucht es keine Tiere. Dementsprechend entfallen schon einmal tierethische Bedenken. Zudem brauchen die Hefen viel weniger Fläche, Wasser und Nahrung. Die verlinkte Studie zitiert eine im Internet leider nicht auffindbare Analyse von 2015, wonach zellbasierte Milchprodukte im Vergleich zum tierischen Original
- 65 Prozent weniger Energie,
- 91 Prozent weniger Land
- und 98 Prozent weniger Wasser brauchen sowie
- 84 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen.
Zum Vergleich: Veganer Käseersatz auf Kokosfettbasis hat im Vergleich zu normalem Käse einen etwa 65 Prozent kleineren CO2-Fußabdruck.
Welches Potential haben zellbasierte Milchprodukte?
Scheinbar könnten zellbasierte Milchprodukte tatsächlich eine nachhaltige Alternative zu tierischen Produkten sein, die auch Vegan-Skeptiker:innen gefallen. In der Praxis muss sich allerdings noch zeigen, ob das zutrifft und ob die neuartigen Milchprodukte sich rentieren.
Zudem ist fraglich, ob sich mittels Präzisionsfermentation auch gereifte Käsesorten herstellen lassen. Diese bestehen schließlich aus weit mehr Inhaltsstoffen als nur Milchproteinen, Fetten und Kohlenhydraten. Auf der anderen Seite sind einfache Käsesorten wie Mozzarella oder Frischkäse weltweit besonders verbreitet.
Zellbasierte Milchprodukte? Nicht ohne Gentechnik
Ein Aspekt sollte nicht vergessen werden: Präzisionsfermentation funktioniert nur dank Gentechnik, da die Hefen genetisch manipuliert werden. Sie sind im Endprodukt nicht mehr enthalten – ohne sie würde es jedoch keine zellbasierten Milchprodukte geben. Einen ausführlichen Artikel über Gentechnik findest du hier: Gentechnik einfach erklärt: Methoden, Kritik und Gesetzeslage zu Grüner Gentechnik
Übrigens: Mithilfe von Präzisionsfermentation lassen sich auch andere Materialien nachhaltiger herstellen, beispielsweise Fisch- und Fleischproteine, Kunststoffe oder Aromen.
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