Hitzewellen sind tödlich – und werden mit fortschreitendem Klimawandel häufiger und gefährlicher. Eine Initiative aus den USA setzt sich nun dafür ein, ihnen Namen zu geben. Das soll uns bewusster machen, welche Gefahr von ihnen ausgeht.
Katrina, Sandy oder Haiyan – die Namen besonders zerstörerischer Wirbelstürme bleiben im Gedächtnis. Auch hier in Europa, wo wir von tropischen Stürmen in der Regel verschont bleiben, bekommen beispielsweise Orkane Namen. Mit Hitzewellen ist das anders. Obwohl sie ebenfalls abertausende Todesopfer fordern.
Eine neue Initiative in den USA will, dass Hitzewellen genau wie Hurrikane einen Namen und eine Einstufung bekommen sollen. In der „Extreme Heat Resilience Alliance“ (EHRA) haben sich verschiedene internationale Städtevertreter*innen, Expert*innen, Unternehmen und Forschungsgruppen zusammengeschlossen; finanziert wird sie von der Stiftung „Adrienne Arsht–Rockefeller Foundation Resilience Center“.
Hitze: der „stille Killer“
“Diese Extremhitze-Krise darf nicht länger der ’stille Killer‘ bleiben, die sie ist“, sagt Kathy Baughman McLeod, Leiterin des Adrienne Arsht-Rockefeller Foundation Resilience Center.
Für die EHRA sei es oberste Priorität, „eine Standardpraxis zur Benennung und Einstufung von Hitzewellen weltweit aufzubauen, so wie wir es bei Tropenstürmen tun, damit sich Gemeinden und Menschen angemessen vorbereiten können und Leben gerettet werden können.“
Der Gedanke dahinter: Während die Ankündigung von großen Stürmen die Bürger*innen in Alarmbereitschaft versetzen, gelten große Hitzewellen vielen noch immer eher als ein Grund, an den Strand zu fahren – weniger als Krisensituation. Das könnte mit der fehlenden Benennung und Einstufung zu tun haben, glauben die Mitglieder des neuen Bündnisses.
„Im Kern geht es dabei um ein psychologisches Ziel: Hitzewellen sollen endlich als die Gefahr ins öffentliche Bewusstsein dringen, die sie tatsächlich darstellen,“ analysiert Spiegel Online-Kolumnist und Kognitionspsychologe Christian Stöcker.
„Eine der größten klimabedingten Bedrohungen für die menschliche Gesundheit“
„Hitzewellen sind eine der größten klimabedingten Bedrohungen für die menschliche Gesundheit, finden aber selten die gleiche Aufmerksamkeit wie sichtbar verheerendere Katastrophen wie Tropenstürme oder Hurrikane“, schreibt die EHRA.
Denn anders als bei Stürmen oder anderen Extremwetterereignissen sterben die Opfer meist im Stillen – zuhause, allein, weitgehend unsichtbar für die Allgemeinheit. Oft zeigt sich erst im Nachhinein, wie hoch die Opferzahlen bei Hitzewellen sind. Alleine der Hitzesommer 2003 in Europa soll bis zu 70.000 Menschen das Leben gekostet haben.
Hitze kann etwa aufgrund von Dehydration, Hitzschlag, Hitzekrämpfen oder der Verschlimmerung bereits bestehender Gesundheitsprobleme zum Tod führen. Das betrifft ältere und schwächere Menschen in besonderem Maße – aber auch Arme und Obdachlose sowie Menschen, die vor allem körperlich oder im Freien arbeiten. Der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge sollen zwischen 1998 und 2017 weltweit über 166.000 Menschen aufgrund von Hitzewellen gestorben sein.
Die WHO weist darauf hin, dass Hitze zudem auch indirekte Auswirkungen auf die Gesundheit hat: Sie kann „das menschliche Verhalten, die Übertragung von Krankheiten, die Bereitstellung von Gesundheitsdiensten, die Luftqualität und kritische soziale Infrastruktur wie Energie, Verkehr und Wasser beeinflussen.“
Risiken ernster nehmen, Betroffene schützen
Könnte eine einheitliche Benennung und Einstufung von Hitzewellen analog zu Stürmen nun wirklich helfen, die Risiken bewusster zu machen? Könnte es Menschenleben retten? Das ist derzeit kaum mehr als eine begründete Spekulation.
„Die Benennung und Einstufung von Hitzewellen auf der ganzen Welt durch die Extreme Heat Resilience Alliance wird zum ersten Mal die wahre Natur der Hitzebedrohung vermitteln“, sagt Dr. Rajiv Shah, Präsident des EHRA-Mitglieds Rockefeller Foundation. „Das ist für den Schutz gefährdeter Menschen, die immer anfälliger für ihre Auswirkungen werden, von entscheidender Bedeutung“
Zwar merken Expert*innen an, dass eine Einstufung in verschieden „schlimme“ Kategorien, wie sie bei Stürmen vorgenommen wird, bei Hitzewellen nicht so einfach sei – schließlich spielen hier regionale und persönliche Gegebenheiten eine große Rolle. Aber vielleicht kann ja schon die Initiative selbst ein Anstoß sein, die immer häufigeren Hitzewellen ernster zu nehmen und potenziell gefährdete Menschen besser zu schützen – auch im engsten Umfeld.
Die WHO empfiehlt dazu unter anderem, bei hohen Temperaturen regelmäßig nach allein lebenden Familienmitgliedern, Bekannten und Nachbar*innen zu sehen, besonders gefährdeten Menschen bei Bedarf Unterstützung zu besorgen und selbst in Erste-Hilfe-Kurzen zu erlernen, wie man mit Hitzenotfällen am besten umgeht.
Angesichts der fortschreitenden Klimakrise und den zu erwartenden höheren Temperaturen sind das wichtige und erstzunehmende Ratschläge. Und vielleicht werden wir sie eines Tages ja auch während Hitzewelle Henry umsetzen.
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