Damit Fleisch möglichst billig verkauft werden kann, muss es effizient produziert werden. Das Ergebnis ist Massentierhaltung, die extremes Tierleid in Kauf nimmt. Jetzt fordert der Deutsche Ethikrat ein Umdenken.
Die Zustände in industriellen Viehbetrieben und Schlachthöfen sind oft katastrophal: Die Tiere leben auf engstem Raum, können nicht ins Freie und sind häufig verletzt. In Schweinemastanlagen sind die Bedingungen so schlimm, dass jährlich 13 Millionen Schweine in den Betrieben sterben oder notgetötet werden – noch bevor sie geschlachtet werden können.
Tierschutzorganisationen versuchen schon lange, gegen die Missstände in Viehbetrieben vorzugehen. Jetzt hat sich auch der Deutsche Ethikrat mit dem Thema beschäftigt – und eine 57-seitige Stellungnahme veröffentlicht.
Heuchlerischer Umgang mit dem Tierschutzrecht
„Offenkundig garantiert das bestehende Tierschutzrecht nur ein Mindestmaß an Schutz; es lässt darüber hinaus viel Raum für die Interpretation des Tierwohls“, heißt es in der Stellungnahme. Nutztieren werde routinemäßig Schmerzen und Leid zugefügt. Versuche, die Zustände zu verbessern, würden nur Teilaspekte betreffen, oder „im Sand verlaufen“.
Als Beispiele für Missstände in der Tierhaltung nennt der Ethikrat unter anderem Kükenschreddern, betäubungslose Ferkelkastration und Kastenstände für Zuchtsauen. Aus Respekt vor den Tieren müsse man mit ihrem Leben achtsam und sparsam umgehen. „Dieser Grundsatz wird verletzt, wenn bestimmte Nutztiere (zum Beispiel männliche Küken oder Kälber) allein aufgrund ihrer geringeren ökonomischen Erträge pauschal aussortiert und vernichtet werden.“
Zwar hat die Politik bezüglich Kükenschreddern und Ferkelkastration bereits Verbote beschlossen. Allerdings verlängern die Behörden Übergangsfristen für die Betriebe immer wieder, sodass sich bislang wenig geändert hat. „Ich kenne kein einziges Rechtsgebiet, in dem so heuchlerisch vorgegangen wird wie im Tierschutzrecht“, sagte Steffen Augsberg, Sprecher der Arbeitsgruppe Tierwohl im Deutschen Ethikrat, laut Zeit online.
Grünenpolitikerin Renate Künast kommentierte: „Das Leiden der Tiere in der Massentierhaltung ist für unsere Gesellschaft eine moralische Bankrotterklärung.“
Sieben Prinzipien für eine ethische Nutztierhaltung
Es gehe dem Ethikrat nicht darum, die Nutztierhaltung insgesamt zu verdammen, erklärt das Gremium. Seine Forderung: Es müssen insgesamt weniger Tiere für den deutschen Markt gehalten werden – außerdem soll Fleisch teurer werden. „Gute Ernährung mag ein Menschenrecht sein. Täglich ein T-Bone-Steak ist es aber nicht“, sagte die Ethikrat-Vorsitzende Alena Buyx.
Der Ethikrat formuliert in seinem Schreiben Eckpunkte für eine ethisch verantwortliche Nutztierhaltung. Im Mittelpunkt stehe dabei die Überlegung, dass höher entwickelte Tiere einen Eigenwert haben. Menschen seien deshalb besonders in der Verantwortung, sie zu schützen. „Die Aufgabe, die moralisch gebotene Achtung des Tierwohls praktisch umzusetzen, betrifft unsere gesamte Gesellschaft.“
Daraus ergeben sich für den Ethikrat folgende Forderungen:
- Schutz und Förderung von Tierwohl ist weitreichende Verpflichtung.
- Tieren dürfen keine vermeidbaren Schmerzen oder Leid zugefügt werden. Wirtschaftliche Überlegungen reichen nicht aus, um Tierleid als „unvermeidbar“ hinzunehmen.
- Die Bedingungen von Zucht, Haltung, Verwertung und Tötung von Nutztieren müssen mit guten Gründen gerechtfertigt werden.
- Mit dem Leben von Tieren muss achtsam und sparsam umgegangen werden.
- Die im Tierschutzgesetz festgelegten Standards müssen besser umgesetzt werden.
- Die allgemeinen Tierwohl-Standards des Tierschutzgesetzes dürfen bei konkreten Gesetzen nicht unterlaufen werden.
- Der besondere Wert von tierischen Produkten muss anerkannt werden. Pflanzliche Fleischersatzprodukte sollen gestärkt werden – sie sind ein indirekter Beitrag für mehr Tierwohl.
Die gesamte Stellungnahme „Tierwohlachtung – zum verantwortlichen Umgang mit Nutztieren“ des Deutschen Ethikrates (PDF)
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