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Für das Fleisch auf unserem Teller holzen US-Agrarriesen Regenwälder ab

Aufgedeckt: Regenwaldabholzung für Soja als Futtermittel
Foto: © Luciano De Faveri - Fotolia.com

Die Umweltschutzorganisation „Mighty Earth“ hat die Abholzung von Regenwäldern in Brasilien und Bolivien für den Anbau von Soja aufgedeckt. Verantwortlich dafür seien die US-Agrarkonzerne Bunge und Cargill. Da deutsche Unternehmen zu den führenden Soja-Importeuren gehören, müssten sie sich für ein Ende der Rodungen stark machen, fordern die amerikanischen Umweltschützer.

Es ist, als ob der Schwarzwald binnen eines halben Jahrzehnts all seiner Bäume beraubt würde: 6500 Quadratmeter groß ist die Regenwaldfläche in der zentralbrasilianischen Savanne, die allein zwischen 2011 und 2015 abgeholzt wurde, um Platz für den Futtermittelanbau zu schaffen. Vor allem Soja wird auf den gerodeten Flächen gepflanzt – die Basis für Viehfutter, das auch nach Deutschland exportiert wird. Rinder, Schweine oder Hühner werden damit aufgezogen. Sie liefern Milchprodukte, Eier und Fleisch, die auf unseren Tellern landen.

Futtermittelhändler bieten finanzielle Anreize für die Rodung

Die US-amerikanische Umweltorganisation Mighty Earth hat die Abholzung tropischer Ökosysteme in der brasilianischen Savanne und im bolivianischen Amazonasbecken mit Hilfe von Satellitenüberwachung und Recherchen vor Ort aufgedeckt und dazu eine Studie veröffentlicht. Vor allem zwei US-Agrarriesen treiben die Abholzung in diesen Regionen voran, trotz anderslautender Beteuerungen und Selbstverpflichtungen: Bunge, eines der größten Handels- und Verarbeitungsunternehmen von Öl- und Getreidesaaten, und Cargill, ein Mischkonzern, der sowohl mit Getreide als auch mit Vieh und verarbeiteten Lebensmitteln handelt.

Diese Konzerne unternehmen nicht genug, „um die erhebliche Abholzung in den Regionen zu verhindern, in denen sie tätig sind“, analysieren die Umweltschützer von Mighty Earth. In vielen Fällen böten sie sogar finanzielle Anreize, um die Landwirte vor Ort zu weiteren Rodungen anzuspornen.

Dabei hat Cargill vor drei Jahren zusammen mit anderen Firmen die „New York Declaration on Forests“ unterzeichnet und sich verpflichtet, die Abholzung von Regenwäldern bis 2030 zu beenden. Dass den Versprechen des Unternehmens keine Taten folgen, hatte auch schon die Kampagnenorganisation „Facing Finance“ festgestellt. In einem 2014 veröffentlichten Bericht warfen sie dem US-Konzern vor, sich viel zu wenig gegen die Abholzung des Regenwaldes und gegen Kinder- und Zwangsarbeit auf Palmöl-Plantagen zu engagieren.

Dagegen erklärten Cargill und Bunge gleichermaßen, dass Mighty Earth die Beteiligung der beiden Konzerne an der Abholzung überzeichne. „Ein Unternehmen allein kann dieses Problem nicht lösen”, sagte Bunge-Manager Steward Lindsay der „New York Times“. Er forderte stattdessen ein gemeinsames Vorgehen der Firmen sowie mehr Kontrollen und Transparenz. Bunge habe bereits Millionen Dollar in die nachhaltige Nutzung landwirtschaftlicher Flächen investiert. Die New Yorker Erklärung zum Waldschutz hat Bunge nicht unterzeichnet.

Cargill-Chef David MacLennan kündigte dagegen eine genaue Prüfung der Vorwürfe an. Wenn diese zuträfen, sei das „nicht akzeptabel“. Cargill habe sich verpflichtet, die Entwaldung zu beenden und werde sein Versprechen auch halten. Insider bezweifeln das: Der Anreiz sei groß, durch eine Ausdehnung der Anbauflächen das Angebot zu erhöhen und damit die Sojapreise niedrig zu halten.

Regenwald-Abholzung für Palmöl
Genau wie für Palmölplantagen werden auch für den Anbau von Soja wertvolle Regenwaldflächen abgeholzt. (Foto: © ThKatz / Fotolia.com)

Moratorium gegen die Abholzung am Amazonas sollte als Vorbild dienen

Für Mighty-Earth-Chef Glenn Hurowitz ist es tragisch und vollkommen unnötig, dass Regenwälder weiterhin dem Sojaanbau weichen müssen. In den brasilianischen Amazonas-Regenwäldern sei es schließlich dank eines Moratoriums binnen zehn Jahren gelungen, die Sojaproduktion in diesem Gebiet durch eine effizientere Bewirtschaftung bereits zur Verfügung stehender Ackerflächen zu erhöhen und die Rodung fast vollständig zu stoppen. Umweltschutzorganisationen, darunter Greenpeace, hatten damals Druck auf die Sojaproduzenten gemacht, die 2006 das Moratorium mit Vertretern aus Politik und Nichtregierungsorganisationen vereinbart hatten. Dieses Beispiel sollte auch für andere Regionen als Vorbild dienen, fordert Hurowitz.

Selbst große Nahrungsmittelkonzerne wie Nestlé, Unilever, McDonald’s, Mars und Kellogg’s haben Cargill und Bunge aufgefordert, kein Soja mehr auf frisch abgeholzten Flächen anzubauen. Die US-amerikanischen Umweltschützer sehen aber auch die hiesigen Verbraucher und Unternehmen in der Verantwortung: „Deutschland ist ein führender Importeur von Soja aus Südamerika und kann sich daher mit kraftvoller Stimme für bessere Umweltpraktiken bei Produkten einsetzen”, heißt es in dem Bericht von Mighty Earth.

Kontrolle der Anbaubedingungen von Soja bei deutschen Abnehmern noch lückenhaft

Eine Umfrage des Greenpeace Magazins unter den führenden Fleischproduzenten und Lebensmittelhandelsketten in Deutschland zeigt, dass es zwar erste Ansätze zur nachhaltigen Beschaffung von Soja als Futtermittel, aber auch noch viel Raum für Verbesserungen gibt.

Die Fleischproduzenten Tönnies und Westfleisch beantworteten die Fragen des Greenpeace Magazins nicht. Lediglich Aldi Nord und Aldi Süd teilten mit, dass sie keinerlei unmittelbare Geschäftsbeziehung zu Cargill und Bunge unterhalten.

Man habe als Einzelhändler aber nur „sehr bedingten Einfluss auf sämtliche Akteure zu Beginn der Wertschöpfung“, räumte Aldi Süd ein. Dort werde gerade an der Einkaufspolitik für Soja und Futtermittel gefeilt, um „den verantwortungsvollen Umgang mit natürlichen Ressourcen auch im Hinblick auf die Anbaufläche als Kriterium künftiger Lieferverträge zu etablieren“. Wie und nach welchen Kriterien die Herkunft der Futtermittel kontrolliert werden soll, konnte das Unternehmen aber noch nicht sagen.

(Bio-)Fleisch: Qualität erkennen, richtig kaufen
Kaum ein deutscher Einzelhändler oder Fleischfabrikant kann wirklich ausschließen, dass sein Fleisch mit Regenwaldabholzung in Verbindung steht. (© petunyia - Fotolia.com)

Aldi Nord hat festgelegt, Frischfleisch aus Brasilien nur von Schlachtbetrieben zu beziehen, die sich dem sogenannten Rinder-Abkommen angeschlossen haben. Damit könne eine Verbindung zur Entwaldung im Amazonas ausgeschlossen werden. Der Discounter gab zudem an, gemeinsam mit Lieferanten, relevanten Anspruchsgruppen und externen Experten nach weiteren Möglichkeiten zu suchen, damit „das von uns genutzte Soja nicht zur Abholzung der Regenwälder beiträgt“.

Rewe, Lidl und Edeka machten keine Angaben zu möglichen Geschäftsbeziehungen mit Cargill oder Bunge. Rewe teilte mit, künftig verstärkt eiweißreiche Futtermittel aus Europa beziehen zu wollen und deshalb etwa den gentechnikfreien Sojaanbau im Donauraum zu fördern. Lidl ist nach eigenen Angaben bestrebt, das Angebot an gentechnikfreien Lebensmitteln stetig auszuweiten und konsequent auf zertifiziert nachhaltiges Soja zu setzen. Maßgeblich dafür sei der „ProTerra-Standard Soja“, wonach Wälder und Gebiete mit hohem Schutzwert seit 2004 nicht in Anbauflächen für Soja umgewandelt werden dürfen. Edeka erklärte, bei Eigenmarken auf die Beschaffung von europäischen Futtermitteln und auf nachhaltigeres, gentechnikfreies, zertifiziertes Soja umzustellen. Zudem setze sich das Unternehmen bei allen Produkten für eine gentechnikfreie Nutztierfütterung sowie die Schonung von Umwelt und Ressourcen beim Futtermittelanbau ein und engagiere sich für eine weitere Verbesserung der Zertifizierungsstandards.

Die Metro Group hat sich als Mitglied des Consumer Goods Forum (CGF) verpflichtet, die Regenwälder zu schützen und bis 2020 die Abholzung zu beenden. Richtlinien zur nachhaltigen Beschaffung von Palmöl, Holz und Papier gibt es bei Metro bereits. An einer Einkaufsrichtlinie für Soja und einem Maßnahmenkatalog zur Kontrolle der Herkunft der Futtermittel in der Lieferkette wird noch gearbeitet. Dass Cargill und Bunge als weltweit führende Futtermittelhersteller an Fleischproduzenten liefern, deren Produkte in den Metro-Märkten landen, kann das Unternehmen daher nicht ausschließen. Man hoffe aber auf einen „intensiven Dialog“ mit Cargill im Rahmen des CGF.

Auch die Fleischhersteller Vion und PHW wollten die Frage nach dem Bezug von Futtermitteln von Cargill oder Bunge nicht beantworten. Die PHW-Gruppe, die etwa Geflügelfleisch unter der Marke Wiesenhof vertreibt, hat die unternehmenseigene Futtermühle zertifizieren lassen. Zu einer der Kernanforderungen dieser unabhängigen Zertifizierung zähle der verantwortungsbewusste Umgang mit Importfuttermitteln, besonders mit Soja und Sojaprodukten.

Die Vion Food Group, ein internationaler Fleischproduzent mit Produktionsstandorten in den Niederlanden und in Deutschland, gab an, in Zusammenarbeit mit seinen Lieferanten und deren Futtermittelproduzenten seit mehreren Jahren nach „nachhaltigen und verbraucherorientierten Lösungen bezüglich der Zusammensetzung der Futtermittel“ zu suchen. Vion sei zudem Mitglied des „Runden Tischs für verantwortungsvolles Soja“ (Round Table on Responsible Soy, RTRS), der 2006 mit dem Ziel gegründet worden ist, die negativen Umweltauswirkungen des Sojaanbaus durch Mindestanforderungen zu reduzieren und die sozialen Bedingungen für die Arbeiter zu verbessern.

Soja-Anbau
Deutschland importiert riesige Mengen Soja aus Südamerika – dabei wird es auch in Europa angebaut. (Foto: CC0 Public Domain / Pixabay.com)

Umweltschutzorganisationen wie Friends of the Earth gehen die RTRS-Kriterien zum Schutz des Regenwaldes nicht weit genug: So sei etwa nicht klar geregelt, wer bestimmt, was ein schützenswerter Urwald ist. Darüber werde zumeist vor Ort befunden und die Entscheidungsträger seien oftmals anfällig für Anreize von Unternehmen, die die betroffenen Waldgebiete bewirtschaften wollen.

Und die Zertifizierung von Soja ist nach Einschätzung von Mighty Earth zwar ein erster Schritt. Doch sei der Marktanteil zertifizierten Sojas bislang nur gering und die Wirkung auf die Lebensmittelindustrie insgesamt sehr überschaubar. „Wir glauben, dass die Unternehmen selbst in der Verantwortung stehen, ihre eigene Lieferkette zu bereinigen und zu einer gemeinsamen, branchenweiten Lösung beizutragen, die die Abholzung vermindert und schließlich beendet“, sagt Mighty Earth-Campaignerin Lucia von Reusner. Das bereits existierende Soja-Moratorium für den brasilianischen Amazonas habe sich als das bei weitem wirkungsvollste Instrument erwiesen. „Wir hoffen, dass die deutschen Fleischhersteller und Supermarktketten diese Forderung unterstützen, um diesen Erfolg in anderen Ökosytemen zu wiederholen, die das dringend brauchen.“

GASTBEITRAG vom Greenpeace Magazin.
TEXT: Matthias Lambrecht

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