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Volkswagen #dieselgate: wenn Software Öko-Emissionen nur vortäuscht

#dieselgate: Volkswagen fahren emissionsarm (weil Software das vortäuscht)
Foto: © casfotoarda - Fotolia.com

Unsere Autos werden immer grüner. Leider nur auf dem Papier und im Teststand. In den USA erwischte man Volkswagen mit einer speziellen Schummelsoftware. Doch für den Skandal müssen wir VW und den USA sogar dankbar sein.

„Clean Diesel“. Das klingt nach einem irgendwie sauberen Auto. Und das wünschen sich viele. Doch wenn wir ein Auto kaufen wollen, das etwas ökologischer fährt, sind wir darauf angewiesen, dem Hersteller die Verbrauchs- und Abgaswertangaben der Datenblätter zu glauben. Längst tut das keiner mehr, jedenfalls nicht ernsthaft: Es ist ein offenes Geheimnis, dass eine Lücke klafft zwischen Herstellerangaben und der Realität (siehe auch: Öko-Autos: die legalen Tricks der Autoindustrie).

In der Praxis nehmen wir die Öko-Lüge hin. Wir können nicht anders, weil nur ganz wenige Einrichtungen die technischen Möglichkeiten haben, solche Angaben auch zu prüfen. Umso schöner, wenn es doch mal passiert: eine gemeinnützige US-Organisation für umweltfreundlichen Verkehr (ICCT) verglich reale Werte und solche im Teststand – und stellte erhebliche Diskrepanzen fest, deren Ausmaß zunimmt (PDF). Dies führte über weitere Wege zu einer Beschwerde der US-Umweltbehörde EPA (PDF) bei Volkswagen.

Der Vorwurf vom 18. September ganz konkret: Die bei vielen VW-Dieselmotoren eingebaute Software zur Motorsteuerung würde erkennen, wenn ein Testbetrieb vorliegt – und dann anders arbeiten, um letztlich die Emissionswerte (speziell Stickoxide) zu drücken. Im Straßenbetrieb hingegen liegen die Emissionen um das zehn- bis vierzigfache höher.

Nochmal im Klartext: Das Auto erkennt, wenn seine Werte getestet werden, und gibt sich dann „grüner“ als auf der Straße, wo es munter weiterpestet. „Umweltfreundlich fahren“ war und ist Volkswagen, das wird hier deutlich, völlig egal.

Volkswagen: seit sechs Jahren öko-manipulierte Werte

Der eigentlich unfassbare Vorwurf gilt für Modelle wie Golf, Beetle oder Jetta (auch Audis) mit Dieselmotor und für die Jahre ab 2009. Am 20. September gestand VW indirekt ein, dass die Kritik wohl berechtigt ist. Von absichtlicher Manipulation ist natürlich nicht die Rede und noch am 22. September lautete die euphemistische Formulierung, Volkswagen treibe „die Aufklärung von Unregelmäßigkeiten einer verwendeten Software bei Diesel-Motoren“ voran, natürlich mit „Hochdruck“. Kein Wort davon, dass man Kunden betrogen und die Umwelt geschädigt hat, statt dessen will man vor allem „Vertrauen zurückgewinnen“ (Facebook-Video).

Utopia meint: Der Schaden wird sich auf die gesamte deutsche Automobilbranche auswirken, mithin die wichtigste des Landes. Der Kurs der VW-Aktie fiel um über 20 Prozent und allein bei VW wurden durch den Skandal bislang über 6 Milliarden Euro Kurswert vernichtet. Weitere Kosten werden durch Strafzahlungen in den USA (ca. 18 Mrd.) und den Austausch der geschätzt 11 Millionen „auffälligen Fahrzeuge“ mit Motoren vom Typ EA 189 anfallen. Ob man die am Ende sicher über 20 Mrd. Euro nicht einfach in die Entwicklung emissionsärmerer Motoren hätte stecken können?

Man muss aber auch das Gute am „#dieselgate“ sehen. Bislang log sich die gesamte Auto-Branche Jahr für Jahr bessere Öko-Werte in die Tasche, als sie in Wirklichkeit erreichte (Utopia berichtete, siehe auch BUND-PDF). Selbst das Umweltbundesamt, keineswegs die grünste aller denkbaren Behörden, merkt an, dass man schon seit 1990 darauf hinweise, dass „auch in Deutschland die realen Schadstoffemissionen höher sind als die Typprüfwerte, die auf dem Rollenprüfstand ermittelt wurden“ und kündigt an: „Damit muss Schluss sein“. Da drängt sich die Frage auf, warum diese und andere zuständigen Behörde nicht einfach schon früher damit Schluss gemacht haben.

Wir müssen den USA dankbar sein, dass sie nun schaffen, was unserer eignen Regierung nicht gelingen wollte: einem Automobilkonzern die Grenzen aufzuzeigen und der gesamten Branche die Trickserei abzugewöhnen. Und das ist auch gut so, denn der Betrug schadet nicht nur unserer Gesundheit, er behindert indirekt auch die Entwicklung alternativer und wirklich ökologischer Antriebe und Fahrzeuge. Der Skandal kann und muss die Branche und die Behörden dazu bewegen, den Begriff des „umweltfreundlichen Autos“ wieder ernster zu nehmen. Und wir Verbraucher können mal wieder mehr mit Bussen, Bahn und Fahrrad fahren.

Nachtrag: Fast einen Monat dauerte es, bis Mitte Oktober das Umweltministerium neue Abgasvorschriften zumindest andachte, Vorschriften, die „so anspruchsvoll“ sein sollen, „dass der Diesel dadurch wirklich sauberer wird“. Was ein Eingeständnis ist, dass das Umweltministerium dieser Aufgabe bislang schlicht nicht nachgekommen ist. Erhellend: Der Zynismus in dieser Sache ist bereits so fortgeschritten und allgegenwärtig, dass man noch nicht mal personelle Konsequenzen fordert.

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