Utopia Image
Präsentiert von:Kooperationslogo

„Nicht alle sind so aufgeklärt, dass sie freiwillig zu einer nachhaltigen Bank wechseln“

Inas Nureldin Tomorrow
Foto: Tomorrow // CC0 / Pixabay - Ratfink1973

Nachhaltige Finanzakteure aus Europa haben ein Bündnis ausgerufen, das sich auf EU-Ebene für konsequente Nachhaltigkeitsstandards einsetzt. Auch Bankkund:innen sollen davon profitieren, erklärt Tomorrow-CEO Inas Nureldin im Utopia-Interview.

Inas Nureldin ist Co-CEO und Co-Gründer von Tomorrow. 2018 gestartet, hat sich seine Banking-App mittlerweile als ernstzunehmende Alternative zu den klassischen nachhaltigen Banken etabliert. Doch Nureldin gehe es nicht darum, nur seinen Kund:innen nachhaltige Finanzen zu ermöglichen, erklärt er im Gespräch mit Utopia. Er möchte die ganze Branche verändern.

Deshalb hat sich Tomorrow mit anderen ethisch agierenden Finanzakteuren aus Europa im Dezember zur Sustainable Banking Coalition zusammengeschlossen. Dazu zählen mehrere nachhaltige Banken wie die GLS-Bank aus Deutschland, die Banca Etica aus Italien und die Ekobanken aus Schweden. Doch auch der deutsche IT-Dienstleister Ecolytiq, der nachhaltigen Banken eine Plattform zur Impact-Berechnung anbietet, und das auch in Deutschland aktive niederländische Fintech Bunq sind darin vertreten.

Das informelle Bündnis setze sich dafür ein, nachhaltige Finanzen auf EU-Ebene in Brüssel stärker in den Fokus zu rücken, erläutert Nureldin im Utopia-Interview. Außerdem thematisiert der Tomorrow-CEO, warum sich die Finanzbranche ändern muss, um die Klimakrise einzudämmen, und welche Vorteile das für Bankkund:innen hätte.

„Es braucht einen Regulator und klare Spielregeln“

Utopia: Warum haben Tomorrow und andere nachhaltige Akteure aus der Finanzwelt die Sustainable Banking Coalition gegründet?

Inas Nureldin: Wir alle haben das Interesse, dass wir unsere Klimaziele erreichen. Gerade im Finanzbereich gibt es eine große Diskrepanz zwischen dem, wie es ist, und dem, wie es eigentlich sein sollte. Geld muss Teil der Lösung sein, doch aktuell ist es noch Teil des Problems.

Wie meinen Sie das?

Wir alle erinnern uns an das 2015 verabschiedete Pariser Klimaabkommen. Alle EU-Länder haben sich dazu verpflichtet, die globale Erwärmung deutlich unter zwei Grad zu halten, idealerweise 1,5 Grad. Da sind wir aber nicht auf Kurs.

Wenn man sich zum Beispiel ansieht, wie viel Geld jedes Jahr von den großen Finanzinstituten weltweit seit 2015 in den Bereich fossile Energie investiert wurde, dann ist das absurd. Da sind jedes Jahr Hunderte an Milliarden, die in den Ausbau von fossilen Energien investiert werden.

Sie beziehen sich auf den Bericht „Banking on Climate Chaos“, den mehrere NGOs verfassten. Demnach haben die 60 größten Banken der Welt in den sieben Jahren nach der Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens 5,5 Billionen US-Dollar in fossile Energien gesteckt. Eine unvorstellbar große Summe.

Genau, die Banken alleine werden die Investitionen nicht freiwillig beenden und deshalb braucht es einen Regulator und klare Spielregeln. Erste Schritte in die Richtung gibt es bereits. Doch wir glauben, dass sie noch nicht konkret genug sind und am Ziel vorbeigehen.

Zum Beispiel die EU-Taxonomie?

Ja, die ist vom Grundgedanken her eine super Sache. Die Taxonomie beschreibt, was in der EU als nachhaltig deklariert werden darf. Das schafft für alle mehr Transparenz, auch für Verbraucher:innen, die sich aktuell nicht immer auf die Nachhaltigkeitsaussagen von Finanzprodukten verlassen können.

Doch dann wurden auch Kernkraft und Erdgas in die Taxonomie aufgenommen. Fossile Brennstoffe wie Erdgas emittieren aber massiv CO2. Die können nicht nachhaltig sein. Die EU-Taxonomie ist also gut gemeint, wurde aber nicht konsequent genug umgesetzt.

Und wie kann die Sustainable Banking Coalition das ändern?

Wir erleben zunehmend, dass ganz wichtige gesetzliche Weichenstellungen auf EU-Ebene getroffen werden. Dass die EU-Kommission und das EU-Parlament entscheidende Rollen spielen. Es ist uns wichtig, dort in den Austausch zu treten. Denn die Sicht der nachhaltigen Banking-Akteure ist in der EU bisher nicht genügend vertreten.

Die drei Ziele der Sustainable Banking Coalition

Welche konkreten Ziele hat das Bündnis nachhaltiger Banken?

Konkret haben wir drei Ziele. Das erste ist eine stärkere Vertretung von nachhaltigen Finanzakteuren in den finanzpolitischen Gremien der EU. Aktuell sitzen dort hauptsächlich traditionelle Banken. Uns liegt es am Herzen, dass sich systemisch etwas daran ändert.

Und zweitens?

Zweitens schauen wir uns an, wie die EU selbst mit Banking umgeht. Also wo hat die EU ihre eigenen Girokonten? Die EU verwaltet ein dreistelliges Milliardenbudget und das Geld liegt überwiegend bei großen Finanzinstituten, die nicht dafür bekannt sind, Gelder möglichst nachhaltig zu investieren.

Wir sagen: Die EU muss konsequent sein, selbst eine Vorreiterrolle einnehmen und zumindest einen Teil der Gelder in nachhaltigen Finanzinstituten verwalten.

Was ist das dritte Ziel?

Wir wollen uns den EU-Rechtsrahmen für nachhaltige Finanzinstitute ansehen. Denn das Thema Nachhaltigkeit muss immer genauer dokumentiert werden. Das ist zwar gut, bedeutet aber vor allem, dass große Institute mit sehr vielen Mitarbeiter:innen besser damit umgehen können, und kleinere Anbieter nicht mehr hinterherkommen. Hier wollen wir einen Weg finden, die Angemessenheit der Maßnahmen sicher zu stellen.

Folgen für Verbraucher:innen

Welchen Nutzen bringt Ihr Einsatz für mehr Nachhaltigkeit in der EU den Bankkund:innen und Anleger:innen?

Fast jede volljährige Person in Deutschland hat ein Girokonto. Das Geld, das darauf liegt, wird bei konventionellen Banken auch in destruktive Industrien investiert oder als Kredite an entsprechende Unternehmen weiterverliehen. Dies verstärkt die Klimaproblematik und geht uns grundsätzlich alle etwas an.

Außerdem ist es im Interesse der Bankkund:innen, zu wissen, was mit ihrem Geld gemacht wird, um dann auch informierte Entscheidungen zu treffen. Die aktuelle EU-Regulatorik versucht zwar schon, nachhaltige Fonds zu kennzeichnen, allerdings ist diese Kennzeichnung nicht zuverlässig.

Von welcher Kennzeichnung sprechen Sie?

Es gibt sogenannte Artikel-9-Fonds, umgangssprachlich auch dunkelgrüne Fonds genannt. Diese haben ein klares Nachhaltigkeitsziel und zählen gemäß der EU-Regulatorik zu den nachhaltigsten Fonds auf dem Markt. Allerdings sagt die EU-Taxonomie: Erdgas kann nachhaltig sein, entsprechende Aktien können also auch in Artikel-9-Fonds stecken. Ich finde: In einem nachhaltigen Fonds haben fossile Energien nichts verloren.

Greenwashing ist in der Branche generell ein großes Problem. Das macht es den Menschen schwer, wirklich nachhaltig zu investieren. Eine Nachhaltigkeits-Kennzeichnung, die hält, was sie verspricht, wäre sehr wichtig. Dafür setzen wir uns ein.

„Geld wirklich komplett nach sozialen und ökologischen Kriterien investieren“

Bei Utopia empfehlen wir aus den genannten Gründen vor allem nachhaltige Banken, die strenge Ausschlusskriterien für Kredite und Investitionen haben. Wer sich also gut informiert, kann sein Geld durchaus ethisch und nachhaltig sparen und anlegen. Reicht das nicht aus?

Klar, es gibt einige Nachhaltigkeitsbanken, die gezeigt haben, dass man Geld wirklich komplett nach sozialen und ökologischen Kriterien investieren kann. Im Großen und Ganzen landet aber immer noch zu viel Geld auf der falschen Seite.

Ich glaube einfach, dass nicht alle Menschen so aufgeklärt sind, dass sie freiwillig zu einer nachhaltigen Bank wechseln. Dafür muss man sich auch erstmal Zeit nehmen und sich einlesen. Viele Konsument:innen haben nicht den Nerv dafür.

Die nachhaltigen Vorreiter können das Problem deshalb nicht allein beheben. Wir haben auch keine Zeit mehr. Es müssen alle Banken, alle Finanzakteure mitspielen. Doch dafür muss es verbindliche gesetzliche Rahmenbedingungen geben. Die Sustainable Banking Coalition setzt sich dafür ein.

Verwendete Quelle: Banking on Climate Chaos

** mit ** markierte oder orange unterstrichene Links zu Bezugsquellen sind teilweise Partner-Links: Wenn ihr hier kauft, unterstützt ihr aktiv Utopia.de, denn wir erhalten dann einen kleinen Teil vom Verkaufserlös. Mehr Infos.

Gefällt dir dieser Beitrag?

Vielen Dank für deine Stimme!