Das Herz ist grün, das Verhalten oft nicht. Woran liegt’s? Ein wichtiger Grund: Viele Menschen tappen immer wieder in Denkfallen hinein. Wenn du es schaffst, diese zu erkennen und zu überwinden, kannst du nachhaltiger leben.
Es kann viele Momente geben, in denen du dich gegen den Schutz der Umwelt entscheidest – obwohl du sie eigentlich schützen willst: Wenn du das Billig-T-Shirt kaufst, die Fernreise per Flugzeug buchst, oder ein Konto bei der Großbank eröffnest. Eigentlich bewerten die Menschen in Deutschland den Umwelt- und Klimaschutz mehrheitlich als sehr wichtiges Thema. Dennoch produzieren und verbrauchen sie mehr als die Erde vertragen kann. Das belegt der Blick in die aktuelle Umweltbewusstseinsstudie des Umweltbundesamtes. Aber wie kann es sein, dass wir so oft gegen unsere eigene Einstellung handeln?
Ein wichtiger Grund: Menschen fallen immer wieder auf bestimmte Denkfallen herein. Utopia zeigt dir fünf dieser Fallen, woran du sie erkennst und wie du sie umgehen kannst.
Die Egofalle
Umweltfreundliches Verhalten hat oft einen Haken: Die Kosten spürst du sofort, die Vorteile hingegen meist nur indirekt – wenn überhaupt. Das kann zu einem Problem werden, wenn du vorrangig auf deinen eigenen Nutzen achtest. Dann wird es dir zum Beispiel schwer fallen, mehr Geld für ein T-Shirt auszugeben, „nur“ weil die Baumwolle ökologisch angebaut worden ist. Denn das hilft nicht in erster Linie dir selbst, sondern vor allem der Natur und den Arbeiter:innen weit weg.
Ist Nachhaltigkeit als Verhaltensanreiz also zu schwach für jemanden, der eher eigennützig denkt? Nicht unbedingt. Man könnte nämlich für sich umdeuten, was einem selbst am meisten nützt – und erkennen, dass nicht möglichst „viel“ oder „günstig“ im Eigeninteresse ist, sondern ein höheres individuelles Wohlbefinden.
Genau das möchte Marcel Hunecke erreichen, Autor („Psychologie der Nachhaltigkeit“) und Umweltpsychologe an der Fachhochschule Dortmund. Er berichtet im Gespräch mit unserem Autor: Er will Menschen dazu befähigen, selbst zu erkennen, wie sie durch nachhaltiges Verhalten zugleich ihr eigenes Wohlbefinden steigern können. Deshalb ermuntert er jede und jeden, sich mit sechs grundlegenden Fähigkeiten auszustatten: Genussfähigkeit, Achtsamkeit, Selbstakzeptanz, Selbstwirksamkeit, Sinngebung und Solidarität. Wie so etwas im echten Leben aussieht, beschreibt er am Beispiel der Genussfähigkeit. In Genusstrainings könne man etwa lernen, auf die Qualität eines Erlebnisses zu achten und stärker wertzuschätzen. So erlebe man auf einer sinnlichen Ebene, dass weniger auch mehr sein kann.
Was hieße das für den T-Shirt-Kauf? Du könntest erkennen, dass es dir eher nützt, in ein hochwertiges Exemplar zu investieren, das dafür aber auch länger hält und von dem du weißt, dass es unter Bedingungen hergestellt worden ist, die mit deinen Werten übereinstimmen. Oder ganz auf den Kauf verzichten.
Die Selbstvertrauensfalle
Fast acht Milliarden Menschen gibt es auf der Erde. Macht es da einen Unterschied, wie ich mich verhalte? Gerade im Umweltschutz kann schnell das Gefühl aufkommen, dass die eigenen Handlungen nur ein Tropfen auf den heißen Stein sind, schreibt die Umweltpsychologin Karen Hamann in ihrem Buch „Psychologie im Umweltschutz“. Solche Zweifel können Menschen demotivieren. Warum sich anstrengen, wenn das eigene Handeln eh keine Auswirkung hat?
Wie kommt man aus dieser gedanklichen Abwärtsspirale wieder heraus? Es hilft, die gegenteilige Erfahrung zu machen. Menschen müssen erleben und spüren, dass sie etwas bewirken können. Wenn sie die notwendigen Fähigkeiten erwerben, um sich nachhaltig zu verhalten, dann weicht der Zweifel einer neuen Zuversicht – von Umweltpsycholog:innen wird dieses Vertrauen in sich selbst als Selbstwirksamkeit bezeichnet. Lerne ich zum Beispiel in einem Repair Café, wie sich in elektrischen Geräten ein defektes Teil austauschen lässt, kann ich meinen Staubsauger oder das Radio länger nutzen. Und muss nichts Neues kaufen. Dinge zu reparieren, ist für die eigene Kasse und die Umwelt oft die beste Lösung. Expert:innen raten auch dazu, sich Gruppen Gleichgesinnter anzuschließen, um sich selbstwirksam zu fühlen.
Die Routinefalle
Bis zu 50 Prozent unseres Verhaltens bestehen aus Gewohnheiten. Damit meinen Psycholog:innen über lange Zeit erworbene Verhaltensmuster, die mit einer bestimmten Situation verbunden sind. Sich routiniert zu verhalten, ist bequem. Anders zu handeln, ist hingegen mit einem Aufwand verbunden, weil es mentale Kraft erfordert. Zur Denkfalle werden Routinen dann, wenn wir ihretwegen an einem umweltschädlichen Verhalten festhalten. Wenn wir weiterhin mit dem Auto zur Arbeit fahren, möglichst billige Lebensmittel einkaufen, Klamotten shoppen, die höchstens eine Saison halten.
Wie kannst du aus dieser Routinefalle ausbrechen? Dazu musst du gezielt Situationen verändern – und aktiv neue Routinen gestalten. Du könntest dir zum Beispiel ein Monatsticket für den öffentlichen Nahverkehr kaufen und jeden Morgen mit dem Bus zur Arbeit fahren. Oder bei einem Ökohof eine Biokiste mit frischen Lebensmitteln bestellen, die regelmäßig geliefert wird. Oder dich bei einer Online-Plattform für Vintage- und Second-Hand-Kleidung anmelden. Solche Aktionen helfen dir, aus deinen Routinen auszubrechen. Und neue, nachhaltige Gewohnheiten aufzubauen.
Mehr dazu: Gewohnheiten ändern: 4 Tipps für neue Handlungsmuster
Die Überzeugungsfalle
Wir alle haben bestimmte Überzeugungen, die uns leiten und Orientierung geben. Menschen fühlen sich überzeugt, wenn sie für sich persönlich genügend Argumente und Belege für einen Sachverhalt gesammelt haben. Wissen, Emotionen, Erfahrungen und vieles mehr festigen unsere Überzeugungen. Das macht sie so stabil – aber auch zur Falle, wenn wir ihnen blind vertrauen. Dann verhindern sie, dass wir uns mit alternativen Argumenten ernsthaft auseinandersetzen.
Davor sind übrigens auch Profis nicht geschützt, wie der Journalist Ferdinand Knauß in seinem Buch „Wachstum über alles?“ festgestellt hat. Dass für unseren Wohlstand die Wirtschaft dauernd wachsen muss, ist eine mächtige Überzeugung und in unserer Gesellschaft weit verbreitet. Dabei gibt es berechtigte Zweifel an dieser Sichtweise. Laut Knauß sei wachstumskritisches Denken jedoch nur selten in den Politik- und Wirtschaftsressorts der großen Medien zu finden.
Wie kannst du dich also gegen die Überzeugungsfalle wappnen? Indem du deine Überzeugungen immer wieder in Frage stellst und aufgeschlossen bleibst für neues Wissen und neue Erfahrungen. Mehr zur Wachstumskritik erfährst du zum Beispiel in den Klassikern von Niko Paech („Befreiung vom Überfluss“) oder Tim Jackson („Wohlstand ohne Wachstum“). Aber du kannst auch in Filmen („System Error“), digitalen Ringvorlesungen oder auf Workshops mehr über Postwachstum und Degrowth erfahren.
Die Rückschrittsfalle
Viele von uns möchten gern nachhaltiger leben. Aber oft fehlt es (vermeintlich) an Geld, Zeit oder bestimmten Fertigkeiten. Gründe, die uns davon abhalten, gibt es viele. Die Gefahr dabei: Sobald du keine realistische Möglichkeit siehst, dein Leben an deinen Werten auszurichten, lauert die Rückschrittsfalle auf dich. Aus Enttäuschung könntest du versucht sein, anstatt dein Verhalten einfach deine Werte neu ausrichten. Gibst du der Versuchung nach, ist der Umweltschutz künftig vielleicht weniger wichtig für dich. Um auf das Beispiel mit dem T-Shirt zurückzukommen: Dann könntest du wahrscheinlich damit leben, das günstige, aber garantiert nicht nachhaltig hergestellt Produkt zu kaufen – eine Entscheidung zulasten der Umwelt und Arbeiter:innen in den Produktionsländern.
Um das zu verhindern, kann sich jede und jeder ehrlich fragen: Was fehlt mir wirklich, damit ich mich umweltfreundlich verhalte? Weiß ich genug über ein ökologisches Problem? Kenne ich alternative Lebens- und Verhaltensweisen, die sich bewährt haben? Orientiere ich mich an den richtigen Vorbildern? Oder ist mir der Aufwand zu hoch? Du könntest dir zum Beispiel dein T-Shirt auch im Second-Hand-Laden kaufen um Geld zu sparen oder erst einmal gut überlegen, ob du wirklich ein neues T-Shirt brauchst – oder ob du dich durch den Kauf einfach nur für den Moment gut fühlen willst. Indem du auf den Kauf verzichtest, befreist du dich aus der Situation, dich zwischen den Kosten und deinen Werten entscheiden zu müssen.
Welchen Weg du auch immer gehst, um dein Verhalten nachhaltiger zu gestalten – es lohnt sich für die Umwelt und für dich selbst. Aus der psychologischen Forschung weiß man: Wer es schafft, sein Handeln mit den eigenen Werten in Einklang zu bringen, wird sich entspannen und wohler fühlen.
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