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Fairphone 2: Modul-Handy will faires Gold nutzen

Fairphone 2: Kameramodul
Foto: Chris Haderer

Was viele nicht wissen: In vielen Smartphones steckt Gold, das aus Krisengebieten kommen kann. Beim Fairphone 2 soll das anders werden.

In Wien hat Fairphone gestern sein neues Smartphone vorgestellt, dessen Komponenten u.a. in Zusammenarbeit mit dem steirischen Unternehmen AT&S nach Fairtrade-Prinzipien hergestellt wurde.Der erste Eindruck erinnert an einen fischertechnik-Elektronikbaukasten: die sechs Module des „Fairphone 2“ sind tatsächlich ungefähr genauso einfach zu wechseln oder kombinieren, wie die Einzelteile der seit Ende der 60er-Jahre beliebten Sets, mit denen Kinder technische Grundkenntnisse vermittelt werden sollen.

Das Fairphone ist auch eine Möglichkeit, die Industrie zu verändern, glaubt Bas van Abel von Fairphone
Das Fairphone ist auch eine Möglichkeit, die Industrie zu verändern, glaubt Bas van Abel von Fairphone (Foto: Chris Haderer)

Das modulare Baukastenprinzip ist ein wichtiger Wesenszug des aus den Niederlanden stammenden und nach Fairtrade-Prinzipien hergestellten Smartphones.

Das Ziel des Unternehmens ist recht hoch gesteckt: „Wir versuchen zu zeigen, dass es einen Bedarf an ‚fair‘ hergestellten Smartphones gibt – und langfristig ist das Fairphone auch eine Möglichkeit, die Industrie zu verändern“, sagt Bas van Abel, Geschäftsführer von Fairphone.
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Wozu ein Baukastenhandy zum Rumschrauben?

Fair bedeutet in diesem Fall zweierlei: einerseits geht es um Transparenz in der Liefekette, denn in einem Smartphone sind mehr als 30 verschiedene Materialien enthalten. Viele davon zählen zu den sogenannten „Konfliktmineralien“, deren Abbau zu politischen und ökonomischen Instabilitäten in den Ursprungsländern führt (wie beispielsweise Tantal, Wolfram und Gold).

Im Fairphone 2 steckt faires Gold
In Smartphones stecken 30 Materialien, die aus Konfliktregionen stammen können – im Fairphone 2 steckt faires Gold (Foto: Chris Haderer)

Zweiter Ansatz ist eine lange Lebensdauer des Geräts und die Möglichkeit, dass Anwender selbst defekte Bauteile am Gerät austauschen können: insgesamt besteht das Fairphone 2 aus sechs verschiedenen Modulen, die (mehr oder weniger) ohne Schraubenzieher entfernt und durch andere Komponenten ersetzt werden können.

Was bei Apple, Samsung & Co. praktisch nicht möglich ist, weil die Geräte genaugenommen als Blackboxes entwickelt wurden, geht bei Fairphone ganz einfach: ist beispielsweise die Kamera defekt, bestellt man sich im Onlineshop ein neues Kameramodul und setzt es selbst ein. Selbiges gilt für den Akku und für andere Komponenten – die in Zukunft auch upgegradet werden können.

Kunden sollen das Fairphone 5 Jahre verwenden können

Leiterplatten im Fairphone 2
Leiterplatten im Fairphone 2 (Foto: Chris Haderer)

Bas van Abel denkt daran, beispielsweise qualitativ unterschiedliche Kameramodule anzubieten. „Unsere Kunden sollen das Gerät durchaus fünf Jahre verwenden.“ Bis auf das Motherboard, auf dem der Prozessor sitzt, könnten in Zukunft alle Bauteile (theoretisch) durch modernere Varianten ersetzt werden. Fairphone will darübernachdenken, kann aber noch nicht sagen, ob alle Module auch in besseren Versionen zur Verfügung stehen können.

Der Bildschirm kann ganz einfach ausgetauscht werden, genauso wie das Cover des Geräts, das eine ganz spezielle Eigenheit bietet: „Das Case ist über einen Connector mit dem Gerät verbunden und kann mit zusätzlichen Features ausgestattet werden, wie beispielsweise NFC oder WLAN.“

Die Cases stellen somit eine wesentliche Upgrade-Möglichkeit des Fairphone 2 dar. Das ist zwar noch ein wenig Zukunftsmusik, könnte aber durchaus in die Realität umgesetzt werden. In der aktuellen Konfiguration ist das Fairphone 2 mit einem 5-Zoll Full HD-Display ausgestattet, besitzt 32 Gigabyte Speicherkapazität und wird von Android 5.1 Lollipop betrieben (alternative Betriebssysteme wie Sailfish sind über die Open Source Community geplant).

Die Elektronik-Industrie muss faire Methoden lernen

Vom ersten Modell des Fairphone, das vor etwa zwei Jahren auf den Markt kam, wurden im Rahmen einer Crowd-Funding-Kampagne etwa 25.000 Stück verkauft – noch Monate bevor das Gerät verfügbar war. Das Fairphone 2 steht derzeit bei etwa 20.000 Einheiten im Vorkauf – was laut van Abel „ein deutliches Statement der Consumer darstellt.“

Fairphone 2: Kameramodul
Fairphone 2: das Kameramodul ist nicht nur wechselbar, sondern erlaubt es vielleicht eines Tages auch, verschiedene Features zu wählen (Foto: Chris Haderer)

Das erste Fairphone war der Ausgangspunkt einer Kampagne der Waag Society Action Aid, um darauf aufmerksam zu machen, dass die Elektronikindustrie keine „fairen“ Prinzipien kennt. Mittlerweile hat Fairphone auch Partner gewinnen können, wie beispielsweise das steirische Unternehmen AT&S, das die Motherboards und einige andere Komponenten des Geräts herstellt.

Im Fairphone 2 steckt faires Gold

Gemeinsam mit Fairphone wurden Aktionen gestartet, um die Lieferkette der benötigten Materialien (von denen Gold den größten Teil ausmacht) transparent zu machen und nur mit Lieferanten zusammenzuarbeiten, die menschenwürdige Arbeitsbedingungen beim Abbau bieten. „Wir haben das Fairphone 2 von Grund auf neu entwickelt, um die Kontrolle über alle Komponenten zu haben“, sagt van Abel. „Und mit AT&S haben wir einen Partner gefunden, der die gleichen Nachhaltigkeitsziele verfolgt wie wir.“

Produktionsketten transparenter machen: Andreas Gerstenmayer von AT&S, die Leiterplatten an Fairphone liefern
Produktionsketten transparenter machen will Andreas Gerstenmayer von AT&S, die Leiterplatten an Fairphone liefern (Foto: Chris Haderer)

Nachhaltigkeit ist auch Andreas Gerstenmayer, Geschäftsführer von AT&S ein Anliegen: „Das ist nicht etwas, was wir uns auf die Fahnen geschrieben haben, um die Firma nach außen hin grün anzumalen sondern etwas, das fest in den Genen des Unternehmens verankert ist.“ Eines der Ziele von AT&S ist es beispielsweise, den recht großen Wasserverbrauch im Fertigungsprozess jährlich um wenigstens drei Prozent zu senken.

Der Bedarf an Gold ist in der Leiterplattenherstellung ebenfalls ein Thema: „Wir stehen kurz davor, Fairtrade-Gold erstmals im Bereich der Elektronikindustrie einzusetzen. Gemeinsam mit Fairphone werden wir damit einen wichtigen Schritt in Richtung einer faireren Elektronikwelt setzen.“

„Wir werden die Welt nicht an einem Tag retten“

Ähnliche Initiativen sind von anderen Elektronikherstellern nicht bekannt, aber: „Alle großen Dinge haben irgendwo angefangen“, sagt Gerstenmayer. „Die Elektronikindustrie hat eine sehr komplexe Lieferkette – und wir werden die Welt nicht an einem Tag retten.“ Umso mehr arbeitet Fairphone daran, ein Bewusstsein für den nachhaltigen Umgang mit Elektronikprodukten zu schaffen, sowohl von der Seite der Hersteller her als auch aus Konsumentensicht.

Dass die Möglichkeit, ein Gerät einfach zu reparieren, heute bereits eine Besonderheit darstellt, ist ein Zeichen der Zeit – und auch ein deutliches Signal, dass für viele Unternehmen trotz Ressourcenverknappung und miserablen Arbeitsbedingungen ein kurzer Produktzyklus im Vordergrund steht. Mit dem „Bastelhandy“ Fairphone 2 gibt es eine Alternative – auch wenn sie nur „ein erster Schritt für große Veränderungen ist“, sagt Bas van Abel.

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