Dematerialisierung ist ein Teil der allgegenwärtigen Digitalisierung unseres täglichen Lebens. Sie hat das Potenzial, die Umwelt zu entlasten und zu mehr Nachhaltigkeit beizutragen. Wie das funktionieren kann, liest du hier.
Unter dem Prozess der Dematerialisierung kannst du dir eine Umwandlung physischer Produkte, Dienstleistungen und Jobs in ihre digitalen Versionen vorstellen. Außerdem geht sie auf die von Menschen verursachten Stoffströme zurück. Stoffströme umfassen alle Schritte und Prozesse, welche ein Stoff von seiner Gewinnung als Rohstoff über die Verarbeitung bis hin zum Endprodukt und dann letztlich seiner Entsorgung durchläuft. Die verursachten Stoffströme müssen reduziert werden, denn zurzeit nutzen 20 Prozent aller Menschen 80 Prozent der existierenden Ressourcen und sind für die damit verbundenen Stoffströme verantwortlich. Bei den Ressourcen kann es sich hier sowohl um Rohstoffe, als auch Arbeitsplätze oder Dienstleistungen handeln.
Diese enormen Stoffströme, die alleine dieser kleine Teil der Menschheit verursacht, haben problematische ökologische Folgen und verbrauchen die begrenzten Ressourcen der Erde. Um diese Effekte umzukehren und den Verbrauch dieser Ressourcen zu verringern, sollen die Stoffströme durch Dematerialisierung reduziert und weniger Ressourcen verbraucht werden. Bei Dematerialisierung geht es vor allem darum, dass die Volkswirtschaft, also Unternehmen, ihre Verwendung von Ressourcen ändern und dies nicht auf die Verbraucher abgewälzt wird.
Ihren Ursprung hat die Dematerialisierung in den 90er Jahren. Damals hat Friedrich Schmidt-Bleek, Physiker und Umweltforscher, das Konzept der Dematerialisierung erstmals formuliert. Er war der Meinung, dass sich die Stoffströme insgesamt um ungefähr die Hälfte reduzieren müssten, bis ein nachhaltiges Niveau erreicht würde. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten Industrienationen ihre Stoffströme um den Faktor 10 reduzieren – also auf ein Zehntel des aktuellen Umfangs. Bleek forderte somit eine Dematerialisierung um den Faktor 10.
Beispiele für Dematerialisierung und was sie bewirken kann
Es gibt verschiedene Beispiele, die den Prozess der Dematerialisierung deutlich machen. Dazu zählen etwa bestimmte Apps für Smartphones und Tablets, die physische Prozesse ersetzen. Ein konkretes Beispiel dafür sind Ticket-Apps, bei denen du dein Ticket online statt am Schalter kaufst. Dadurch fallen verschiedene Ressourcen weg, die normalerweise beim Kauf eines Tickets nötig sind – unter anderem Ticketverkäufer:innen oder der Drucker, der das Ticket druckt. Andere Beispiele für solche Apps sind zum Beispiel Airbnb, Amazon und Ebay, die in vielen Bereichen auf direkten Kundenkontakt und somit auch auf Materialaufwand und Arbeitsplätze verzichten.
Ein anderer Bereich, in dem Dematerialisierung eine Rolle spielt, ist die Finanzbranche. Immer häufiger schließen Banken physische Filialen und wickeln den Großteil ihres Kundenservice und andere Dienstleistungen online ab. Sie verlagern somit ihren Geschäftsschwerpunkt auf den digitalen Raum. Einige Banken werden sogar zu kompletten Onlinebanken. Sie sparen so unterschiedliche Ressourcen ein – sowohl Materielle als auch Arbeitsplätze.
Dematerialisierung kann insgesamt einiges bewirken. Neben der bereits genannten Reduzierung der Stoffströme kann effektiv umgesetzte Dematerialisierung auch dazu führen, dass der Material- und Energieverbrauch sich verringern. Außerdem hat sie das Potenzial, den Verbrauch natürlicher Ressourcen zu verringern und diese damit zu schonen. Ideal umgesetzt ist es durch Dematerialisierung sogar möglich, menschliche Bedürfnisse in gleichbleibendem Maß zu erfüllen und dabei eine Reduzierung der Umweltbelastungen zu erreichen.
So kann Dematerialisierung zu mehr Nachhaltigkeit beitragen
Dematerialisierung kann also dazu beitragen, dass weniger Ressourcen verbraucht werden und Stoffströme sich reduzieren. Ein geringerer Ressourcenverbrauch und die damit verbundene Ressourcenschonung erhöhen die Nachhaltigkeit in der Produktion von Produkten.
Da die Dematerialisierung einen so starken digitalen Fokus hat, ist es auch wichtig, dass bereits verwendete Ressourcen stärker wieder aufgearbeitet werden. Ein gutes Beispiel dafür sind Mobiltelefone: Sie verbrauchen in der Produktion viele Ressourcen, besonders seltene Erden. Diese Erden sind nicht uneingeschränkt verfügbar und auch nicht so einfach abzubauen. Es gibt aber viele alte Geräte, in denen diese Rohstoffe schon verbaut sind. Durch vermehrtes Recycling ließe sich die Wiederverwendung dieser Rohstoffe vorantreiben. So würden neue Produkte hergestellt, die dann wiederum die Dematerialisierung vorantreiben könnten. Somit wäre auch der Umgang mit digitalen Ressourcen deutlich nachhaltiger.
Probleme durch Dematerialisierung
Neben ihren Vorteilen bringt die Dematerialisierung auch Probleme und Kritikpunkte mit sich. Eine ihrer Kehrseiten ist etwa, dass die digitale Umwandlung vieler Produkte dazu führen könnte, dass ganze Wirtschaftszweige und traditionelle Wertschöpfungsketten verschwinden. Gerade die deutsche Wirtschaft wäre von dieser Entwicklung stark betroffen, denn die Nachfrage nach Maschinen und Anlagen würde im Zug der Dematerialisierung weltweit sinken. Zusätzlich würde die Entwicklung auch die Automobilindustrie treffen: Hier gibt es immer mehr Innovationen wie autonomes Fahren, vernetzte Verkehrssysteme und Shared Economy. Die Nachfrage nach traditionellen Autos würde somit sinken. Beide Bereiche stehen also vor der Herausforderung, sich neu zu positionieren, um ihre Position halten zu können.
Ein weiteres Problem besteht darin, dass die Dematerialisierung von der Politik nicht wirklich gesehen wird. Vor allem die mit der Dematerialisierung einhergehende Digitalisierung wird von der Politik immer noch weitgehend ignoriert. Statt sie durch Subventionen und ähnliche Maßnahmen zu fördern und Innovationen voranzutreiben, wird weiterhin die traditionelle Industrie unterstützt. Dieser Fokus auf die Industrie könnte in Zukunft große Folgen für Deutschland haben und es seine Führungsrolle als Ingenieurs- und Exportnation kosten. Denn wenn nicht in die wachsenden wirtschaftlichen Bereiche investiert wird, wird Deutschland in Zukunft im Wettbewerb nicht mehr mithalten können.
Neben diesen beiden Problemen ist für die benötigte Dematerialisierung außerdem eine gut funktionierende und ausgestattete digitale Infrastruktur nötig. Diese ist in Deutschland noch nicht gegeben und wird aufgrund der erwähnten Investitionen an anderer Stelle wahrscheinlich auch nicht in naher Zukunft vorhanden sein. Außerdem sind für die Herstellung digitaler Produkte grundsätzlich viele wertvolle Ressourcen nötig – was dann wieder gegen den Kerngedanken der Dematerialisierung gehen würde.
Schließlich besteht in Verbindung mit der Dematerialisierung auch das Problem, dass sie einen großen Einfluss auf den Arbeitsalltag haben könnte. Dadurch, dass viele Jobs und damit verbundene Arbeitsschritte digital ablaufen würden, hätten etliche Menschen keine Arbeit mehr. Dies könnte sogar 50 Prozent der Menschen betreffen.
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