Jeden Sommer die gleiche Frage: Soll es dieses Jahr "chemische" oder "mineralische" Sonnencreme sein? Welche schützt besser? Welche ist umweltverträglicher? Utopia erklärt dir, was du wissen musst.
Wir fangen gleich mit der ganzen Wahrheit an: Die Begriffe „chemische“ und „mineralische“ Sonnencreme sind in erster Linie Marketingbegriffe, mit denen vermeintlich gute (nämlich mineralische) von vermeintlich bösen (nämlich chemischen) UV-Filtern abgegrenzt werden sollen. Sieht man genauer hin, merkt man schnell, dass die Dinge nicht ganz so einfach liegen. In den Bereichen Sonnenschutz und UV-Filter geht es nämlich häufig ganz schön durcheinander.
Doch keine Sorge: Utopia sorgt für Übersicht. Wenn du diesen Artikel gelesen hast, weißt du, worauf du beim nächsten Sonnencreme-Kauf wirklich achten solltest. Und welche angeblich wichtigen Unterschiede du mit gutem Gewissen ignorieren darfst.
Wir fangen mit einem Überblick über die Bezeichnungen an. Zunächst musst du wissen: Der Begriff chemischer UV-Filter wird identisch verwendet mit dem Begriff organischer UV-Filter, aber auch mit dem Begriff löslicher UV-Filter und mit dem Begriff künstlich bzw. synthetisch hergestellter UV-Filter.
Umgekehrt sieht es nicht besser aus: Der Begriff mineralischer UV-Filter wiederum wird nämlich identisch genutzt mit dem Begriff anorganischer UV-Filter, aber auch mit dem Begriff unlöslicher UV-Filter, mit dem Begriff physikalischer UV-Filter, Bio-Filter oder Naturkosmetik-Filter. Alles unklar soweit?
Keine Sorge, wir gehen die einzelnen Bezeichnungen und Unterschiede jetzt Schritt für Schritt für dich durch und erklären, was jeweils dahintersteckt. Du wirst merken, dass manche Begriffe mehr Verwirrung stiften als Nutzen. Und vor allem, dass die Unterschiede in vielen Fällen nicht so groß sind, wie man meinen könnte. Und dass es beim richtigen Sonnenschutz auf manches ankommt – aber nicht in erster Linie auf den Unterschied zwischen chemischen und mineralischen UV-Filtern. Fangen wir an mit …
Erkenntnis 1: Mineralisch/chemisch – sagt nichts darüber, welche Filter besser sind
Mineralische UV-Filter sind tatsächlich genau das, was ihr Name andeutet, nämlich Mineralien. Oder genauer: Verbindungen von Sauerstoff und Mineralien. Bei Sonnenschutz werden bislang nur zwei solcher Filter eingesetzt, nämlich Titandioxid und immer häufiger auch Zinkoxid. Beide kommen auch in der Natur vor und sind deshalb als Wirkstoffe in der Naturkosmetik zugelassen. (Das heißt übrigens nicht, dass man Titandioxid und Zinkoxid nicht auch künstlich herstellen kann und das auch tut!)
Titandioxid und Zinkoxid werden übrigens auch häufig als Weißpigmente in Wandfarben, Lacken oder Zahnpasta verwendet, sind also – stark vereinfacht ausgedrückt – schlicht weiße Farbe. Das ist auch der Grund, warum mineralische Sonnencreme manchmal weißelt.
Die chemischen UV-Filter sind keine Mineralien, kommen in der Natur nicht vor und werden entsprechend im Labor gewonnen. Deshalb tragen sie auch den Namen „chemische“ Filter, der – wie erwähnt – vor allem zur Abgrenzung dient. Schließlich ist TiO2 (Titandioxid, ein beliebter mineralischer Filter) genauso „Chemie“ wie C24H31NO4 (DHHB, ein beliebter chemischer Filter). Und auch ein mineralischer Filter wie Titandioxid könnte, wie erwähnt, genauso gut aus dem Labor kommen wie ein chemischer Filter.
Das heißt aber auch, dass die Unterscheidung chemisch-mineralisch keine starke Aussagekraft hat. Sie besagt im Wesentlichen, dass die einen Filter, was ihre chemische Struktur betrifft, in der Natur vorkommen, die anderen nicht. Ob sie besser oder schlechter für die Haut und die Gesundheit sind, unerwünschte Risiken mitbringen oder besser vor Sonne schützen als ihr jeweiliges Gegenstück, ist mit dieser Unterscheidung nicht gesagt. Und damit auch nicht, ob du beim Sonnenschutz lieber auf die einen Filter setzen solltest als auf die anderen.
Erkenntnis 2: Organisch/anorganisch – hilft auch nicht weiter
Darüber hinaus existiert die Unterscheidung organisch/anorganisch, die wir oben bereits erwähnt haben:
- Chemische UV-Filter sind organisch, weil sie irgendwo in ihrer Summenformel mindestens ein Kohlenstoff-Atom (C) aufweisen (wie bei DHHB, das die Formel C24H31NO4 hat).
- Mineralische Filter (wie TiO2) kommen ohne Kohlenstoff aus und werden deshalb anorganisch genannt.
„Belebter“ (d.h. organisch) oder „unbelebter“ (d.h. anorganisch) werden die einen oder die anderen Filter dadurch natürlich nicht. Und auch nicht per se besser oder schlechter. Heißt: Die Unterscheidung organisch/anorganisch kannst du dir aus den bereits genannten Gründen ebenfalls sparen.
Sie sagt dir nichts über die gesundheitlichen Vor- und Nachteile eines bestimmten UV-Filters, da diese nichts damit zu tun haben, ob dieser ein Kohlenstoff-Atom mitbringt oder nicht.
Erkenntnis 3: Löslich/unlöslich – für Anwender:innen kaum relevant
Ein weiterer Unterschied hat damit zu tun, wie stark sich die jeweiligen UV-Filter in den Lösungsmitteln verteilen, auf denen jede Sonnencreme basiert. Das Hauptlösungsmittel jeder Sonnencreme ist Wasser, dazu kommen, je nach konkreter Formulierung des Produkts, beispielsweise Alkohol, Glycerin oder bestimmte Öle.
- Chemische Filter werden als löslich bezeichnet, weil sie sich in vielen Lösungsmitteln von alleine sehr gleichmäßig verteilen.
- Mineralische UV-Filter werden unlöslich genannt, weil sie sich auf molekularer Ebene nicht so gleichmäßig in ihrem Trägermaterial verteilen wie chemische UV-Filter. Deshalb findest du auf vielen mineralischen Cremes den Hinweis „Tube vor Gebrauch schütteln“ – auf Cremes mit chemischen Filtern hingegen nicht, weil er dort nicht nötig ist.
Du merkst: Auch der Unterschied löslich/unlöslich ist für dich als Anwender:in nur wenig relevant. Wenn man einmal davon absieht, dass du mineralische Sonnencreme schütteln solltest, bevor du sie aufträgst. Ob ein Produkt besser oder schlechter ist als ein anderes, findest du mit dieser Unterscheidung aber auch nicht heraus.
Auch wichtig zu wissen: Die Löslichkeit hat nichts damit zu tun, wie gut sich eine Sonnencreme auftragen lässt und wie schnell sie einzieht. Es geht dabei nicht um die Löslichkeit eines Produkts auf deiner Haut, sondern um chemische Eigenschaften der UV-Filter.
Erkenntnis 4: Chemisch/physikalisch – eine sinnlose Unterscheidung
Mineralische Filter werden auch physikalische Filter genannt. Und auch hinter dieser Unterscheidung steckt mehr Marketing als Wissenschaft. Denn: So wie alle UV-Filter, da sie Moleküle sind, eine chemische Struktur haben, beruht auch ihre Wirkung auf den Gesetzen der Physik. Das geht auch gar nicht anders. Deshalb sind „chemische“ und „physikalische“ UV-Filter immer sowohl chemisch (wenn man ihre Zusammensetzung beschreibt) als auch physikalisch (wenn man beschreibt, wie sie mit UV-Strahlung interagieren).
In diesem Zusammenhang trifft man immer wieder auf eine hartnäckige Falschmeldung: Man liest regelmäßig – auch in seriösen Medien und von offiziellen Stellen –, die physikalischen UV-Filter würden die schädliche Strahlung „wie kleine Spiegel“ hauptsächlich reflektieren oder streuen, während die chemischen Filter die UV-Strahlung hauptsächlich absorbieren. Dies ist nicht der Fall. Es ist wissenschaftlich gut belegt, dass beide Filtertypen im Wesentlichen gleich funktionieren, nämlich vor allem durch Absorption, d.h. durch das Umwandeln von schädlicher Strahlung in unschädliche Wärme.
Auch Sätze wie der, dass physikalische Filter auf der Haut verbleiben, während chemische Filter in die Haut einziehen, sind in dieser vereinfachten Form nicht zutreffend.
Die Missverständnisse rund um physikalische Filter gehen vermutlich darauf zurück, dass mineralische Sonnencreme oft zu einem gewissen „Schneemann“-Effekt führt. Man sieht also direkt nach dem Eincremen häufig ziemlich weiß aus. Das wiederum könnte zu der Annahme beigetragen haben, dass die physikalischen UV-Filter nur „oberflächlich“ wirken und UV-Strahlung zurückwerfen, als seien sie weiße Farbe oder Spiegelchen.
Viel ärgerlicher: Unser Grundproblem ist damit immer noch nicht gelöst. Denn auch die letztlich falsche bzw. missverständliche Unterscheidung chemisch/physikalisch hilft dir nicht, eine bessere von einer schlechteren Sonnencreme zu unterscheiden.
Erkenntnis 5: Bio-Sonnencreme? Begriff einfach ignorieren
Und was ist mit dem Begriff Bio-Sonnencreme, den man hin und wieder findet? Einfach: Er ist bestenfalls ein Synonym für „Sonnencreme mit Naturkosmetik-Zertifikat“ – wenn überhaupt.
Eine richtige Bedeutung hat er nicht, denn: Der Begriff „bio“ ist nur für Produkte aus der Landwirtschaft aussagekräftig, weil er dort gesetzlich geschützt ist. Das gilt vor allem Lebensmittel, wo es einen großen Unterschied macht, ob du bio kaufst oder nicht.
Überall anders kann jede:r den Begriff „Bio“ benutzen, wie es ihr oder ihm passt. Du kannst ihn in Bezug auf Sonnencreme also getrost ignorieren.
Erkenntnis 6: Naturkosmetik-Siegel – macht einen Unterschied
Anders sieht es mit einem seriösen Naturkosmetik-Siegel aus. In Bezug auf Sonnenschutz sagt dir ein Naturkosmetik-Zertifikat zum einen, dass du ausschließlich mineralische UV-Filter bekommst (die, wie erwähnt, nicht besser oder schlechter sein müssen als chemische).
Zum anderen kannst du bei einem Anbieter, der seine Produkte mit einem Naturkosmetik-Siegel auszeichnet, häufig davon ausgehen, dass du ein insgesamt nachhaltigeres Produkt erwirbst.
Denn: Seriöse Naturkosmetik-Anbieter haben oft höhere Standards als konventionelle Hersteller, was die Nachhaltigkeit, Umweltverträglichkeit und Fairness in Bezug auf Lieferketten, Herstellungs- und Arbeitsbedingungen angeht.
Erkenntnis 7: Die richtige Sonnencreme finden – darauf kommt es wirklich an
Jetzt haben wir dir viel darüber erzählt, welche (falschen) Unterscheidungen dir nicht helfen, die perfekte Sonnencreme zu finden. Nur: Worauf solltest du denn jetzt wirklich achten, wenn du vor dem Sonnenschutz-Regal stehst? Hier die Antworten.
Die folgenden Tipps helfen dir deutlich mehr als die ganze „Chemisch vs. mineralisch“-Diskussion:
1. Die UV-Filter Octocrylen und Homosalat vermeiden. Diese beiden chemischen Filter stehen in der Kritik, weil sie potenziell gesundheitsschädlich sein und negative Umweltauswirkungen haben können. Die gute Nachricht: Beide kommen in Produkten hierzulande kaum mehr vor, sodass sie im Handel fast nicht mehr anzutreffen sind. Trotzdem lohnt sich mitunter ein Blick auf die INCI-Liste.
2. Beim UV-Filter DHHB selbst entscheiden. Der chemische Filter mit dem komplizierten Namen Diethylamino hydroxybenzoyl hexyl benzoat (kurz: DHHB) ist in Sonnenschutz-Produkten zurzeit noch weit verbreitet.
In letzter Zeit ist DHHB allerdings in Kritik geraten, weil vermutet wird, dass er mit dem verbotenen Weichmacher DnHexP verunreinigt sein kann: Sowohl Öko-Test als auch Stiftung Warentest haben 2024 in vielen Cremes, die DHHB als UV-Filter nutzen, auch DnHexP nachgewiesen und die Produkte entsprechend mit einem Notenabzug versehen. Nach aktuellem Forschungsstand geht von den gefundenen Gehalten an DnHexP allerdings keine gesundheitliche Gefährdung aus.
Ob du Produkte mit DHHB meiden möchtest oder nicht, musst du deshalb selbst entscheiden.
Mineralische vs. chemische Sonnencreme: Unsere Tipps
3. Beim UV-Filter Titandioxid selbst entscheiden. Auch Titandioxid, das zurzeit als Filter in den meisten mineralischen Sonnencremes steckt, ist nicht unumstritten. In Lebensmitteln ist das Weißpigment verboten, weil es möglicherweise das Erbgut verändert, in Kosmetik ist es erlaubt. Den aktuellsten Hintergrund-Artikel zu Titandioxid in Sonnencremes findest du zurzeit (d.h. im Juli 2024) in Öko-Test 06/2024. Ob du Produkte mit Titandioxid meiden möchtest oder nicht, musst du ebenfalls selbst entscheiden.
Tipp: Wie erkennst du die Filter, die unter 1. bis 3. genannt wurden, möglichst leicht? Wir empfehlen dir die App CodeCheck, mit der du direkt im Drogeriemarkt den Barcode jedes Produkts scannen kannst. Enthält eine Creme Octocrylen, Homosalat oder Titandioxid, zeigt die App diese automatisch als „bedenklich“ an. Nur DHHB wird (noch) als „unproblematisch“ ausgewiesen.
4. Bei Sonnencreme auf Test-Sieger setzen: Bei einer guten Sonnencreme kommt es nicht nur darauf an, ob die enthaltenen UV-Filter als sicher eingestuft sind. Eine Creme sollte zudem den angegebenen UV-Schutz einhalten, frei von Kunststoffverbindungen sein, ohne Greenwashing auskommen und vieles mehr.
Unser Tipp deshalb: Sieh dir vor dem Kauf die jeweils aktuellen Sonnencreme-Testsieger für Kinder und die Sonnencreme-Testsieger für Familien an. So erfährst du, welche Produkte auch wirklich auf ganzer Linie empfehlenswert sind – und nicht nur in Bezug auf die enthaltenen UV-Filter.
PS: Auch auf dem österreichischen Markt wurden 2024 Sonnencremes getestet.
Chemische oder mineralische Sonnencreme: Was am wichtigsten ist
5. Immer, immer eincremen – egal womit. Dieser letzte Tipp ist zugleich der wichtigste. Und das, was du aus diesem Artikel auf jeden Fall mitnehmen solltest. Denn: Das größte Gesundheitsrisiko im Zusammenhang mit Sonnencreme sind nicht irgendwelche UV-Filter.
Es ist Sonnenbrand, der irreparable Schäden hinterlässt und das Hautkrebs-Risiko nach oben treibt!
Deshalb gilt: Egal ob Testsieger oder nicht, ob chemische oder mineralische UV-Filter, ob teures oder billiges Produkt … – immer großzügig und regelmäßig eincremen und dich nach den bekannten Regeln vor der Sonne schützen. Hier haben wir die wichtigsten Tipps noch mal für dich zusammengefasst:
- Mittagssonne meiden
- Regelmäßig Schatten suchen
- Kopfbedeckung tragen
- Sonnencreme richtig auftragen: So geht’s
- Diese 8 Stellen werden beim Eincremen oft vergessen
- Schnell braun werden: Warum das keine gute Idee ist
Weiterlesen auf Utopia.de:
- Sollten Erwachsene Kinder-Sonnencreme verwenden?
- Wird man trotz Sonnencreme braun?
- Bio-Sonnencreme: Wirksamer Schutz ohne Risiko?
Überarbeitet von Lino Wirag
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