Welche Reichweite Elektroautos ohne Aufladen zurücklegen können, das war noch vor wenigen Jahren eine ganz große Frage. Inzwischen haben die Hersteller mit Batterien aufgerüstet und schaffen im Zweifel auch 600 km und mehr. Jetzt stellt sich die Frage nach dem Preis des langen Atems: Stimmt dann die Nachhaltigkeit noch?
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Die Umstellung auf Elektroautos kommt nur zögernd in Schwung. Zwar liegen sie nicht wie Blei in Regalen, aber man reißt sie den Herstellern auch nicht gerade aus den Händen. Gründe dafür gibt es gar nicht viele: Sie sind erstens scheinbar teuer (real nur in der Anschaffung, im Betrieb kann ein E-Auto günstiger sein – siehe Elektroauto-Kosten), und zweitens fürchten noch immer viele, wegen einer zu geringen Reichweite auf der Strecke zu bleiben.
Top 10: Elektroautos mit der größten Reichweite
Diese Sorge ist reichlich unbegründet. Vor allem die Anbieter schwerer Luxus-Limousinen und SUVs bauen inzwischen derart große Batterien in ihre Autos ein, dass niemand mehr fürchten muss, auf halbem Weg liegen zu bleiben. Allerdings ist den Reichweitenangaben der Hersteller nicht immer zu trauen, so dass der ADAC sich das regelmäßig anschaut und daher gemessene Elektroauto-Reichweiten angeben kann. Hier die Top 10 des ADAC Ecotest nach Reichweite:
- BMW iX xDrive 50: 610 km Reichweite
- Lucid Air Dual Motor Grand Touring AWD: 610 km
- Mercedes-Benz EQS 450+ Electric Art: 575 km
- Hyundai Ioniq 6 (77,4 kWh) UNIQ-Paket 2WD: 555 km
- Mercedes EQE SUV 350+ Electric Art Advanced: 555 km
- BMW i7 xDrive 60: 545 km
- Mercedes EQS 580 Electric Art 4Matic: 530 km
- Mercedes-Benz EQE 350+: 530 km
- Polestar 2 Longe Range Single Motor (82 kWh): 530 km
- NIO ET5 Touring (100 kWh): 515 km
Die empfehlenswerte ADAC Ecotest-Übersicht listet inzwischen fast 90 Modelle von Elektroautos und ihren Reichweiten. Doch schon bei den oben ausgewählten Top 10 wird klar: Niemand muss sich Sorgen machen, nicht von A nach B zu kommen. Das gilt selbst bei Reisen, die über diesen Reichweiten liegen: Beim BMW iX xDrive 50 dauert es zum Beispiel nach Herstellerangaben per Gleichstrom-Schnellladen weniger als 40 Minuten, ihn von 10 auf 80 Prozent seiner Gesamtkapazität zu laden – und ein Päuschen auf Langstrecken hat ja noch niemandem geschadet.
Aber das Ganze hat natürlich seinen Preis, und das in doppelter Hinsicht. Zum einen kosten Elektroautos wie der aktuell bei der Reichweite führende BMW iX xDrive 50 über 100.000 Euro. Zum anderen muss bei solchen Modellen die Nachhaltigkeitsfrage neu gestellt werden.
Reichweite oder Nachhaltigkeit: was ist wichtiger?
Elektroautos sind nachhaltiger als fossile Autos, das zweifelt heute niemand mehr an, der ernst genommen werden will. Wie viel nachhaltiger sie sind, das hängt von zahlreichen Faktoren ab. Zu ihnen gehört der Fahrstil, also ob die Fahrer:innen vernünftig oder verschwenderisch fahren. Aber auch der Ort der Herstellung, denn je mehr erneuerbare Energie schon beim Bau der Fahrzeugteile verwendet wurde, desto früher übertrumpfen sie Verbrenner bei der Ökobilanz.
Den größten Anteil am ökologischen Fußabdruck von Elektroautos hat aber die Batterie. Und je größer die ist, desto größer in der Regel der Klimaschaden bei ihrer Herstellung. Hinzu kommt, dass E-Autos mit großen Batterien immer schwerer werden. Ein BMW iX xDrive 50 bringt 2,6 Tonnen auf die Waage – das sind 2.585 Kilo Auto, um 85 Kilo Mensch durch die Gegend zu fahren – und je schwerer Elektroautos, desto mehr Energie verbrauchen sie (und übrigens erzeugen sie auch umso mehr Reifenabrieb-Emissionen).
Anders gesagt: Die steigende Reichweite einfach nur mit größeren Batterien herbeizuführen ist nicht der nachhaltigste Weg – sinnvoller wäre es, dafür zu sorgen, dass Elektroautos mit der gleichen Betankung länger fahren, also einfach weniger Strom verbrauchen.
Hohe Elektroauto-Reichweiten bei sparsamen Verbrauch
Interessanterweise erfasst der ADAC bei seinen Ecotests auch die Stromverbrauchswerte der E-Autos. Und da zeigen sich ganz erhebliche Unterschiede. Zum Beispiel schluckt ein Mercedes EQV 300 lang laut ADAC ganze 30,9 kWh pro 100 km weg, während sich ein Fiat 500e (23,8 kWh) RED mit bescheidenen 15,9 kWh pro 100 km begnügt, also nur knapp die Hälfte an Strom für den gleichen Weg benötigt.
Wird nicht gerade astreiner Ökostrom getankt – was im Sinne der Nachhaltigkeit immer zu empfehlen ist! – kann sich jeder selbst ausrechnen, dass angesichts des in Deutschland noch immer stark Kohlestrom-haltigen Strommixes die Nachhaltigkeit beim Mercedes deutlich geringer ausfällt als beim Fiat, der dafür aber nur 150 km Reichweite bietet.
Anders gesagt: Hohe Reichweiten werden teils mit hohen Verbräuchen bezahlt. Wir haben deswegen die Verbrauchs- mit den Reichweitenwerten des ADAC zusammengeführt und jene zehn Elektroautos ausgewählt, die laut ADAC weniger als 19 kWh pro 100 km schlucken, und listen diese hier sortiert nach Reichweite auf:
- Hyundai Ioniq 6 (77,4 kWh) UNIQ-Paket 2WD: 555 km Reichweite bei 15,5 kWh pro 100 km Stromverbrauch
- Polestar 2 Longe Range Single Motor (82 kWh): 530 km Reichweite bei 17,5 kWh pro 100 km Stromverbrauch
- Volvo XC40 Recharge Pure El. Single Motor Extended R.: 500 km Reichweite bei 18,9 kWh pro 100 km Stromverbrauch
- Hyundai Ioniq 5 (77,4 kWh) Techniq-Paket 2WD: 470 km Reichweite bei 18,9 kWh pro 100 km Stromverbrauch
- Kia EV6 (77,4 kWh): 470 km Reichweite bei 18,6 kWh pro 100 km Stromverbrauch
- Hyundai Ioniq 6 (77,4 kWh) UNIQ-Paket 4WD: 465 km Reichweite bei 18,3 kWh pro 100 km Stromverbrauch
- Hyundai Kona Elektro (65,4 kWh) Prime-Paket: 410 km Reichweite bei 18,8 kWh pro 100 km Stromverbrauch
- KIA Niro EV (64,8 kWh) Inspiration: 410 km Reichweite bei 17,9 kWh pro 100 km Stromverbrauch
- Toyota bZ4X Comfort-Paket: 410 km Reichweite bei 17 kWh pro 100 km Stromverbrauch
- Tesla Model 3: 395 km Reichweite bei 17,2 kWh pro 100 km Stromverbrauch
Diese Liste berücksichtigt also sparsamen Verbrauch und Reichweite. Es fällt sofort auf: 555 km Elektroauto-Reichweite geht sichtlich auch sparsam. Und ja, in dieser Liste kommen jetzt nicht mehr viele reine Reichweiten-Rekordhalter vor. Und doch liegt darin kein E-Auto nennenswert unter 400 km, die im Vergleich zum Spitzenwert von 610 km jetzt auch nicht viele Fahr-Szenarien ausschließen. Bei Verbräuchen, die sehr deutlich unter denen der stromfressenden Schwergewichte liegen. Zu Preisen, die im Vergleich bezahlbar sind (Hyundai Ioniq 6 zum Beispiel ab ca. 44.000 Euro).
Fazit: Elektroautos mit hohen Reichweiten könnten sparsamer sein
Auffällig ist nicht nur, dass Hyundai (zu denen auch Kia gehört) offenbar eine gute Mischung aus Reichweite und Stromverbrauch hinbekommt, sondern dass sich viele Anbieter bei einer solchen Betrachtung als wenig effizient erweisen.
Das soll niemanden davon abhalten, nach den oben gelisteten Reichweitensiegern zu greifen, wenn die Elektroauto-Reichweite das alleinige Kriterium ist. Geht es aber um Elektroauto-Nachhaltigkeit, stehen deutlich sparsamere E-Auto-Modelle zur Verfügung und es lohnt sich, die ADAC Ecotest-Übersicht zu konsultieren, um für viel Reichweite nicht mit einem unnachhaltig hohen Stromverbrauch zu bezahlen.
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