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Baugruppen: Wie realistisch ist der Traum vom gemeinschaftlichen Eigenheim?

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Foto: CC0 / Pixabay / mwitt1337

Als Gruppe gemeinsam zum Eigenheim: Das soll das Prinzip der Baugruppe ermöglichen. In einer Baugemeinschaft zu bauen ist günstiger als alleine. Welche Vorteile Baugruppen noch mit sich bringen – und welche Nachteile – erfährst du hier.

Wenn sich mehrere Bauwillige zusammenschließen, können sie den Traum vom Eigenheim als Baugruppe realisieren. Baugruppen, auch Baugemeinschaften genannt, erwerben gemeinsam ein Grundstück, auf dem sie dann ein Bauprojekt ohne Bauträger von außen verwirklichen. Das Bauen in der Gruppe bringt einige finanzielle und organisatorische Vorteile mit sich. Doch wer zusammen mit anderen bauen möchte, muss auch vieles beachten.

Was ist eine Baugruppe?

Baugruppen wollen kein schlüsselfertiges Eigenheim von einem Bauträger, sondern selbstbestimmt bauen.
Baugruppen wollen kein schlüsselfertiges Eigenheim von einem Bauträger, sondern selbstbestimmt bauen.
(Foto: CC0 / Pixabay / VisionPics)

Bei einer Baugemeinschaft handelt es sich um einen rechtlichen Zusammenschluss von privaten Haushalten, die gemeinsam ein Bauprojekt planen und umsetzen wollen. Baugruppen erwerben und bebauen Flächen nicht zum gewerbsmäßigem Vertrieb – anders als kommerzielle Projektentwickler:innen und Bauträger. Die Mitglieder der Gruppen finden sich stattdessen zusammen, um ein Eigenheim zu verwirklichen, das sie selbst langfristig bewohnen möchten. Als Verantwortliche treffen sie dabei alle Entscheidungen selbst, wobei sie sich häufig bewusst zu alternativen Wohnformen und geteilten Lebensräumen entschließen.

Oft richten Baugruppen ihr Bauprojekt an sozialen und ökologischen Prinzipien aus und schaffen so  familienfreundliche, generationenübergreifende und bezahlbare Wohnräume, in denen Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle spielt. Sie achten beispielsweise auf die Verwendung ökologisch unbedenklicher oder recycelter Materialien, installieren Solaranlagen oder Biogasanlagen und integrieren Grün- und Anbauflächen.

Baugruppen können verschiedene Formen annehmen: 

  • Freie private Baugruppe: Die Bauwilligen ergreifen die Eigeninitiative und schließen sich zu einer Baugruppe zusammen, wobei ihre Mitglieder alle organisatorischen Bauherr:innen-Aufgaben selbst übernehmen. Die Bauwilligen erwerben gemeinsam ein Grundstück und verwirklichen darauf ihr Bauprojekt. Sie entscheiden sich gemeinsam für Architekt:innen, bestimmen alle Bauleistungen und engagieren alle ausführenden Firmen.
  • Betreute private Baugruppe: Hier geht die Initiative von einer Projektinitatorin oder einem Projektinitiator aus – beispielsweise einer Architektin oder einem Architekten –  sowie von einer Person, die das Projekt hinsichtlich Organisation, Koordination und Betreuung der Baugruppe steuert. Diese Organisationsform ist vor allem bei großen Bauprojekten und vielen Bauherr:innen sinnvoll.

In der Baugemeinschaft bauen: So läuft es ab

Baugruppen beruhen auf demokratischeM Planen und Bauen.
Baugruppen beruhen auf demokratischeM Planen und Bauen.
(Foto: CC0 / Pixabay / 3844328)

In einer Baugruppe zu bauen erfordert einiges an Koordination und schließt Schritte ein, die beim herkömmlichen Hausbau nicht unbedingt notwendig sind. Das Bauprojekt einer Baugruppe läuft grob in vier Schritten ab:

  1. Findungsphase: Die Mitglieder kommen zusammen, um ihre Ideen und Wünsche vorzustellen und zu diskutieren. Ziel der Findungsphase ist es, gemeinsame und verbindliche Kernziele zu definieren.
  2. Planungsphase: Die Bauwilligen fügen sich in einer offiziellen Rechtsform zusammen. Meistens ist dies eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), aber möglich ist auch eine Genossenschaft oder eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Diese Rechtsformen unterscheiden sich unter anderem darin, ob ein Mindestkapital nötig ist, ob die Mitglieder mit ihrem eigenen Privatkapital haften und ob sie den Eintrag in ein Register erfordern.
  3. Bauphase: Die Baugruppe ist nun mit gemeinschaftlichem Planen und Kontrollierem beschäftigt. Da alle Mitglieder Bauherr:innen sind, verantworten sie alle Risiken wie Verspätungen, Qualitätsmängel und zu hohe Kosten selbst. Neben demokratischer Mitbestimmung ist Transparenz in dieser Phase das Wichtigste: Alle Mitglieder haben Einsicht in alle Kosten und Verträge.
  4. Fertigstellung: Die Bauherr:innen sind am Ziel und können sich nun Eigentümer:innen ihres eigenen Hauses oder ihrer eigener Wohnung nennen. Neben dem Wohnobjekt gehört ihnen auch ein Teil des Grundstücks. Genossenschaften oder GbmHs bleiben nach der Fertigstellung bestehen, die GbRs werden aufgelöst und in eine andere Rechtsform umgewandelt.

Baugruppen: Was sind die Vorteile und Nachteile?

Eine Baugruppe kann über die eigene Wohnung hinaus gemeinschaftlich geteilte Räume realisieren.
Eine Baugruppe kann über die eigene Wohnung hinaus gemeinschaftlich geteilte Räume realisieren.
(Foto: CC0 / Pixabay / laterjay)

Zweifellos ist das Bauen in einer Baugruppe nicht für jede:n der richtige Weg zum Eigenheim. Wer nicht zu Kompromissen und Diskussionen bereit ist und sich nicht mit möglichen Konflikten auseinandersetzen möchte, wird es schwer haben, dem demokratischem Planen und Bauen etwas abgewinnen zu können.

Alle anderen können jedoch von verschiedenen Vorteilen profitieren:

  • Geld sparen: Baugruppen ermöglichen ein Eigenheim zu günstigeren Konditionen. Laut dem Bundesverband Baugemeinschaften können Baugemeinschaftsprojekte je nach Region bis zu circa 25 Prozent günstiger sein als vergleichbare Objekte am Wohnungsmarkt. Das ergibt sich unter anderem daraus, dass Provisionen und Gewinne gegenüber einem Bauträger wegfallen. Außerdem werden die fällige Grunderwerbsteuer und notarielle Gebühren nur auf den Kaufpreis des Grundstücks berechnet und nicht auf die gesamte Immobilie, wie es beim Kauf einer fertigen Eigentumswohnung der Fall wäre. Hinzu kommt, dass sich die Mitglieder die Kosten für den Architekten oder die Architektin, die Handwerker:innen und die Baufirma teilen. Außerdem können sie sparen, wenn die Mitglieder Material gemeinsam einkaufen und sich unter ihnen einige handwerklich Begabte finden, die mit anpacken.
  • Gestaltungsmöglichkeiten: Wer sich für eine Baugruppe entscheidet, hat von Anfang an nicht nur bei der persönlichen Wohneinheit viel Einfluss, sondern kann auch bei der Gestaltung gemeinschaftlicher Räume mitwirken, die ohne die Baugruppe aus finanziellen oder organisatorischen Gründen überhaupt nicht möglich gewesen wären. Über die eigene Wohnung hinaus lassen sich so beispielsweise ein Gemeinschaftsraum oder ein geteiltes Gästezimmer, ein kleiner Spielplatz, eine Werkstatt oder Sauna realisieren.
  • Gemeinschaft: Ein Hausbau ist eines der größten Abenteuer im Leben. Wer es mit anderen teilt, kann mit den restlichen Mitgliedern bereits vor dem Einzug zu einer starken Gemeinschaft zusammenwachsen. Diese bildet die Basis für eine vertraute Nachbar:innenschaft, in der gegenseitige Unterstützung und Hilfe auch nach Ende des Bauprojekts weiterbestehen können. Das könnte auch den Nährboden für Wohnkonzepte wie mehrgenerationale Haushalte schaffen.

Doch neben der bereits angesprochenen Bereitschaft zu Diskussionen, Kompromissen und Konfliktverhandlung schreckt besonders ein Nachteil Bauwillige vom gemeinschaftlichen Bauen ab: dem Bauherr:innen-Risiko. Anders als es beim Kauf einer Festpreiswohnung von einem Bauträger der Fall wäre, tragen alle Mitglieder einer Baugruppe das volle Risiko, wenn es zu Kostenerhöhungen oder einem Zeitverzug kommt. Letzterer ist auch aufgrund langwieriger Absprachen und unfruchtbarer Diskussionen zwischen mehreren Bauherr:innen durchaus wahrscheinlich. Daher ist eine Baugruppe gut beraten, eine:n Projektbetreuer:in mit ins Boot zu holen. Diese Person begleitet das Bauvorhaben, achtet auf Kosten und Termine und kann bei Diskussionen moderieren.

Diese Baugruppen machen vor, wie es geht

Baugruppenprojekte sind so vielfältig wie ihre Mitglieder.
Baugruppenprojekte sind so vielfältig wie ihre Mitglieder.
(Foto: CC0 / Pixabay / Peggy_Marco)

Baugruppenprojekte spiegeln die Vielfalt von Wohnformen jenseits des im Alleingang gebauten Einfamilienhauses wider. Diese Beispiele zeigen, was möglich ist, wenn man den Weg des demokratischen Planen und Bauens geht:

Baugemeinschaft Dock 71

  • DOCK71 ist eine Baugruppe, die am Hamburger Lohsepark ein größeres Bauprojekt erfolgreich realisiert hat. Die Mitglieder gehören diversen Altersgruppen und Haushaltsstrukturen an. Sie haben gemeinsam 59 Wohneinheiten, 7 reine Gewerbeeinheiten, 3 Einheiten, die Wohnen und Gewerbe kombinieren, einen Gemeinschaftsraum und eine Dachlandschaft mit gemeinschaftlichen und privaten Bereichen gebaut. Dort können die Mitglieder Urban Gardening betreiben oder Feste feiern. Im Erdgeschoss befinden sich Büroräume, ein Café und eine Kindertagesstätte. 

Aegidienhof Lübeck

  • Der Aegidienhof Lübeck hat seinen Ursprung in einer 1999 gegründeten Baugruppe. Bürger:innen schlossen sich damals zusammen, um einen bau- und kulturgeschichtlich bedeutenden Komplex in der Lübecker Altstadt vor dem Verfall zu retten. Nach intensiver Sanierung befinden sich im Aegidienhof nun 12 Wohnungen, deren Bewohner:innen äußerst vielfältig sind: Jung trifft auf alt, Single-Haushalt findet sich neben Großfamilie, Menschen mit und ohne Behinderung kommen hier zusammen.

Sargfabrik

  • Die sogenannte „Sargfabrik“ in Wien vereint Wohnen, Kultur und Gemeinschaft. Mitte der 1980er Jahre gründete eine Gruppe engagierter Personen den Verein für integrative Lebensgestaltung (VIL), um verschiedenen Lebensmodellen und kulturellen Möglichkeiten ein gemeinsames Zuhause zu geben. Der VIL ist Grundeigentümer, Bauherr, Betreiber der Wohnanlage und Vermieter. Die Bewohner:innen sind die Vereinsmitglieder. Heute leben in den 112 Wohneinheiten etwa 200 Personen, darüber hinaus gibt es Räume zur Begegnung mit der Öffentlichkeit, für kulturelle Veranstaltungen und sogar zum Baden.

So findest du eine Baugruppe

Die wichtigste Voraussetzung, um eine Baugruppe zu gründen, sind natürlich die Mitstreitenden. Diese kannst du auf verschiedene Wege finden:

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