Seit mehreren Wochen räumt die Polizei den Hambacher Forst, teilweise mit Schlagstöcken und Tränengas. Die Polizisten ernten dafür viel Kritik – dabei sind viele von ihnen selbst gar nicht mit ihrer Rolle einverstanden. Ein Polizist hat sich nun mit einem emotionalen Brief an die Öffentlichkeit gewandt.
Sie haben Aktivisten verhaftet, Baumhäuser zerstört und zum Teil Reizgas und Schlagstöcke eingesetzt, als Proteste eskalierten: Durch den Einsatz der Polizei ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Stromkonzern wie geplant am 14. Oktober damit beginnen kann, den Hambacher Forst zu roden.
Aber was halten die Polizisten eigentlich selber von den Geschehnissen im Hambacher Forst? Einer von ihnen hat sich mit einem Brief zu Wort gemeldet, um diese Frage zu beantworten. Sein Schreiben trägt den Titel „Gedanken eines Polizisten zum Einsatz im Hambacher Forst: Zwischen Gerichtsurteil und Lebensraum“. Es zeigt, mit was für einem Gewissenskonflikt der Einsatz für viele Polizisten verbunden ist – und wie groß der Widerspruch zwischen den eigenen Überzeugungen und der Dienstpflicht der Polizei manchmal ist.
Hambacher Forst für Konzerninteressen räumen
„Wir sprachen neulich auf der Arbeit über die Rodung. Keiner der Kollegen am Tisch fand es auch nur ansatzweise richtig, was dort geschieht. Meinem Dienstgruppenleiter habe ich gesagt, dass er von mir eine Krankmeldung bekommen hätte, wären wir an diesem Einsatz beteiligt“, schreibt der anonyme Polizist auf dem Portal „polizistmensch.de“.
Das Problem: Streiken oder den Dienst verweigern können Polizisten nicht. Immer wieder gebe es Einsätze, bei denen die Einsatzkräfte gegen ihre Überzeugung arbeiten – der Polizist nennt den G-20-Gipfel und die Castor-Transporte als Beispiele.
Trotzdem sei der Fall von RWE und dem Hambacher Forst anders: „Aber dieses Unternehmen lässt sich, meiner Meinung nach, mit keinem Sachverhalt vergleichen, sondern dient nur der Gewinnerhöhung eines Konzerns.“
„Es wäre vielleicht an der Zeit ‚Nein‘ zu sagen“
Der Polizist stellt in seinem Brief in Frage, wie weit die Dienstpflicht und Dienstgehorsam gehen darf: „Ich habe mal gelernt, dass der Sinn einer Gewaltenteilung darin besteht, dass verschiedene Instanzen sich gegenseitig kontrollieren. Nicht, dass eine der Instanzen blind durchsetzt, was immer sich die Andere (warum auch immer) als richtig hinlegt. Und wenn etwas, wie die Rodung dieses Waldes, so dermaßen wider jegliche Vernunft ist, dann wäre es vielleicht mal Zeit für eine dieser Instanzen, ‚Nein‘ zu sagen.“
Außerdem erinnert der Verfasser des Briefs auch an die dunklen Zeiten der deutschen Geschichte: „Es ist noch nicht lange her, da haben ausführende Organe Menschen in Güterzüge gesperrt, nur weil jemand gesagt hat, dass es richtig ist. Hat sich damals, und auch jetzt, dabei auch diese “Naja, ist ja nunmal unser Job”-Einstellung durchgesetzt?“
Aktionen von Polizisten im Hambacher Forst
Der anonyme Brief des Polizisten ist eine Art Protest gegen die Geschehnisse im Hambacher Forst. Symbolischen Widerstand von Polizisten gab es in den letzten Wochen mehrfach: So hat beispielsweise ein Polizist vor knapp zwei Wochen gemeinsam mit Aktivisten einen Baum im Hambacher Forst gepflanzt. Andere Polizisten nahmen vor wenigen Tagen ihre Helme ab, als Aktivisten sangen (hier zu sehen in einem Twitter-Video):
„Ich wünsche allen Kollegen und Kolleginnen, dass sie heile nach Hause kommen“, endet der anonyme Polizist seinen Brief. „Dass dieser Einsatz schnell vorbei geht. Und letztendlich hoffe ich auch irgendwie, dass diese Rodung doch noch ausfällt. Und dass in den Köpfen derer, die diese Welt lenken, endlich Vernunft einkehrt.”
Hier der Brief des Polizisten in voller Länge.
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