Es ist Zeit, Abschied zu nehmen – vom öffentlichem Nah- und Regionalverkehr für nur 9 Euro im Monat. Seit 1. September gibt es kein 9-Euro-Ticket mehr. Die letzten drei Monate waren zwar nicht immer schön, aber doch zu kurz, zumindest für die Autorin dieses Artikels. Immerhin: Es gibt Aussichten auf ein Wiedersehen.
Es war wohl einer der größten Verkaufsschlager der Bahngeschichte. Als das 9-Euro-Ticket im Juni auf den Markt kam, war das Interesse der Bevölkerung sofort groß – und die Schlangen vor den DB-Centern dementsprechend lang. Nun, am Ende des dreimonatigen Experiments, kann die Bahn auf stolze Zahlen zurückblicken: 52 Millionen Tickets wurden laut dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen verkauft. 52 Millionen und erstmal kein weiteres. Denn am 31. August ist die Aktion ausgelaufen. Ab September gibt es kein bundesweites 9-Euro-Ticket mehr.
Viele Leute werden dem Ticket nachtrauern, denn in den drei Monaten seiner Existenz hat es den öffentlichen Nahverkehr gründlich umgekrempelt. Nicht immer zum Guten, aber doch so, dass die Mehrheit der Deutschen sich eine Verlängerung gewünscht hat. Dieser Wunsch ging vorerst nicht in Erfüllung – und so stehen wir am 1. September wieder vor klobigen Ticketautomaten mit ihren komplizierten Preisstrukturen. Oder, schlimmstenfalls, vor der Zapfsäule, welche aktuell nicht nur aus Klimaschutzgründen, sondern auch aus finanzieller Sicht frustriert.
Meine Zeit mit dem 9-Euro-Ticket: chaotisch, aber zu kurz
Meine Zeit mit dem 9-Euro-Ticket war nicht immer schön, aber doch zu kurz. Ich habe kein Auto, dafür aber ein Abo für die öffentlichen Verkehrsmittel in München. Das kostet fast 60 Euro pro Monat, mit Jahreskarte ist es etwas günstiger. Die letzten drei Monate habe ich also 27 Euro gezahlt, für einen Service, für den ich üblicherweise 180 Euro zahlen muss. Und andere Redakteur:innen mit längeren Anfahrtswegen zur Arbeit haben sogar noch mehr gespart – zum Beispiel 130 Euro pro Monat, Bahncard noch nicht mit eingerechnet.
Diese Kosten nimmt man in der Regel als gegeben hin. Erst das 9-Euro-Ticket hat gezeigt, wie viel wir eigentlich für öffentlichen Nahverkehr ausgeben, und dass es nicht so teuer sein muss. Natürlich sind durch die Aktion Kosten entstanden, und die hat der Bund und damit die Steuerzahler:innen übernommen. Aber: Würde man bei Subventionen umschichten beziehungsweise anders priorisieren, dann könnte man das Ticket durchaus finanzieren. Die Grünen haben zum Beispiel vorgeschlagen, dafür das Dienstwagenprivileg zu reformieren.
Finanziell war das Ticket also für viele Menschen in meinem Bekanntenkreis eine echte Entlastung. Tatsächlich weiß ich nur von einem Fall, indem das Ticket zwar gekauft, aber kaum genutzt wurde – weil meine Kollegin sowieso die meisten Strecken mit dem Fahrrad zurücklegt. Noch wichtiger war diese Entlastung natürlich für Menschen, die sich den vergelichsweise teuren öffentlichen Nahverkehr in Deutschland bisher nur unter Anstrengungen leisten konnten. Das Ticket hat also dazu beigetragen, soziale Gerechtigkeit im ÖPNV geschaffen.
Neben guten gab es auch viele schlechte Zeiten
So gerne man sich an die guten Zeiten erinnert – die negativen lassen sich natürlich nicht verdrängen. Überfüllte Bahnsteige, Verspätungen um mehrere Stunden, Züge, die wegen der zahlreichen Passagier:innen nicht weiterfahren können und sogar Menschen am Bahnsteig zurücklassen müssen – von all diesen Dingen haben wir in den letzten Monaten gehört oder sie am eigenen Leib erfahren. Mich persönlich hat es bei einer Bahnreise nach Freiburg erwischt. Statt dem geplanten 9-Euro-Ticket-Trip musste ich irgendwann Fahrkarten für einen FlixBus kaufen, weil zu ungewiss war, wann und ob noch einmal ein Zug zu meinem Reiseziel fährt.
War es deshalb eine schlechte Idee, das 9-Euro-Ticket einzuführen? Das denke ich auf keinen Fall. Auch die Menschen, welche dem Sinn des Tickets gemäß den öffentlichen Nahverkehr genutzt haben, kann man keinen Vorwurf machen. Was das Ticket gezeigt hat: Die Deutsche Bahn ist derzeit überfordert, wenn mehr Menschen mit ihr fahren wollen. Und das ist ein Problem, denn im Rahmen der Verkehrswende werden mehr Menschen auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen müssen. Auch jetzt schon ist die Nachfrage eindeutig da – wenn der Preis stimmt.
Das 9-Euro-Ticket: 3 Monate voller Kontroversen
Zum 9-Euro-Ticket hatte jede:r eine Meinung, und zwar von Beginn an. Die Opposition zweifelte am Sinn der Maßnahme, die ein CDU-Abgeordneter als „Marketinggag“ bezeichnete. Auch die Bahn selbst übte immer wieder Kritik. Noch vor der Einführung warnte sie zum Beispiel eindringlich vor Problemen und sozialen Konflikten. Technische Probleme gab es dann auch tatsächlich gleich am ersten Tag des Verkaufsstarts, als die Website wegen der hohen Nachfrage überlastet war.
Um Pfingsten stand dann ein erster Härtetest an, weil Überlastungen wegen hohem Reiseaufkommen befürchtet wurden. Tatsächlich gab es circa 700 Störungen am Pfingstwochenende, doch überregional verlief der Bahnbetrieb stabil. Auch Bahn-Angestellte beschwerten sich auf Twitter über Kund:innen, die ihnen das Leben schwer machten. Die Kund:innen wiederum müssen sich nun auf angekündigte Preiserhöhungen gefasst machen, die ihnen den Abschied erschweren dürften.
Das Ticket machte aber nicht nur Negativschlagzeilen. Zum Beispiel ergab eine Studie, dass das 9-Euro-Ticket die Inflation dämpfe. Und die Auslastung der Züge spricht dafür, dass viele Menschen gerne von den günstigen Ticketpreisen profitiert haben.
Hat das Ticket seinen Zweck erfüllt?
Der wohl am kontroversesten diskutierte Aspekt des Tickets war wohl seine Existenzberechtigung. Hat es Menschen finanziell entlastet? Und dazu beigetragen, dass sie den Weg zur Arbeit mit der Bahn anstelle des Autos zurücklegen?
Das ist derzeit schwer zu sagen. Eine erste Datenauswertung Anfang August deutete darauf hin, dass Menschen in Deutschland wegen des 9-Euro-Tickets nicht seltener ihre Autos nutzen. Es entstünde stattdessen zusätzlicher Verkehr, auch weil mehr Menschen die Öffis nutzen. Der Präsident des Umweltbundesamts verweist Ende August auf eine erste Studie vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) für den Aktionsmonat Juli, die durchaus eine Verlagerung von privaten Pkw auf die öffentlichen Verkehrsmittel sehe. Eine ADAC-Umfrage kommt zu dem Schluss, dass Autofahrende das Ticket vor allem für Freizeitfahrten genutzt haben – aber 60 Prozent sind dafür, das subventionierte Angebot beim Bahnfahren fortzuführen. Bis wir sicher wissen, wie viel das 9-Euro-Ticket in der Energie- und Klimakrise genützt hat, wird es wohl noch dauern.
Gibt es Hoffnung auf ein Wiedersehen?
Das 9-Euro-Ticket war ein Experiment der Bundesregierung, öffentlichen Nahverkehr für alle erschwinglich anzubieten. Leider war es von Anfang an zeitlich befristet – und eine anschließende Verlängerung, obwohl vom Großteil der Bevölkerung gewünscht, konnte doch nicht durchgesetzt werden. Dies lag vor allem an der Weigerung der FDP: Bundesfinanzminister Christian Lindner bezeichnete das Ticket Anfang der Monats noch als „nicht fair“. Denn es gäbe auch Menschen auf dem Land, die keinen Bahnhof in der Nähe haben und auf das Auto angewiesen sind, diese würden den günstigen Nahverkehr trotzdem subventionieren. Das von Lindner adressierte Problem ließe sich allerdings durch eine bessere Infrastruktur der Bahn in ländlichen Regionen lösen.
Lange sah es also schlecht aus für eine Fortsetzung des 9-Euro-Tickets. Nun gibt es aber Licht am Ende des Tunnels: Finanzminister Lindner scheint seinen Widerstand aufgegeben zu haben. Verkehrsminister Volker Wissing teilte am letzten Geltungstag des Tickets mit, er habe Lindner davon überzeugt, dass es ein weiteres, moderneres Ticket geben müsse. Über Details ist noch wenig bekannt – wie teuer das Nachfolgeticket wird und wann es kommt, wird sich also zeigen. Einen kostenlosen Nahverkehr schließen beide FDP-Minister aus.
Eine Nachfolge für das 9-Euro-Ticket wird von der Regierung also zumindest nicht mehr ausgeschlossen. Das Original musste uns leider verlassen. Viele werden es vermissen, auf dem Weg zur Arbeit, bei der Urlaubsplanung oder einfach beim nächsten Blick auf den Kontostand.
In 3 Monaten hat uns das 9-Euro-Ticket viel gegeben
In seinen drei Monaten Laufzeit hat das Ticket für viel Aufruhr gesorgt, aber dabei Erstaunliches geschafft. Nämlich öffentlichen Nahverkehr für alle erschwinglich gemacht, zumindest für einige Zeit. Außerdem hat es aufgezeigt, wo wir noch nachbessern müssen, um unser Bahnnetz auf die höheren Belastungen vorzubereiten, die im Zuge der Verkehrswende darauf zukommen. (Immerhin: 2022 investiert die Deutsche Bahn gemeinsam mit Bund und Ländern bereits 13,6 Milliarden Euro in die eigene Infrastruktur.) Und natürlich hat das Ticket den Deutschen die Möglichkeit gegeben, ihrer Lieblingsbeschäftigung zu frönen – sich über die Bahn auszulassen. Schon deshalb werden wir es bestimmt nicht so bald vergessen.
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