Tierleid, belastete Böden und Umweltprobleme: Die negativen Effekte der Fleischproduktion sind allgemein bekannt. Eine ZDF-Doku zeigt, warum die konventionelle Fleischindustrie so arbeitet, wie sie es tut – und liefert erschütternde Einblicke in die Schweinezucht.
Schweinefleisch ist die beliebteste Fleischsorte in Deutschland – für den Koch Nelson Müller und das ZDF ein guter Grund, Schweinefleisch eine eigene Dokusendung zu widmen. In seinem „Schweinefleisch-Report“ betrachtet Müller Fleischkonsum aus verschiedenen Perspektiven: Wo steckt überall Schweinefleisch drin? Wie gesund sind verarbeitete Lebensmittel mit Schweinefleisch? Was sind die Auswirkungen auf die Umwelt?
Der interessanteste Teil der Doku kommt gegen Ende der Sendung: Müller besucht einen konventionellen Schweinezuchtbetrieb in der niedersächsischen Stadt Damme. Er lässt sich dort von dem Betreiber Georg Wernke-Schmiesing erklären, wie die Viehzucht funktioniert.
In weniger als einer Stunde werden 45 Sauen besamt
Als erstes besucht Müller das „Deckzentrum“, wo die Sauen besamt werden. Die Tiere stehen einzeln in kleinen Käfigen, den Kastenständen. Zwar können sie die Käfige verlassen, während ihrer Brunstzeit sind sie jedoch fixiert. „Um uns zu schützen, als Betreuungspersonal, aber auch um die Tiere selbst zu schützen, dass sie sich nicht verletzen bei den Rangeleien“, sagt Wernke-Schmiesing.
Wenn die Schweine nicht herumlaufen können, ist außerdem die Besamung unkomplizierter – und damit effizienter: Stallarbeiter:innen können 45 fixierte Schweine in weniger als einer Stunde besamen.
Der Effizienzgedanke bestimmt auch andere Bereiche des Betriebes: Das Futter kommt maschinell in die vorgesehenen Gefäße, der Kot der Tiere fällt durch Schlitze im Boden. Angestellte zum Füttern oder Reinigen brauche es nur selten, heißt es in der Doku.
Über den Fleischpreis wird jede Woche neu verhandelt
Im „Abferkelbereich“ sieht es ähnlich aus wie im Deckzentrum. Hier liegen Muttersauen mit ihren Ferkeln – ebenfalls in Kastenständen. „In diesem Fall nennt sich das ‚Ferkelschutzkorb‘“, sagt Wernke-Schmiesing. Die Käfige sollen verhindern, dass die Sauen ihre Ferkel ausversehen erdrücken. „Weil jedes Ferkel, was ich zusätzlich aus dem Stall rausbekomme, hilft mir, meine Kosten zu decken.“
Was nach einer herzlosen Kalkulation klingt, ist für den Betrieb notwendig, um zu überleben: Er verdient laut Werndke-Schmiesing an jedem verkauften Schwein nach Abzug aller Kosten gerade einmal fünf bis zehn Euro.
Besonders absurd: Der Verband der Schweinemäster, der Handel und die Schlachthöfe verhandeln laut der ZDF-Doku jede Woche neu über den Kilopreis für Schweinefleisch. Von 2011 bis 2019 haben die Betriebe durchschnittlich 1,57 Euro bekommen. Pro Schwein seien das etwa 157 Euro. Die Aufzucht koste ungefähr 150 Euro – bleiben 7 Euro für den Betrieb. 2020 war der Schweinefleisch sogar auf 1,27 Euro gesunken.
Bei solch geringen Gewinnen lohnt sich die Schweinezucht nur, wenn man extrem viele Tiere verkaufen kann. Das schaffen fast nur Großbetriebe. In den vergangenen zehn Jahren sind daher laut dem ZDF ein Dritter der Viehzuchtbetriebe verschwunden.
Utopia meint: Im Supermarkt gibt es Hackfleisch, Schnitzel und Co. für nur wenige Euro – manchmal sogar für Centbeträge. Damit das Fleisch so billig sein kann, muss es möglichst effizient und günstig produziert werden. Laut einer Studie sind die Zustände teils so schlimm, dass jedes Jahr 13,6 Millionen Schweine dort sterben oder „notgetötet“ werden müssen. Auch die Angestellten in den Betrieben werden häufig ausgebeutet. Die Einblicke aus der ZDF-Doku zeigen, dass sich in unserem Umgang mit Fleisch – und an den Fleischpreisen – dringend etwas ändern muss.
„Nelson Müllers Schweinefleisch-Report“ ist in der ZDF-Mediathek verfügbar.
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