In Drogeriemärkten in ganz Deutschland finden sich zurzeit Lücken in den Regalen: Desinfektionsmittel sind vielerorts ausverkauft. Auch im Internet ist die Nachfrage nach Sagrotan & Co. hoch.
Was viele Konsument*innen aber nicht wissen: Einige Desinfektionssprays und -gele für die Hände können gegen das Coronavirus wohl nichts ausrichten. Das ist nicht die Schuld der Hersteller, obwohl diese zurzeit auch nicht viel dazu beitragen, die Bevölkerung aufzuklären.
Der Grund: Einige Desinfektionssprays, -gele oder -tücher für die Hände richten sich vor allem gegen Bakterien. Im Bezug auf Viren (zu denen das Coronavirus zählt) sollten Hand-Desinfektionsmittel aber mindestens den Zusatz „begrenzt viruzid“ tragen oder zu rund zwei Dritteln aus Alkohol (Ethanol/Propanol) bestehen, um sicher zu wirken.
Nicht alle Hand-Desinfektionsmittel werden empfohlen
Das Robert Koch-Institut (RKI) teilt mit, dass man bei Desinfektionsmitteln – egal ob für Hände, Oberflächen oder Gegenstände – nur dann von einer „nachgewiesenen Wirksamkeit“ ausgehen dürfe, wenn auf ihnen der Wirkungsbereich „begrenzt viruzid“ (= wirksam gegen behüllte Viren), „begrenzt viruzid PLUS“ oder „viruzid“ angegeben sei. Das RKI bewertet Informationen rund um das neue Virus.
Das Institut hat dazu eine Liste mit (eigens überprüften) Mitteln zur Verfügung gestellt, die sich aber vor allem an Fachpersonal richtet und nicht einfach zu lesen ist. Hinzu kommt: Bekannte Hand-Desinfektionsmittel wie die von Sagrotan oder vergleichbare Eigenmarken-Produkte von dm, Müller oder Rossmann (die Verbraucher*innen häufig schon kennen oder zu Hause haben) finden sich auf der RKI-Liste nicht, sondern vor allem Präparate für den medizinischen Fachgebrauch.
Außerdem stammt die RKI-Liste bereits aus dem Jahr 2017, sodass sich Rezepturen von Desinfektionsmitteln geändert haben können. Das Mittel „Kodan Tinktur Forte“ beispielsweise wird vom Hersteller zwar als „begrenzt viruzid“ beworben, von der RKI-Liste aber nicht in diesem Wirkungsbereich aufgeführt.
Die Apothekerzeitung empfiehlt reichlich Alkohol
Die Deutsche Apothekerzeitung (DAZ) gibt zu Hand-Desinfektionsmitteln ähnliche, aber nicht ganz identische Empfehlungen wie das RKI. Weil Coronaviren zu den sogenannten behüllten Viren gehören, sind zur Händedesinfektion laut DAZ Mittel wirksam, die einen Ethanolgehalt von mindestens 62 Prozent aufweisen. Auch Mittel auf Propanol-Basis mit der Auszeichnung „begrenzt viruzid“ (die auch das RKI empfiehlt) „funktionieren wohl“, wie die DAZ etwas vage schreibt. Beide DAZ-Ratschläge basieren auf einem hohen Alkoholgehalt in Form von Ethanol bzw. Propanol.
Auch die World Health Organization (WHO) empfiehlt neben gründlichem Händewaschen „alcohol-based hand rub“ (d.h. alkoholbasierte Mittel) zur Hand-Desinfektion. Auch die Rezepte, die das WHO zur Verfügung gestellt hat, um selbst Desinfektionsmittel herzustellen, basieren auf viel Alkohol (in Form von Ethanol bzw. Propanol).
Diese Hand-Desinfektionsmittel sind wirksam
Worauf sollen Verbraucher*innen nun vertrauen? Welche Mittel zur Hand-Desinfektion sind zu empfehlen?
Kombiniert man die Empfehlungen von RKI, DAZ und WHO – viel Ethanol (62 Prozent und mehr) und/oder mindestens die Bewertung „begrenzt viruzid“ bzw. „wirksam gegen behüllte Viren“ – sind die folgenden Produkte zur Händedesinfektion aus dem Handel zu empfehlen (Angaben jeweils laut Hersteller):
- Aveo Med Hände Desinfektion (Müller) – begrenzt viruzid
- Impresan Händedesinfektion – begrenzt viruzid
- Preven’s Paris Medizinische Desinfektionsgel (Rossmann) – wirksam gegen behüllte Viren
- Sagrotan Desinfektion Handgel (Aloe Vera oder Kamille/Lotus) – 63 % Ethanol
- Sagrotan Med Sprühdesinfektion – begrenzt viruzid PLUS
- Sodasan Händedesinfektion (Spray) – 72 % Ethanol, wirksam gegen behüllte Viren
- Sonett Händedesinfektion – 63 % Ethanol, wirksam gegen behüllte Viren
- SOS Desinfektion Hand-Gel – 63 % Ethanol, begrenzt viruzid
- SOS Desinfektions-Tücher Hände + Flächen – begrenzt viruzid
- SOS Desinfektions-Spray Hände + Flächen – begrenzt viruzid
- SOS Hände-Desinfektion flüssig – 65 % Ethanol, begrenzt viruzid
- SOS Medizinische Desinfektion – begrenzt viruzid
Diese Produkte zur Händedesinfektion erfüllen die genannten Bedingungen hingegen nicht, weil sie nur gegen Bakterien wirken:
- Balea Hygiene-Handgel (Spender)
- Balea Hygiene Reinigungstücher
- Balea Reinigendes Handgel (mit Anhänger)
Das bedeutet nicht, dass die Produkte auf dieser zweiten Liste nicht helfen würden, Krankheiten vorzubeugen! Sie säubern die Hände und vermindern damit ein Ansteckungsrisiko. Sie tragen nur nicht dazu bei, das Coronavirus im Speziellen zu deaktivieren.
** Update August 2020: dm hat die Formel seines Hygiene-Handgels, das es jetzt in der Tube gibt (rechts im Bild), inzwischen angepasst. Es wirkt jetzt auch gegen behüllte Viren. Die oben abgebildeten Reinigungstücher und das Hygiene-Handgel im Spender sind aber weiter in der alten Form (d.h. nur anti-bakteriell) erhätlich. **
Außerdem gilt: Beide Listen sind unvollständig (schreib für Ergänzungen an [email protected]). Um vor dem Regal eine gute Wahl zu treffen, orientiere dich an den genannten Kriterien „mindestens 62 % Ethanol“ und/oder „mindestens begrenzt viruzid/wirksam gegen behüllte Viren“.
Auch sind auf beiden Listen keine Produkte aufgeführt, die zur Desinfektion von Oberflächen oder Gegenständen gedacht sind. Solche Mittel solltest du nicht auf der Haut anwenden.
Hand-Desinfektion ist meistens nicht nötig
Vielen Verbraucher*innen dürften unsere Listen zurzeit ohnehin nicht viel helfen, weil die Regale mit Desinfektionsmitteln leergefegt sind. Wirksame Produkte sind genauso vergriffen wie weniger wirksame.
Glücklicherweise besteht kein Grund zur Panik. Denn: Das einfachste Mittel gegen das Coronavirus ist immer noch gründliches Händewaschen. Nur wenn in deinem Umfeld besonders infektionsanfällige Menschen leben, empfiehlt sich anstelle von Händewaschen (oder zusätzlich dazu) die Händedesinfektion.
Gründliches und regelmäßiges Händewaschen mit Wasser und Seife senkt die Anzahl der Keime an den Händen auf bis zu ein Tausendstel. In vielen Studien wurde bestätigt, dass Händewaschen die Häufigkeit von Infektionskrankheiten senkt. Der Grund: Die Waschsubstanzen lösen Schmutz und Mikroben von der Haut, das Wasser spült sie fort.
Dazu kommt: Zu häufiges Desinfizieren mit scharfen Substanzen ist außerdem nicht gut für die Hände. Expertin Veronika Simon sagte dem SWR dazu: „Wenn man zu oft die Hände desinfiziert, ist das nicht gut für die Haut. Sie kann rissig und trocken werden und man tötet eben nicht nur die krankmachenden Viren, sondern alle Keime und Bakterien, die sonst ganz natürlich auf einer gesunden Haut leben und auch Teil der natürlichen Barriere sind.“ Auch sie empfiehlt: „In den meisten Fällen reicht das normale Händewaschen aus.“
Ein letzter Grund: Wirksame Desinfektionsmittel werden zurzeit vor allem an einem Ort gebraucht – in Krankenhäusern, Arztpraxen und Kliniken. Die Direktorin des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin an der Charité Berlin, hat Konsument*innen bereits dazu aufgerufen, weniger Desinfektionsmittel zu kaufen, weil diese den Beschäftigten im Gesundheitswesens fehlen. Dort werden sie aber am dringendsten gebraucht.
Hände desinfizieren: Das sind Alternativen
Wer dennoch nicht auf die Händedesinfektion verzichten möchte, kann sich bei einem Klassiker bedienen, der in Drogeriemärkten und anderswo zurzeit noch gut zu haben ist: Melissengeist und vergleichbare Mittel zur Selbstmedikamentation mit viel Alkohol.
„Klosterfrau Melissengeist“ mit 79 % Alkoholgehalt reicht beispielsweise als Ersatz-Desinfektion für die Hände vollkommen aus und ist zudem für die äußere Anwendung zugelassen. Andere Melissengeist-Hersteller (mit mind. 63 % Ethanol) findet ihr z.B. bei Amazon**.
Desinfektionsmittel selbst machen? Lieber nicht
Im Internet kursieren zahlreiche Anleitungen dazu, wie man Desinfektionsmittel für die Hände selbst herstellen kann. Sie finden sich auf auch seriösen Seiten. Meistens handelt es sich dabei um ein Rezept, das die WHO für den Einsatz in Gebieten entwickelt hat, in denen es an professionellen medizinischen Produkten mangelt.
Die Apothekerkammer Berlin hat nun davor gewarnt, Desinfektionsmittel selbst herzustellen. „Für die Herstellung werden feuergefährliche Chemikalien benötigt, deren Verwendung aus guten Gründen reguliert ist“, so Kerstin Kemmritz, Präsidentin der Apothekerkammer: „Hantieren Sie nicht selber mit solchen Chemikalien und bringen Sie sich und andere damit nicht in Gefahr.“
Natürlich möchten die Apotheken mit dieser Warnung auch ihr eigenes Geschäft schützen. Wir schließen uns aber dem Hinweis an, dass du nicht leichtfertig mit Chemikalien hantieren solltest – zumal regelmäßiges, gründliches Händewaschen in den meisten Fällen vollkommen ausreicht.
Hände richtig desinfizieren
Zu guter Letzt: Wie man sich die Hände richtig desinfiziert, zeigt dieses Video:
Hinweis: In einer früheren Version des Artikels tauchte Sagrotan Desinfektion Handgel versehentlich in beiden Listen (empfohlen/nicht empfohlen) auf. Das Produkt enthält 63 % Ethanol und gehört damit aber nur zu den Empfehlungen. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.
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