Im Buch „Noch haben wir die Wahl“ sprechen Luisa Neubauer und Bernd Ulrich über die Klimakrise und deutsche Klimapolitik. Was das mit dem Generationenkonflikt zu tun hat und ob das Buch lesenswert ist, erfährst du hier.
Luisa Neubauer ist hauptberuflich Klimaaktivistin und eine der Hauptorganisator:innen der Fridays-for-Future-Bewegung. Bernd Ulrich ist stellvertretender Chefredakteur der Wochenzeitung „Die Zeit“. Zusammen schrieben sie das Buch „Noch haben wir die Wahl – Ein Gespräch über Freiheit, Ökologie und den Konflikt der Generationen“. Auf 237 Seiten diskutieren sie wortgewandt und informativ über den Klimawandel und Klimapolitik – und das aus Sicht ihrer jeweiligen Generation.
Um was geht es im Buch „Noch haben wir die Wahl“?
In erster Linie geht es im Buch „Noch haben wir die Wahl“ um die Klimakrise. Die beiden Autor:innen bringen ein ausführliches Gespräch über die aktuelle Brisanz einer Wende in der Klimapolitik und unserer Lebensweise auf Papier.
Im Sachbuch werden zwei Sichtweisen präsentiert, die jeweils für die jüngere und die ältere Generation stehen sollen. Neubauer und Ulrich kritisieren, diskutieren, verstehen sich aber auch gegenseitig. Ein Teil des Buches beschäftigt sich mit den Gewohnheiten und dem Klima-Engagement verschiedener Generationen. Ein anderer Teil resümiert die Klimapolitik Merkels und blickt vorausschauend auf die Zeit nach ihrer Amtszeit.
Das Gespräch von Luisa Neubauer und Bernd Ulrich führt durch verschiedene Themenbereiche wie Wirtschaft, Verkehr, Ernährung, Wissenschaft, Journalismus und Politik. Es geht um verfehlte Klimaziele, Normalitäten, Hoffnungen und Wünsche. Im Zentrum steht immer die Ökologie. Die Forderung: Elementare Teile der Gesellschaft müssen neu gedacht werden, um die Klimakrise aufhalten zu können.
Warum Generationenkonflikt?
Das Buch „Noch haben wir die Wahl“ thematisiert die Klimakrise als Generationenkonflikt. Bernd Ulrich und Luisa Neubauer berichten jeweils aus der Perspektive der Generationen, denen sie angehören. Luisa Neubauer ist 1996 geboren und zählt somit sowohl zur Generation der „Millennials“ beziehungsweise „Generation Y“ als auch zur „Gen Z“.
Diese beiden Generationen sind laut dem Wirtschaftswissenschaftler Martin Klaffke von Individualisierung und Flexibilität geprägt (Gen Z noch mehr als Y), da sie in einer Welt aufgewachsen sind, die eine Vielzahl an Handlungsalternativen bietet. Vor allem die Millennials hinterfragen laut Klaffke viel, kennen aber auch eine Welt ohne Digitalisierung und haben bereits Kollektiverinnerungen wie den Terroranschlag 9/11 oder die Wirtschaftskrise 2008. Die Gen Z ist eine noch recht junge Generation. Sie war es hauptsächlich, die die Bewegung „Fridays for Future“ ins Leben rief und wird deshalb auch gerne mal als „Generation Klima“ bezeichnet. Neubauer beschreibt sich selbst als „Kind einer emissiven Illusion, also einer Welt, die blind war gegenüber den eigenen Emissionen“.
Bernd Ulrich ist 1960 geboren und gehört den „Baby-Boomern“ an. Diese Generation setzt auf Bewährtes, hält sich an Regeln und ist geprägt von Idealismus, wie etwa die Wirtschaftswissenschaftlerin Jutta Oertel beschreibt. Die Baby-Boomer blicken auf reichlich Lebenserfahrung zurück. Politische Positionierung ist für sie auch bereits oft mit kollektivem Handel verbunden. Umweltprobleme wie Waldsterben und Artensterben oder die Atomkraftproblematik traten für die meisten „Boomer“ erst ab den 1980er Jahren in den Fokus.
Geprägt von unterschiedlichen Ereignissen und aufgewachsen in unterschiedlichen Welten, kommen Neubauer und Ulrich nun ins Gespräch. Dabei stellen sie den Konflikt ihrer Generationen heraus, wenn es um Ökologie und die verschiedenen Lebensbereiche geht, die davon betroffen sind. Neubauer kritisiert beispielsweise die Lebensweise der Baby-Boomer, die diese als normal empfänden, die aber eine große Ressourcenverschwendung darstelle. Die ältere Generation sei zwar informiert und zum Teil umweltbewusst, sehe aber den Klimawandel nicht als ihr Problem an. Nicht umsonst steht das Buch „Noch haben wir die Wahl“ unter dem Motto „Deine Normalität ist meine Krise – Wir müssen reden!“.
Auf der anderen Seite beschreibt Ulrich die Millennials und die Generation Z als „selbstgefällig“. Er betont, dass die Baby-Boomer genervt sein können von der jüngeren Generation, die „noch nicht genug Zeit in ihrem Leben hatten zu sündigen“ und sich „für die besseren Menschen halten“.
Die Diskussion wird geführt zwischen Aktivistin und Vize-Chefredakteur, Studentin und Familienvater, Millennial und Boomer.
Noch haben wir die Wahl: Welche Wahl denn?
Anlass für das Buch „Noch haben wir die Wahl“ ist die Brisanz einer Wende in der Klimapolitik. Der Titel nimmt Bezug auf die anstehende Bundestagswahl: 2021 endet nach 16 Jahren die Ära Merkel. Viele Parteien haben zwar das 1,5-Grad-Ziel in ihre Wahlprogramme aufgenommen, allerdings reichen die Worte der Politik und von Unternehmen nicht mehr aus. Die Menschen erwarten konkrete Taten und kein Greenwashing. Die beiden Autor:innen sprechen von einer „dreifachen ökologischen Krise“: Pandemien, Artensterben und Erderhitzung. Alle drei haben sich verschärft, sodass sich eigentlich auch die Gegenmaßnahmen verschärfen müssten. Das Urteil des Verfassungsgerichts im April 2021 zum Klimaschutzgesetz habe zudem verdeutlicht, dass es an konkreten Plänen seitens der regierenden Parteien mangele. Es ist also unklar, was die Bundesregierung tatsächlich umsetzen wird, um den Klimawandel zu bremsen. Der Klimawandel erfordert jedoch Veränderungen, damit er aufgehalten werden kann.
Es geht aber nicht nur darum, es geht auch um eine Wende im Denken und in der Lebensweise des einzelnen Menschen. „Denn nur, wenn wir jetzt zusammenkommen und die richtigen Entscheidungen treffen, haben wir auch in Zukunft noch eine Wahl“. Zudem habe die Corona-Pandemie eine neue Phase in die Klimawende in Deutschland gebracht, indem der Kampf der Fridays-for-Future-Bewegung zunächst zurückgeworfen worden sei. Die Gesellschaft stehe unter einem „ökologischen Zeitdruck“. Das Buch „Noch haben wir die Wahl“ soll die Vielfalt und Dringlichkeit der Klimakrise und der ökologischen Probleme herausstellen. Neubauer und Ulrich stellen Forderungen an die Politik und diskutieren Zukunftsfragen.
Fazit: „Noch haben wir die Wahl“ ist lesenswert!
Utopia meint: Es lohnt sich, das Buch „Noch haben wir die Wahl“ zu lesen. Du bekommst darin einen Überblick über die aktuelle politische Brisanz und die Bedeutung der Bundestagswahl 2021 für das Klima. Die verschiedenen Ansichten der Generationen, die das gesamte Buch prägen, geben nicht nur Einblick in andere Denkweisen, sondern lehren auch Verständnis.
Die lockere Dialogform, in der das Buch geschrieben ist, ist leicht zu lesen und kurzweilig. Es vermittelt ganz nebenbei Wissen über Ökologie und Politik, aber auch über andere Themen, die die verschiedenen Generationen beschäftigen. Zudem ist das Buch hochaktuell.
Natürlich gilt: Ansichten zum Thema Klimawandel lassen sich nicht pauschalisieren. Klima und auch Politik sind kritische Themen, denen gegenüber jede:r von uns einen unterschiedlichen Standpunkt vertreten darf. Aber: Ökologie ist ein bedeutsames Thema das Jahrhunderts und es ist wichtig, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen. Grundvoraussetzung ist es, zu wissen, was vor sich geht. Mit den Buch „Noch haben wir die Wahl“ kannst du mitreden und bekommst Einblick in die Argumente beider Generationen. Das Buch arbeitet nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern ist vor allem informativ und regt zum Nachdenken an.
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