Wir brauchen eine 180-Grad-Wendung, wollen wir gesteckte Klimaziele erreichen. Ein Baustein im Plan zur Klimarettung, den wir hinterfragen sollten, ist unsere Alltagsmobilität.
Ab jetzt das Auto stehen lassen und auf Fahrrad, Bus und Bahn umsteigen, wäre zwar ideal, geht für viele aber auch an der Lebensrealität vorbei – oder? Wir haben uns zehn Fehler angesehen, die wir beim Thema Alltagsmobilität machen:
1. Wir haben ein eigenes Auto
Die wenigsten Menschen, zumindest in einer Großstadt, brauchen ein eigenes Auto. Wirklich nicht. Denn haben wir erst einmal ein Auto, wollen wir es natürlich auch nutzen. Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV), Carsharing, Taxi, (Leih-)Fahrrad, E-Bike oder auch ein Lastenrad anstelle des Klein- oder Zweitwagens sind sinnvolle Alternativen – für die Umwelt, die eigene Gesundheit, den eigenen Geldbeutel und eine lebenswertere Stadt. Für alle, die nicht überzeugt sind, haben wir hier einen Lesetipp.
2. Wir fahren Kurzstrecken mit dem Auto
Hand aufs Herz: Wie häufig lässt uns Bequemlichkeit ins Auto statt aufs Fahrrad steigen? Ein Großteil, der mit dem Auto zurückgelegten Strecken, sind tatsächlich Kurzstrecken: rund zwei Drittel weniger als zehn, etwa die Hälfte weniger als fünf und knapp ein Drittel sogar weniger als drei Kilometer. Dabei spricht gerade hier alles dagegen, das Auto zu nehmen – sogar das Auto selbst: Bei Distanzen unter zehn Kilometer erreicht der Motor nicht seine optimale Betriebstemperatur. Das hat neben einem erhöhten Kraftstoffverbrauch auch einen schnelleren Verschleiß einzelner Fahrzeugteile zur Folge. Gerade in ländlichen Gebieten, wo Parkplatzsuche und Ampel-Hopping wegfällt, verschwendet man häufig keinen Gedanken an Alternativen zum Auto. Dennoch gilt auch hier: ab aufs Rad oder sich die Zeit nehmen und spazieren. Übrigens: Eine Strecke ist oft nur so kurz, wie die Entfernung zum nächsten Bahnhof.
3. Wir sind Solo-Berufspendler
Rund 60 Prozent der deutschen Arbeitnehmer leben und arbeiten an unterschiedlichen Orten. Sind der ÖPNV oder das Fahrrad keine Alternativen, lohnt sich der Blick ins direkte Umfeld. Denn die Chance, dass ein Kollege oder Nachbar einen ähnlichen Weg zurücklegt, ist groß. Warum sich nicht zusammentun? Denn gemeinsam dem Berufsverkehr trotzen, spart nicht nur CO2 und Geld, sondern auch Nerven. Am besten direkt im Unternehmen umhören, einen Aushang in der Kantine machen, eine Rund-Mail schreiben oder einen Blick in soziale Netzwerke werfen.
4. Wir nutzen die Angebote nicht (richtig)
Ähnlich wie beim Berufspendeln, verhält es sich bei längeren Strecken. Wochenendbesuche bei der Oma oder einen beruflichen Termin in der Unternehmenszentrale legen wir im Idealfall mit den “Öffis” zurück. Mit Bus oder Bahn. Bei Zielen innerhalb Deutschlands sollte das Flugzeug nur im absoluten Notfall das Verkehrsmittel der Wahl sein! Bei der Bahn lohnt sich der Sparpreisfinder – vor allem wenn man frühzeitig bucht. Fallen Bahn und Bus als Option weg, bieten Mitfahrgelegenheiten eine zusätzliche Möglichkeit, ans Ziel zu gelangen.
Das gilt auch im umgekehrten Fall: Fährt man mit dem eigenen Auto, gibt es meist dankbare Mitfahrer – man tut also nicht nur der Umwelt Gutes.
Ein Tipp: Nach einer Mitfahrgelegenheit zu schauen, lohnt sich häufig auch mit etwas mehr Gepäck – oder gar einem kleinen Umzug. Wer nett fragt (und eine kleine Aufwandsentschädigung anbietet), gewinnt.
Auf Busliniensuche.de lassen sich Bus, Bahn und Mitfahrgelegenheit einfach vergleichen. Ansonsten findest du hier eine Übersicht der wichtigsten Mitfahrgelegenheitsportale und hier unsere Tipps zum günstigen Bahnfahren.
5. Wir denken nicht mit
Es dürfte keine Überraschung sein, dass zu bestimmten Tageszeiten die Straßen voller sind als zu anderen. Trotzdem vergessen wir manchmal bei der Terminplanung, die Stoßzeiten einzukalkulieren. Dass Stop-and-Go weder Klima- noch Nervenfreund ist, fällt uns erst auf, wenn wir inmitten des Berufsverkehrs auf dem Weg zum Arzttermin sind (– gilt übrigens auch für den ÖPNV).
Arbeit, Einkaufen, Arzt, Frisör, Kinder vom Fußball abholen – bei der Wochenplanung zu schauen, welche Termine sich verbinden lassen, ist so einfach wie praktisch. Unabhängig vom Verkehrsmittel der Wahl.
6. Wir kreieren unseren Mobilitätsbedarf
Welche Angebote gibt es eigentlich in unserer unmittelbaren Umgebung? Gerade auf dem Land, wo die meisten mit dem Auto zum Supermarkt fahren, lohnt es sich zu schauen, ob es nicht andere, nachbarschaftliche Quellen für Milch(-produkte), Brot sowie Obst und Gemüse gibt. Das Gleiche gilt für die Freizeitgestaltung, den Nachhilfeunterricht und selbst für Kindergärten und Schulen: Das Bio-Mittagessen des Kindergartens drei Ortschaften weiter rechtfertigt nicht den zusätzlichen Fahraufwand. Egal ob Dorf, Stadt oder Viertel, unsere Umgebung lebt davon, dass wir uns einbringen. Es lohnt sich also nicht nur wegen des Klimas, hin und wieder etwas weniger mobil zu sein.
Eine Möglichkeit sich zu vernetzen ist nebenan.de.
7. Wir fahren nicht spritsparend
Es führt kein Weg am Auto vorbei? Gut, dann fahren wir zumindest spritsparend! Das bedeutet: Nicht immer mit Maximalgeschwindigkeit, aber im maximalen Gang; kein Anfahren, dass die Reifen durchdrehen; bei längeren Standphasen (ab etwa 20 Sekunden), den Motor ausschalten und stets möglichst entspannt und vorausschauend fahren. Gerade in Städten ist nicht nur Luftverschmutzung, sondern auch Lärmbelästigung Thema. Motorengeheul und Vollbremsung beeindrucken keinen.
8. Wir ignorieren “Spritfresser”
Ballast, Reifen(-druck), Heizung und Klimaanlage – Kleinigkeiten, die den Spritverbrauch beeinflussen, sich aber glücklicherweise leicht beheben lassen. Also: keinen unnötigen Kram im Kofferraum spazieren fahren, Gepäckträger nach dem Urlaub abmontieren, Klimaanlage und Heizung nur laufen lassen, wenn wir ohne sie nicht auskommen, Winterreifen nur im Winter nutzen und regelmäßig den Reifendruck kontrollieren.
Darüber hinaus kann sich eine regelmäßige Wartung zum einen positiv auf die Lebensdauer eines Autos auswirken, zum anderen haben Zündkerzen, Luftfilter oder die Bremsanlage Auswirkungen auf den Spritverbrauch.
Tipp: Leichtlauföle und Energiesparreifen sind meist Investitionen, die sich auszahlen.
9. Wir klammern uns an falsche Statussymbole
Es gibt nachvollziehbare Gründe, warum nicht jeder Autofahrer in naher Zukunft auf ein E-Auto umsteigt, aber ganz ehrlich: Ein SUV – wenn der Fahrer nicht gerade Ranger oder Waldarbeiter ist – ist kein Statussymbol, sondern ein Zeichen für Ignoranz. Neben dem erhöhten Spritverbrauch, gehört der ohnehin knappe Platz in Städten oder das Thema Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer zu Argumenten, die gegen SUVs im (Stadt-)Verkehr sprechen.
10. Wir sind unpolitisch
Fahrverbote in Großstädten, Dieselskandal, Förderprogramme für E-Mobilität – die Parteienlandschaft in Deutschland hat auch zu diesen Punkten Meinungen, Ideen, bestenfalls sogar konkrete Konzepte. Und auch bei der vergleichsweise guten Infrastruktur der “Öffis”, ist noch Luft nach oben. Ein ÖPNV, den sich jeder leisten kann (ähnlich wie in Wien), autofreie Zonen (ähnlich wie die Superblocks in Barcelona) oder ganz einfach nur Fahrradwege, welche Radfahrer ohne Nahtoderfahrung ihr Ziel erreichen lassen, sind doch spannende Ansätze. Also, vergessen wir nicht: Eine Wahlentscheidung kann auch unsere Alltagsmobilität beeinflussen.
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