Mitte Juli erhielten erstmals Eltern einen Bußgeldbescheid, weil ihre Kinder wegen einer Fridays-For-Future-Demo den Unterricht unentschuldigt verpasst hatten. Nun hat die Stadt Mannheim den Bescheid wieder aufgehoben.
Schon im April hatten Behörden angedroht, Bußgelder für Eltern zu verhängen. Mitte Juli hatte die erste Schule die Drohungen in die Tat umgesetzt: Vier Mannheimer Familien sollten eine Geldstrafe von je 88,50 Euro zahlen – das berichtete der Mannheimer Morgen.
Der Grund: Ihre Kinder haben im Mai zwei Schulstunden unentschuldigt verpasst. Stattdessen waren die Schüler des Geschwister-Scholl-Gymnasiums auf einer Fridays-For-Future-Demo und hatten für mehr Klimaschutz demonstriert.
Sowohl das zuständige Regierungspräsidium in Karlsruhe als auch die Mannheimer „Fridays For Future“-Organisation hatten die Berichte bestätigt.
Schule hätte andere Maßnahmen ergreifen können
Inzwischen hat die Stadt Mannheim die Forderung wieder aufgehoben. Die Schule hätte andere Maßnahmen als die Bußgelder ergreifen können, heißt es in einer Mitteilung.
Die Bußgelder seien nur ein letztes Mittel, erklärte die Stadt. Weil es viele Bußgeldverfahren gebe, sei die Besonderheit dieser Fälle im Vergleich zum klassischen Schulschwänzen zunächst nicht aufgefallen. Die betroffenen Familien müssen also keine Geldstrafen zahlen.
Bußgeld für Schüler: So reagierte Fridays For Future
Laut dem offiziellen Twitterkonto von „Fridays For Future Germany“ war dies das erste Mal, dass ein Bußgeld für die Teilnahme an Fridays-For-Future-Demos verhängt wurde. Auch Spiegel Online berichtete, dass Fridays-For-Future-Aktivisten zumindest in Bayern, Berlin und Nordrhein-Westfalen noch keine Bußgelder zahlen mussten.
„Wenn wir – statt die #Klimakrise zu bekämpfen – lieber diejenigen bestrafen, die uns darauf aufmerksam machen, stehen wir auf der falschen Seite der Geschichte“, urteilen die Aktivisten.
Betroffene Schüler schreiben berührenden Brief
Die Mannheimer Fridays-For-Future-Bewegung wollte das Bußgeld nicht hinnehmen: Die Aktivisten hatten angekündigt, Spenden zu sammeln, um die Bußgelder der betroffenen Familien zu bezahlen. Auch online gibt es ein Spendenkonto für sanktionierte Schüler. Das Geld soll auch in „Rechtshilfe für betroffene Jugendliche“ fließen.
Die betroffenen Kinder konnten die Reaktion ihrer Schule nicht nachvollziehen. In einem Brief, der dem Mannheimer Morgen vorliegt, schreiben sie: „Wie kann eine Schule, die sich nach Sophie und Hans Scholl benennt, so mit Kindern umgehen, die sich politisch interessieren und engagieren?“
So rechtfertigten sich die Behörden
Angaben des Regierungspräsidiums zufolge hätten die Eltern keinen Antrag auf Befreiung vom Unterricht gestellt, berichtet die FAZ. Der Klassenlehrer habe sie schriftlich über Konsequenzen für unentschuldigtes Fehlen informiert. Auch mit Schülern hätte man mehrfach Gespräche geführt. Dem Regierungspräsidium Baden zufolge gäbe es keinen erkennbaren Grund dafür, dass Demonstrationen ausgerechnet in der Unterrichtszeit stattfinden und nicht etwa danach.
Utopia meint: Natürlich hat es Nachteile für Schüler, wenn sie Schulstoff verpassen. Doch es gibt sehr wohl einen Grund, wieso Fridays For Future während der Schulzeit streiken: So erreichen die Aktivisten mehr öffentliche Aufmerksamkeit – für sich und ihre Themen. Und das funktioniert: Seit Monaten sind der Klimawandel und Klimaschutz präsent in allen Medien – auch dank Fridays For Future.
Wenn der Staat die Eltern jener Kinder sanktioniert, die sich schon in jungen Jahren politisch engagieren, setzt er damit ein falsches Zeichen. Besser wäre es, wenn Politiker auf die Klimaschutzforderungen der Schüler eingehen würden. Dann gäbe es auch keinen Grund mehr, freitags nicht in die Schule zu gehen.
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