Body Neutrality bezeichnet das Konzept, dass wir unserem Körper neutral gegenüberstehen. Im Gegensatz zur Body Positivity müssen wir dabei also nicht jeden Aspekt an unserem Körper schön finden. Neben Vorteilen gibt es auch Kritik an dem Konzept.
Die Bewegung und der Ansatz der Body Positivity hat in unserer Gesellschaft viele Prozesse in Bewegung gesetzt und Schönheitsideale aufgebrochen. So posten Personen auf Social Media mittlerweile etwa öffentlich ihre Cellulite, Bauchfalten, Schwangerschaftsstreifen, Narben oder Hautunreinheiten, Werbekampagnen und Modemagazine zeigen verstärkt unterschiedliche Körpertypen und öffentliches Fat-Shaming wird stärker sanktioniert.
Dadurch ist in den letzten Jahren der Fokus auf ein bestimmtes Schönheitsideal deutlich zurückgegangen und Menschen werden stärker ermutigt, ihren individuellen Körper zu zelebrieren. Aber ist das wirklich nötig? Das Konzept der Body Neutrality steht dem skeptisch gegenüber. Bei diesem Ansatz geht es vielmehr darum, dass wir unseren Körper auch mal weniger schön finden können, uns dies aber nicht sofort in Panik versetzt. Das reine Aussehen des Körpers gerät grundsätzlich in den Hintergrund.
Body Neutrality vs Body Positivity: Ein Perspektivwechsel
Der Bewegung der Body Neutrality geht Body Positivity voraus: Als Kritik am Konzept der Body Positivity formuliert etwa das Onlinemagazin ze.tt „Wenn alle schön divers, schön besonders, schön schön sind, setzt das nicht auch schon wieder einen ungesunden Standard? Muss ich mich und meinen Körper wirklich abfeiern?“. So stehe bei diesem Ansatz nach wie vor ein zu starker Fokus auf die Ästhetik des eigenen Körpers im Vordergrund.
Doch einige Menschen finden eben nicht alles an ihrem Körper schön und können damit trotzdem gut leben. Und genau das ist das Ziel der Body Neutrality. Den Begriff prägte im Jahr 2015 die US-Amerikanerin Melissa Fabello in einem Blogpost. Darin erklärt sie, sie sei zwar dafür, dass Menschen mit ganz unterschiedlichem Aussehen auf der Straße nur so vor Selbstbewusstsein strotzen. Sie empfinde das aber auch als eine unfaire Erwartungshaltung.
Body Neutrality nimmt Menschen hingegen diesen Druck jeden Teil ihres Körpers jeden Tag lieben zu müssen. Laut Fabello ermutigt die Bewegung Menschen, ihren Körper so zu akzeptieren, wie er gerade ist (ohne ihn dafür lieben zu müssen) und weder einen positiven noch negativen Fokus auf den eigenen Körper zu haben. Body Positivity ist Fabello zufolge jedoch weiterhin ein wichtiges und notwendiges Konzept. Doch für all die Menschen, die nicht sofort zu radikaler Selbstliebe gegenüber dem eigenen Körper springen können, brauche es einen Zwischenschritt. Und dieser könne von der Body Neutrality gefüllt werden.
Body Neutrality: Mehr als Äußerlichkeiten
Während Fabello Body Neutrality als Stufe betrachtet, von der aus man mehr Body Positivity entwickeln könnte, ist das Konzept für andere hingegen auch schon als ‚Endresultat‘ ausreichend. So ist laut der ze.tt ein grundlegend entspanntes Verhältnis zum eigenen Körper erstrebenswerter, bei dem man gewisse Aspekte seines Aussehens auch mal weniger schön finden kann. Umgekehrt ist es einem aber vielleicht auch nicht so wichtig, dass man Komplimente für sein schönes Gesicht bekommt. Auf diese Weise gibt es mehr Kapazitäten für andere Themen.
Auch die Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG) und die Deutsche Gesellschaft für Essstörungen (DGESS) befürworten Body Neutrality. Body Positivity sei dabei eine „verständliche Schutzreaktion auf die weit verbreitete Stigmatisierung der Betroffenen.“ Trotzdem sehen die Expert:innen Body Neutrality als das erstrebenswertere Konzept an. Denn hier gehe es nicht um Ästhetik und neue Schönheitsideale, sondern in erster Linie um die Funktionalität und Gesundheit des eigenen Körpers.
So dürfe auch nicht vergessen werden, dass Übergewicht und Adipositas nicht einfach nur andere Körperformen sind, sondern schwere medizinische Konsequenzen mit sich bringen kann. Die bedingungslose Liebe des eigenen Körpers, wie sie die Body Positivity predigt, könne hingegen Gewichtserkrankungen verharmlosen. Das gilt laut den Expert:innen auch für extremes Untergewicht.
Nach den Prinzipien von Body Neutrality musst du deinen Körper für sein Aussehen also weder lieben noch hassen. Stattdessen geht es darum, den Körper für das wertzuschätzen, was jeden Tag leistet: Er bringt dich von A nach B, ermöglicht es dir, dich auszutoben und dich zu entspannen, verdaut deine Nahrung, kämpft gegen Krankheitserreger, pumpt unermüdlich Blut durch deine Venen, lässt dich sehen, schmecken, fühlen und sorgt mit jedem Atemzug dafür, dass du am Leben bist.
Kritik an Body Neutrality
Auch am Konzept der Body Neutrality gibt es Kritik, da es nicht für alle Menschen gleichermaßen funktioniert.
- So kritisieren laut der New York Times einige, dass eine stoisische Losgelöstheit vom eigenen Körper nicht ausreicht, um sein Selbtwertgefühl wiederherzustellen oder zu stärken. Es könne in diesem Prozess lediglich ein weiteres Hilfsmittel sein.
- Ein:e Autor:in der Allure erklärt zudem, dass sie nicht verdrängen könne, dass ihr Aussehen viele Aspekte ihrer Persönlichkeit und ihres Lebens beeinflusst hat und dies nach wie vor tut. Die negativen Erfahrungen mit dem eigenen Körper komme für sie in der Body Neutrality Bewegung zu kurz.
Letztendlich gibt es für jede einzelne Person unterschiedlich wirk- und heilsame Wege auf dem Weg zum Frieden mit dem eigenen Körper. Ob du sie in der Body Neutrality oder Body Positivity-Bewegung oder einem ganz anderen Konzept findest, bleibt ganz dir überlassen.
Mehr Frieden mit dem eigenen Körper: 5 Tipps
Mit den folgenden Tipps kannst du Body Neutrality im Alltag umsetzen:
- Heilsame Selbstgespräche: Ersetze negative Selbstgespräche über das eigene Aussehen durch positive oder neutrale Aussagen. Statt dich auf vermeintliche Mängel zu konzentrieren, betone, was dein Körper für dich tut und leistet. Das kannst du zum Beispiel mit positiven Affirmationen tun.
- Kleidung, die sich gut anfühlt: Trage Kleidung, die sich für dich angenehm anfühlt und nicht nur solche, die einem bestimmten Schönheitsideal entspricht. Das kann dazu beitragen, deinen Fokus von äußerlichen Aspekten abzulenken.
- Medienbewusstsein entwickeln: Achte darauf, welche Medien du konsumierst. Wähle Inhalte aus, die verschiedene Körpertypen und -formen zeigen und nicht ausschließlich ein stereotypisches Schönheitsideal fördern. Vermeide es dabei, dich durch soziale Netzwerke zu vergleichen.
- Körperaktivitäten betonen: Konzentriere dich auf Aktivitäten, die dir Freude bereiten und die deine körperlichen Fähigkeiten betonen, anstatt dich auf sportliche Leistungen oder Äußerlichkeiten zu fixieren.
- Den Fokus ändern: Lenke deine Aufmerksamkeit bewusst von äußeren Erscheinungsbildern auf die inneren Qualitäten und Fähigkeiten, die dich als Person ausmachen. Diese kannst du auch regelmäßig aufschreiben, um noch bewusster die Perspektive zu wechseln, und deine Selbstachtung zu stärken.
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