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Shitstorm wegen Kinderbuch: Konventionelle Landwirte wüten gegen Verlag

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© Klett Kinderbuch

Ein sieben Jahre altes Kinderbuch sorgt aktuell für Aufregung bei Landwirten. In dem Buch geht es ums Essen – eigentlich ein harmloses Thema. Einige Bauern stört jedoch die Darstellung der konventionellen Schweinezucht.

„Ein fürchterliches Buch für Kinder“, „Finger weg, dieses Buch verbreitet Lügen“ – so oder so ähnlich lauten die Amazon-Rezensionen zum Kinderbuch „Alles lecker“. Auch auf der Facebook-Seite des Klett-Kinderbuch-Verlags sammeln sich seit einigen Tagen auffallend viele negative Kommentare.

Die Kritik dreht sich um eine Seite im Buch, in der Bio-Schweinezucht mit konventioneller Massentierhaltung verglichen wird. Links sind Schweine zu sehen, die auf Stroh laufen, gesundes Futter bekommen und genug Platz zum Laufen haben – Bio-Schweine. Das Vergleichsbild zeigt Tiere in Kastenständen eines konventionellen Betriebs. „Futter mit Wachstumsmitteln, kein Auslauf, kein Tageslicht“ steht dabei. Die Bilder würden die konventionelle Landwirtschaft verunglimpfen und falsch darstellen, lautet der Vorwurf.

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Um diese Seite im Buch geht es. (© Klett Kinderbuch)

Das kritisieren Landwirte an dem Kinderbuch

Das Buch gibt es schon seit sieben Jahren – solche heftigen Reaktionen darauf sind jedoch neu. Auslöser für den Shitstorm war ein Leser, der sich über das Buch ärgerte und offenbar weitere Landwirte und Verbände informierte. Seitdem bekommt der Verlag schlechte Bewertungen auf Amazon, Beschwerden über Facebook und wütende Anrufe. „Wir zeigen Sie an, wir sorgen dafür, dass das Buch verboten wird, wir machen Sie auf Facebook fertig, und wir sind viele“, sagte ein Mann am Telefon.

Verlagsleiterin Monika Osberghaus erklärte im Gespräch mit Utopia, was die Landwirte konkret bemängeln: Die Aussage „Futter mit Wachstumsmitteln“ stimme nicht, da der Einsatz von Hormonen verboten sei. Den Landwirten zufolge müssen Schweine heute außerdem Tageslicht sehen können. Der Verlag will nun die gesetzlichen Regelungen prüfen und das Buch entsprechend überarbeiten.

„Wir freuen uns, auch mal traurige Schweine zu zeigen“

„Das soll aber kein Zurückrudern sein“, sagt Osberghaus. Es gehe lediglich darum, das Bild präziser zu gestalten und das Buch unangreifbarer zu machen. „Wir freuen uns ja auch, dass wir in einem Kinderbuch mal traurige Schweine zeigen. Sonst sieht man in Kinderbüchern nur lachende Schweine auf dem Bauernhof und das stimmt ja auch nicht.“

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Die Haltungsbedingungen von industriellen Betrieben und Bio-Höfen unterscheiden sich. (Foto: CC0 Public Domain / Pixabay)

Der Verlag überlegt auch, in der neuen Auflage nicht mehr Bio-Schweine und konventionelle Schweine gegenüber zu stellen. Stattdessen wäre denkbar, zwischen tiergerechter und nicht tiergerechter Aufzucht zu unterscheiden. Denn auch unter konventionellen Haltern gebe es welche, die ihre Tiere besser behandeln – und nicht alle Bio-Bauern seien Engel.

Wieso so viel Aufregung um ein Kinderbuch?

Osberghaus war vor allem überrascht darüber, wie emotional die Vorwürfe waren. Ein Landwirt habe ihr am Telefon mit tränenerstickter Stimme gesagt: „Danke, Sie haben dazu beigetragen, dass mein Hof schließen muss.“

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Aber warum ist die Aufregung bei den Landwirten so groß? Im Grunde geht es nur um eine halbe Seite in einem Kinderbuch. Osberghaus hat eine Theorie: „Die sind extrem unter Strom. Wir erleben gerade einen Wandel im Umgang mit Fleisch und Landwirtschaft. Und die sind die ersten, die davon betroffen sind. Das ist existentiell. Da kann es passieren, dass sich das bei einem Kinderthema entlädt.“

Das Kinderbuch ist fast ausverkauft

Dem Kinderbuch selbst hat der Shitstorm nicht geschadet: Die aktuelle Auflage ist bald ausverkauft. Der Verlag plant außerdem, ein neues Buch nur über die Landwirtschaft zu entwickeln – mit möglichst realistischen Darstellungen.

Utopia meint: Es ist schon das zweite Mal innerhalb kurzer Zeit, dass Landwirte auf Kritik an der industriellen Produktionsweise mit einem Shitstorm reagieren – beim letzten Mal hat es den Süßwarenhersteller Katjes erwischt. Lange haben sich Konsumenten nicht nicht dafür interessiert, wie ihre Lebensmittel produziert werden und was die Auswirkungen auf die Umwelt sind – das ändert sich zurzeit. Wenn mehr Menschen Bio-Lebensmittel kaufen, schwächt das die konventionelle Landwirtschaft, was die betroffenen Bauern stört. Aber die Lösung kann nicht sein, problematische Haltungsbedingungen schönzureden. Kastenstandhaltung und betäubungslose Ferkelskatrationen beispielsweise sind noch immer gängige Praxis. Natürlich sind nicht alle Betriebe gleich – vor allem kleinere Bauernhöfe machen oft einiges besser. Und es liegt auch nicht nur an den Landwirten selbst, etwas zu ändern, sondern auch am Konsumenten: Der große Fleischhunger und der Wunsch nach möglichst billigen Lebensmitteln hat die fragwürdigen Zuständen in der industriellen Massentierhaltung überhaupt erst verursacht.

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