Aufschnitte, Würstchen und Aufstriche gibt es längst in der pflanzlichen Variante in Bio- und Supermärkten. Ein neuer Laden in Berlin bietet diese Produkte frisch vor Ort zubereitet an: Wir haben die „Vetzgerei“ in Prenzlauer Berg besucht.
„Wir produzieren selber frisch und nur pflanzlich“ steht auf dem Aufsteller vor dem unscheinbaren Ladeneingang in Berlin Prenzlauer Berg. Der Blick nach oben verrät, was hier angeboten wird: „Vetzgerei“ prangt in großen schwarzen Lettern über der Ladentür.
Gegründet wurde die „vegane Metzgerei“ Ende 2017 von Sarah und Paul Pollinger, die 2014 bereits den in Deutschland handgefertigten veganen Schuh „FreiVon“ herausbrachten.
Vetzgerei: Vleischsalat und Beißer
Im Inneren des Ladens riecht es geräuchert. Durchquert man den minimalistisch eingerichteten vorderen Teil, erwartet die Kunden eine klassische Theke, wie man sie aus Metzgereien kennt. Darin liegen unterschiedliche Würstchen, Bratlinge, Braten, Salate und Aufstriche.
Doch die Wurst trügt: Hier wurden keine Tiere durch den Fleischwolf gedreht – die Basis für die „Vurst“ ist das pflanzliche Seitan, das wasserunlösliche Klebereiweiß des Weizenmehls. Um das sogenannte „Weizenfleisch“ zu gewinnen, wird eine Teigmasse aus Weizenmehl und Wasser hergestellt und dann in Wasser „ausgewaschen“. Dabei wird dem Teig die Stärke entzogen und zurück bleibt nur das zähe, klebrige Weizeneiweiß.
Der Koch heißt „Vetzger“
Ein Koch produziert vor Ort, die Zutaten sind regional, frisch und bio. Es gibt Aufschnitt mit Ingwer und Orangen, Aufstriche mit schwarzen Bohnen oder Paprika-Hummus. Die Beißer in Wurst-Form bestehen aus Seitan und Haferflocken und variieren in den Geschmacksrichtungen: Es gibt zum Beispiel Paprika-Chili-, Hanf-, Walnuss- oder Pflaumen-Beißer. Zu Weihnachten konnte man Seitenbraten vorbestellen, ein kleiner Braten für 500 Gramm kostete zehn Euro.
Die Wursthüllen sind auf Zellulose-Basis und dienen als Barriere gegen Krankheitserreger und für die Haltbarkeit. „Wir haben festgestellt, dass es unglaublich viele Wursthüllen gibt. Leider haben wir noch keine passende auf Algen-Basis gefunden, die unseren Bio-Maßstäben entspricht“, sagt der „Vetzger“, Koch Hendrik Madeja.
In seinem Reich gibt es Teigkneter, Fleischwolf, Herdplatte, Dämpfer und Räucherofen. „Wir können damit ein wunderschönes Buchenholzaroma oder Apfelaroma erzeugen und somit unseren Räuchertofu selber machen oder unsere „Vurst“ veredeln“, erklärt Madeja.
Vetzgerei: Soll an Metzgerei erinnern
Das Vetzgerei-Team experimentiert mit den Zutaten und will das Sortiment den saisonalen Pflanzen anpassen – so soll es etwa im Frühjahr Produkte mit Brennnessel geben. Geplant sind außerdem Produkte mit Lupinen- und Kichererbsenmehl.
Warum die Wortneuschöpfung „Vetzgerei“? „Es ist ein praktischer Begriff, denn die Laufkundschaft kann sich etwas unter dem Namen vorstellen – sie wissen also, dass hier eine pflanzliche Metzgerei ist“, erklärt Inhaberin Sarah Pollinger. Das „V“ kenne man von vielen veganen Produkten, gleichzeitig soll die Vetzgerei auch an eine Metzgerei erinnern.
Doch Pollinger will ihren veganen Produkten auch eigenständige Namen geben – „deshalb heißen die „Würstchen“ bei uns Beißer.“ Der Vorteil vom Direktverkauf hinter der Ladentheke: Die Kunden sehen das Produkt. „Wenn man es nicht vor sich hat, ist es schwer zu erklären, was ein „Beißer“ ist.“
Unter den Kunden sind auch Fleischesser
In der Vetzgerei kaufen laut Pollinger nicht nur Veganer, sondern auch Vegetarier und Fleischesser. „Die werden auch nach dem Besuch bei uns noch Fleisch essen, ihnen schmecken die Produkte aber einfach gut oder sie haben jemanden in der Familie, der sich vegan ernährt.“
Und der Geschmack? Wir haben einen Pflaumen-Beißer mit Backpflaumen und einen Sushi-Beißer mit Kurkuma und Wasabi für insgesamt etwa drei Euro probiert – geschmacklich und von der Konsistenz her überzeugen die „Vürste“: außen knackig und innen weich. Angebraten schmecken sie noch besser.
Seitanmanufaktur und vegetarischer Metzger
Die Vetzgerei ist nicht der erste Laden in Berlin, der frische selbst produzierte vegane Produkte anbietet: Seit Anfang 2016 gibt es mit L’Herbivore in Berlin Friedrichshain eine Seitanmanufaktur, die Bratstreifen, Hack und Braten auf Seitan- und Lupinenbasis anbieten. Das Bistro vor Ort verkauft vegane Burger und Sandwiches.
In Berlin Kreuzberg gibt es den vegetarischen Metzger, der ursprünglich 2010 in Den Haag gegründet wurde. Dort und online findet man viele vegetarische und vegane Produkte, die Fleisch nachempfunden sind – zum Beispiel vegetarische Speckstreifen, Fleischbällchen oder Hackfleisch.
Die Vetzgerei findest du in der Raumerstraße 36, 10437 Berlin. Geöffnet ist Montag bis Samstag, 10 bis 18 Uhr.
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