„I can’t breathe“: Wieder haben Polizisten in den USA einen Afroamerikaner getötet – die Bilder der letzten Minuten von George Floyd gingen um die Welt. Floyds Tod ist das Resultat eines tief verwurzelten Rassismus, der auch bei uns verbreitet ist. Was du tun kannst.
Fast neun Minuten lang kniete der Polizist Derek Chauvin auf dem Hals von George Floyd. „Ich kann nicht atmen“, sagte dieser, außerdem: „Bitte tötet mich nicht“. Aber Chauvin drückte ihn weiter auf den Boden – und Floyd erstickte.
Die Aufnahmen lassen einen fassungslos zurück, zugleich ist Floyds Schicksal kein Einzelfall. Erst im März wurde die 26-Jährige Breonna Taylor in Louisville von Polizisten erschossen, im vergangenen Oktober die 28-jährige Atatiana Jefferson – beide Frauen wurden in ihren eigenen Wohnungen getötet. Polizeigewalt gegen Afroamerikaner*innen hat in den USA lange Tradition.
Rassismus ist auch in Deutschland allgegenwärtig
Auch wenn die Zustände in den USA nicht mit der Situation in Deutschland vergleichbar sind: Auch hierzulande erfahren Schwarze und People of Colour rassistische Gewalt: Beleidigungen, körperliche Angriffe, Racial Profiling. Hinzu kommen Alltagsrassismus und Diskriminierungen in vielen Bereichen des täglichen Lebens, etwa in Behörden, im Bildungssystem, auf der Wohnungssuche oder im Arbeitsmarkt. George Floyds Tod erinnert auch an Europas Rassismus, schreibt der Redakteur Chiponda Chimbelu.
Wer selbst nicht von Rassismus betroffen ist, wird nur schwer nachvollziehen können, wie es Schwarzen Menschen angesichts des Todes von Floyd zurzeit geht. Eines ist jedoch klar: Weltweit leiden Menschen unter Rassismus, im schlimmsten Fall endet das tödlich. Grund genug für uns alle, dagegen vorzugehen. So kannst du – als nicht betroffene Person – helfen.
1. Kontaktiere Schwarze Freund*innen und Bekannte
Hast du Schwarze Freund*innen, Bekannte oder Kolleg*innen? Sie haben wahrscheinlich die letzten Tage damit verbracht, die Proteste in den USA zu verfolgen – und so noch mehr Polizeigewalt gegen Schwarze zu sehen. Kontaktiere sie, frag sie, wie es ihnen zurzeit geht und ob sie reden möchten. Zeig ihnen, dass sie mit ihrer Trauer und Wut nicht alleine sind. Solidarität von Nicht-Betroffenen kann gerade jetzt guttun.
2. Nimm an Protestaktionen teil
Eine konkrete Möglichkeit, um Solidarität zu zeigen: Nimm an Protesten gegen Rassismus teil. Am Sonntag fand beispielsweise unter anderem in Berlin eine Black-Lives-Matter-Demo statt. Wem Protestveranstaltungen aktuell wegen des Coronavirus zu unsicher sind, kann nach Ende der Pandemie entsprechende Demonstrationen besuchen. Auch hier ist das Signal an BPoC (Black People and People of Colour) bedeutend: Ihr müsst nicht allein gegen Rassismus und Ungerechtigkeit kämpfen.
3. Erhebe deine Stimme gegen Rassismus – nicht nur jetzt
Die Tante redet bei einer Familienfeier wieder darüber, dass alle Flüchtlinge kriminell seien? Dein Opa macht Witze über Türk*innen? In der U-Bahn beschimpft jemand eine Schwarze Person? Lass rassistische Aussagen oder Beleidigungen nicht unkommentiert stehen. Sprich an, dass die Äußerung rassistisch und inakzeptabel ist. Je nach Situation kannst du mit der Person über den Inhalt ihrer Aussage diskutieren. (Tipps dafür gibt es zum Beispiel hier). Wer schweigt, trägt dazu bei, dass Rassismus unsichtbar bleibt und normalisiert wird.
4. Informiere dich
Um gegen Rassismus laut werden zu können, musst du ihn erst einmal erkennen – denn er äußert sich nicht bloß in Beleidigungen und Gewalt. Ein großer Teil des alltäglichen Rassismus, den BPoC erleben, passiert versteckt. Deswegen: Informiere dich!
- Was ist Rassismus und wie wirkt er?
- Was ist White Supremacy?
- Welche Rassismuserfahrungen machen BPoC in Deutschland?
- Wie hängt die unaufgearbeitete Kolonialgeschichte Deutschlands mit dem modernen Rassismus zusammen?
Wissen über Rassismus hilft auch, eigene rassistische Denkmuster zu identifizieren – und sie abzubauen.
5. Hör BPoC zu
Angefangen von vermeintlich „gut gemeinten“ Bemerkungen bis hin zu rassistischer Gewalt: Rassismus ist auch in Deutschland allgegenwärtig. Wenn Betroffene davon erzählen, höre zu – ohne ihre Erlebnisse zu relativieren. Vermeide Sätze wie „das war bestimmt nicht so gemeint“ oder „du bist zu empfindlich“. BPoC haben langjährige Erfahrung mit Rassismus und können ihn entsprechend einordnen. Ihn kleinzureden ist ein weiterer Schritt, Rassismus zu normalisieren.
6. Unterstütze anti-rassistische Arbeit
Es gibt zahlreiche Verbände, Vereine und Initiativen, die sich gegen Rassismus einsetzen. Sie organisieren Demonstrationen, stellen Informationsmaterial bereit, geben Workshops und kooperieren mit Schulen, Medien und Politik. Ihre Arbeit ist extrem wichtig – allerdings sind sie meist auf Mitgliedschaften und Spenden angewiesen. Falls du spenden oder dich anderweitig engagieren möchtest, schau dir zum Beispiel diese Organisationen an:
- Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD)
- Amadeu-Antonio-Stiftung
- Adis e.V. (Antidiskriminierung und Empowerment)
- European Network Against Racism
- Phoenix e.V. (Anti-Rassismus-Trainings)
- Black-Lives-Matter-Bewegungen in den USA
7. Mach dir deine Privilegien bewusst
Wenn du weiß bist, sind deine Chancen größer, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Oder eine Wohnung besichtigen zu können – und sie dann auch zu bekommen. Du wirst seltener von der Polizei kontrolliert und öfter in Clubs gelassen. Kurz: Du hast viele Privilegien, die Schwarze und People of Colour nicht haben. Du hast Vorteile, weil sie Nachteile haben. „Erkenne an, dass es ein Privileg ist, das du hast [wenn du weiß bist], und nutze genau dieses Privileg, um es zu durchbrechen“, sagt der amerikanische Aktivist DeRay Mckesson.
Sich der eigenen Privilegien bewusst zu werden, ist gar nicht so einfach – denn wir nehmen sie als selbstverständlich wahr. Diese Checklisten können helfen, Privilegien zu erkennen:
- Der „unsichtbare Rucksack“ von Peggy McIntosh: Checkliste weißer Privilegien
- 33 Fragen über Rassismus, die man ehrlich beantworten sollte (Zeit.de)
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