Immer öfter halten wir Bioplastiktüten oder Biomülltüten in der Hand. Doch sind diese Plastiktüten wirklich so umweltfreundlich wie die Hersteller behaupten?
Kartoffel- und Möhrenschalen, Essensreste oder gammliges Gemüse: In einer Bioplastiktüte sollen sie umweltfreundlich und sicher im Biomüll landen. Doch wie „bio“ ist die Bio-Plastiktüte wirklich?
Nicht so bio wie viele denken
„Es gibt zwei Arten von Bioplastik„, sagt Abfallexperte Philipp Sommer von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Zum einen solches auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen, also Pflanzen wie Mais, Zuckerrüben oder Maniok. Zum anderen gibt es sogenanntes „kompostierbares“, das auch Erdöl enthalten kann. „Kompostierbar“ darf sich Bioplastik nennen, wenn es die Norm EN 13432 erfüllt, also innerhalb von 90 Tagen zu 90 Prozent in Teile kleiner als zwei Millimeter zerfällt. Dies gelte allerdings für die besonderen Umgebungsbedingungen in Kompostieranlagen, in der Natur baue sich „kompostierbares“ Bioplastik genauso langsam ab, wie herkömmliches Plastik, erklärt Sommer.
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Doch in einem Großteil der Kompostieranlagen wird Biomüll deutlich schneller kompostiert, daher werden Bioplastiktüten häufig vorab aussortiert und verbrannt – auch, weil die Bioplastiktüte nur schlecht als solche erkannt werden. Ob also kompostierbar oder nicht – in der Kompostieranlage sieht beides gleich aus und wird meist aussortiert. Hinzu kommt, dass Bioplastiktüten dem Kompost praktisch keine Nährstoffe liefern würden, ein Mehrwert bleibt also aus.
Die Bioplastiktüte mischt Bio-Stoffe mit Plastik
Hersteller werben für ihre Tüten mit Versprechen wie „kompostierbar“, „umweltfreundlich“ und „biologisch abbaubar“, doch stärkebasierte Plastiktüten funktionieren oft nur als Materialmix aus verschiedenen Kunststoffen.
„Stärke nimmt schnell Wasser auf, daher werden stärkebasierte Kunststoffe in der Produktion mit anderen Kunststoffen vermischt, damit sie sich nicht beim ersten Kontakt mit Wasser auflösen“, erklärt Sommer. In beiden Arten von Bioplastik würden Additive wie Druckfarben und Weichmacher vorkommen, die unter Umständen nicht abbaubar seien. Auch das Umweltbundesamt sieht den problemlosen Abbau der „biologisch abbaubaren Kunststoffen“ in der Natur kritisch.
Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass das Zauberwort „bio“ Verbraucher (bewusst oder unbewusst) dazu verleitet, tatsächlich mehr Plastiktüten zu kaufen und (in der Natur) zu entsorgen. Schließlich „zersetzt“ sich die Bioplastiktüte laut Hersteller ja. Mehr dazu im Beitrag „Wie Bio ist Bioplastik?„.
Leere Bioplastiktüte statt voller Teller?
Pflanzenbasierte Biokunststoffe können – je nach Ausgangsmaterial – in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion stehen. Sollten Nahrungsmittel nicht besser in hungrigen Mägen landen, statt als Bioplastiktüte verarbeitet zu werden?
„Potenziell besteht die Gefahr, dass eine stark gesteigerte Nachfrage [solcher Produkte] eine Flächenkonkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion bedeuten könnte“, sagt das Umweltbundesamt. Und auch Sommer von der DUH meint: „Anbauflächen sollten in erster Linie für Lebensmittel da sein und für die Produktion von Plastik oder Treibstoff sollten lediglich landwirtschaftliche Abfälle genutzt werden.“
Wir müssen unseren Gebrauch und Konsum von Plastik stark überdenken – aber wäre Bioplastik denn eine Lösung? „Fossile Rohstoffe sind endlich“, räumt Rolf Buschmann vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) ein, „doch man muss kritisch hinterfragen, wenn ein Rohstoff durch einen anderen ersetzt wird und sich genau anschauen, wie dieses neue Modell aufgebaut ist.“
Sinnvoller als herkömmliche Tüten mit Bioplastiktüten zu ersetzen, sei es, vorhandene Kreisläufe zu schließen und Abfall irgendwann ganz abzuschaffen – ganz im Sinne der Cradle-to-Cradle Denkschule.
Bioplastiktüten sind keine Lösung
Halten wir fest: Bioplastiktüten sind keine Lösung für das Plastiktüten-Problem, sie bleiben ein Einwegprodukt. Ein Einwegprodukt, das sich nicht so einfach in der Umwelt auflöst, Plastikreste hinterlässt und hinter dem ein riesiger Herstellungsaufwand steckt. Letztlich kann die Bioplastiktüte sogar in Konkurrenz zu Ernährungsbedürfnissen stehen.
Bei uns wird ein Plastiktütenverbot so schnell nicht kommen, daher sind die Verbraucher in der Verantwortung. Erstens müsse man die Konsumenten aufklären, dass Plastiktüten eine schlechte Wahl seien, denn „dieses Bewusstsein kommt nicht von selbst“, so Buschmann. Zweitens: Man muss bessere Alternativen aufzeigen – Mehrwegtaschen. Drittens müssen Verbraucher und Politik dazu übergehen, die Produzenten von Plastiktüten, Becher und Verpackungen anzusprechen: Bitte hört auf, solche umweltschädlichen Produkte herzustellen und helft, neue Lösungen zu entwickeln!
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