Die Lebensmittelverschwendung beginnt schon bei der Ernte: 30 bis 40 Prozent des Gemüses kommt gar nicht erst in den Handel, weil es nicht „gerade“ ist oder Flecken hat. Die Bio-Gemüsekiste von „Etepetete“ sammelt genau dieses Gemüse und reduziert so Verschwendung.
Gemüse, dessen Schönheit nicht Supermarkts- oder Verbandsvorgaben, aber auch den Vorstellung von Konsumenten entspricht, gilt als nicht verkäuflich – und erreicht gar nicht erst die Supermärkte: Sind die Kartoffeln zu klein (oder zu groß, oder zu krumm, oder nicht glatt genug…) oder hat Wurzelgemüse statt einer klaren (eigentlich unnatürlichen) Keilform mehrere krumme Ausläufer, fällt es im wahrsten Sinne des Wortes durchs Raster.
Auf diese Weise erreichen etwa 40 Prozent des geernteten Gemüses nicht mal den Handel. Peter Stinshoff von der Demeter-Gärtnerei Obergrashof bestätigte uns diese Zahl, abhängig sei das aber auch von der Jahreszeit und den Gemüsesorten. „Saisongemüse wie Kohlrabi oder Salat wird ständig angebaut, hat aber nur ein kurzes Erntefenster; danach wird zum Beispiel der Kohlrabi unförmig oder holzig oder der Salat blüht. So gelangen eben nur 60 bis 65 Prozent der Ernte in den Handel.“
Gemüse: schön muss es sein, sonst kauft’s keiner
Wenn es um das Äußere des Gemüses geht, sind Kunden in Bioläden nach seinen Angaben kaum weniger wählerisch als im normalen Supermarkt: „Wochenmärkte können vieles verkaufen, was in Supermärkten nicht verkäuflich wäre. Aber auch im Bioladen wollen die Leute schönes Gemüse, zumal sie ja oft mehr bezahlen“, so Stinshoff. Eine Rolle spielt dabei seiner Ansicht nach auch, dass der Kunde am Marktstand einen persönlichen Kontakt zum Verkäufer hat, der bei der Selbstbedienung im (Bio-)Supermarkt fehlt.
Übrigens wird seinen Angaben nach keineswegs alles weggeworfen: Vieles wird an die Tiere des Hofes verfüttert, anderes wandert in den Kompost, manuell geerntetes Gemüse bleibt oft direkt auf den Feldern liegen und kehrt so in die Erde zurück. Prinzipiell findet er die Idee von Etepetete** gut: „Wir werden dadurch vielleicht nicht alle zu Zweite-Wahl-Gemüse-Essern, aber ich finde es wichtig, dass auf diese Weise mal über das Thema geredet wird.“
Etepetete: Bio-Gemüsekiste für „krumme Dinger“
Das Münchner Unternehmen Etepetete will die Gemüse-Verschwendung beenden: mit einer speziellen Bio-Gemüsekiste. Die enthält bei Etepetete nur das „krumme“ Gemüse, das kein Supermarkt haben will. Ob mehrbeinige Möhre oder unförmige Rote Beete: Das schräge Gemüse aus Biohöfen der Region kommt im Karton direkt vom Feld zu den Kunden. Der Gemüsekiste beigelegte Rezeptideen passend zum saisonalen Bio-Gemüse sorgen für Ideen, was man zum Beispiel mit einem Rettich oder einer Pastinake leckeres kochen kann.
Kriegt der Kunde etwa nur Schrott per Gemüsekiste? Keineswegs. Erstens ist es gesundes Bio-Gemüse. Und zweites ist das oft gar nicht so krumm: „Wir hatten hier schon Lieferungen, wo wir die Fehler einfach nicht sehen konnten“, sagt Georg Lindermair, einer der drei Gründer von Etepetete. „Unsere Kunden werden eher selten fünfbeinige Karotten bekommen. Oft sind es nur leichte Druckstellen, kaum erkennbare Farbabweichungen, geringe Krümmungen, zum Teil richtig absurde Ausschlusskriterien – was ja genau der Grund für uns war, Etepetete zu gründen.“
So kommt die Öko-Gemüsekiste ins Haus
Eine Etepetete-Gemüsekiste enthält 4,5 Kilo frisches Bio-Gemüse in jeglicher Größe und Form. Eine Box kostet 19,90, bezahlt wird sehr einfach über einen EC-Karten-Dienstleister, die Eingabe von Name, IBAN und BIC reicht. Man kann die Boxen, wöchentlich oder zwei-, drei- vier-wöchentlich bestellen und so an seinen Bedarf anpassen. Versendet wird das Gemüse in gepolsterten, mit Maisstärke verklebten Recycling-Kartons. Ausgeliefert wird via DHL Kurier: Die Kunden können wählen, an welchen Freitagen sie das Gemüse erhalten, als Zeitfenster (weil man das Gemüse ja nicht irgendwo parken kann) stehen 18-20 Uhr oder 20-22 Uhr zur Verfügung.
Zunächst ist Montag um 10 Uhr Bestellschluss für den jeweils kommenden Freitag: „Wir werden dann alles Gemüse am Donnerstag verpacken und versenden, am Freitag haben es die Kunden“, so Lindemair. „Wenn wir feststellen, dass uns ein Tag nicht reicht, werden wir weitere Tage hinzunehmen.“
Etepetete startete als regionales Projekt im Raum München, inzwischen bedient es auch Ballungsgebiete: Das Gemüse der Kisten kommt von ausgesuchten Bio-Landwirten aus der jeweiligen Region, über die das Startup auf etepetete-bio.de** informiert. Dazu gehört im Raum München zum Beispiel der eingangs erwähnte Demeter-Hof Obergrashof zwischen Dachau und Oberschleißheim, aber auch andere Höfe.
War es eigentlich schwer, als branchenfremde Gründer die Höfe von so einer „krummen Sache“ zu überzeugen? „Wir haben mit vielen Landwirten Kontakt aufgenommen und sind stets auf offene Ohren gestoßen“, sagt Lindemair. „Schwieriger war alles andere: Ein Netzwerk aufbauen, Programmierer finden, eine Logistik aufbauen und testen, Rezepte entwickeln (unter anderem mit einem Koch) – das dauert einfach.“ Im April 2014 ist man gestartet, seit Mitte Juli sind Bestellungen nun möglich.
Übrigens sind Etepetete nicht die einzigen, die sich für Gemüse jenseits der Norm interessieren: Das Projekt „Ugly Fruits“ stellt dabei vor allem das Thema selbst in den Mittelpunkt, bei „Culinary Misfits“ geht’s um Gastronomie, Catering und Workshops.
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