Alte Klamotten gegen Einkaufsgutschein? Kein schlechter Tausch – vor allem, wenn man damit der Umwelt etwas Gutes tun kann. Immer mehr Einzelhändler sammeln direkt im Laden gebrauchte Kleidung von ihren Kunden und versprechen, sie zu recyceln. Seriös oder nur Masche?
Im Frankfurter Store des Outdoor-Labels Mammut steht die schwarz-rote Box mit Firmenlogo gleich neben dem Eingang. „Umweltbewusstsein zahlt sich aus“, steht darauf, und der Hinweis: Wer ein abgetragenes Paar Schuhe hineinlegt, erhält beim Kauf eines neuen Paares 10 Euro Nachlass.
Bei H&M gegenüber sind die Behälter neben der Kasse grün und werben „für mehr Nachhaltigkeit in der Mode“. Gegen eine Tüte ausrangierter Kleidung – egal, ob bei H&M gekauft oder woanders – gibt die Kassiererin einen Rabattgutschein von 15 Prozent für den nächsten Einkauf aus (siehe hm.com). Auch sämtliche Reno- und Adler-Märkte in Deutschland sind mit solchen Behältern für ausgediente Textilien und Schuhe ausgestattet.
Gutschein gegen gebrauchte Kleidung: Wo die Rabatt-Altkleider landen
Die Rabattsysteme für gebrauchte Kleidung unterscheiden sich, ebenso die Farben der Boxen – doch der Inhalt landet stets am selben Ort: Bei Europas größtem Textilsortierer, der schweizerischen Soex-Gruppe. Diese nämlich sammelt seit einiger Zeit Bekleidung und Schuhe im Einzelhandel über ihre Tochter I:Collect AG (I:CO). Und zwar weltweit: Über 15.000 Sammelstellen hat I:CO in 64 Ländern bereits, rund 2000 sind es derzeit in Deutschland.
Im riesigen Soex-Werk angekommen, passiert mit der Altkleidung aus den I:CO-Boxen zunächst nichts anderes als mit jener Ware, die über Sammlungen in Straßencontainern zu Soex geflossen ist: Sie wird nach den ohnehin gültigen gesetzlichen Vorschriften sortiert.
Durchschnittlich 50 bis 60 Prozent der gebrauchten Kleidung sind noch tragbar und werden als Secondhandware gewinnbringend weiter verkauft – vorwiegend nach Osteuropa oder Afrika. Etwa 10 Prozent können nur noch als Müll entsorgt werden. Bis zu 40 Prozent der Ware wird re- oder downgecycelt, zu Putzlappen etwa, zu Füllmaterialien oder Dämmstoffen.
Gebrauchte Kleidung für Upcycling – eine gute Idee
Und genau bei diesen 40 Prozent kommt nun das Tochterunternehmen I:CO ins Spiel. Nämlich mit der Idee, dass es doch viel schöner wäre, aus gebrauchter Kleidung wie einem alten T-Shirt wieder ein neues T-Shirt zu machen, statt es zu einem Putzlappen zu zerschneiden. Oder aus einem kaputten Turnschuh einen neuen statt eines Bodenbelags.
I:CO propagiert dabei den Ansatz, Altkleidung als Rohmaterial zu begreifen, das in einem Kreislauf zirkulieren soll – im besten Falle endlos. Upcycling nennt sich das in der Fachsprache. Konsequenterweise sammelt das Unternehmen ausdrücklich nicht nur gebrauchte, sondern auch kaputte Kleidung ein, während Straßencontainer hier auf den Hausmüll verweisen.
I:CO ist aber selbst kein Recycling-Betrieb. Die rund 20 Mitarbeiter wollen vielmehr als eine Art „Brain“ fungieren und weltweit möglichst viele potentielle Teilnehmer der Upcycling-Idee vernetzen: Von der Industrie, die bereits beim Entwurf ihrer Produkte an deren nächstes Leben denken muss, über Technologien zur automatischen Trennung der Komponenten bis zu Recycling-Werken überall auf der Welt.
Mit dem alle zwei Jahre ausgeschriebenen „I:CO Award“ existiert außerdem eine gewisse Investition in die Erforschung neuer Upcycling-Ideen. Sinn macht es auch, dass I:CO über ein Pilotprojekt in Kenia den Aufbau von Recycling-Systemen in der dritten Welt unterstützt – dort, wo die Secondhandware aus unseren Sammlungen mehrheitlich landet.
Upcycling bei gebrauchter Kleidung: die Realität
Zweifellos ist kreislauffähige Kleidung eine bestechende Idee in Zeiten, wo unser Mode-Konsum ins Unermessliche zu steigen scheint und Rohstoffe zugleich knapper werden. Allerdings ist es bisher eben auch nicht viel mehr als eine Vision. Denn bis dato existieren kaum Mode-Produkte, die von Herstellern so konzipiert sind, dass sie in einen Kreislauf eingespeist werden können.
Immerhin: Als erstes Ergebnis aus dem I:CO-System hat H&M gerade eine Jeans-Kollektion lanciert, die zu 20 Prozent aus recycelten, also gebrauchten Denim-Stoffen besteht. 14 Projekte ähnlichen Musters treibt I:CO nach eigenem Bekunden derzeit voran. Das ist schon gut, aber das Unternehmen wird sich in den nächsten Jahren natürlich daran messen lassen müssen, wie viele dieser Ideen es in die Realität schaffen.
Einstweilen beobachten Fachleute das System mit einer gewissen Skepsis. Kritiker fürchten unter anderem, dass die Praxis, Einkaufsgutscheine gegen gebrauchte Kleidung auszugeben, das eigentliche Grundübel – der steigenden Konsum immer billigerer Mode – erst recht anheizen, weil der Kunde neben der Kasse sein Gewissen erleichtert und dafür auch noch einen Bonus erhält. Jedem Spender muss klar sein: Getragene Bekleidung, die man hier abgibt, geht an ein gewerbliches Unternehmen, das in die eigene Tasche wirtschaftet.
Alternativen für gebrauchte Kleidung
Wer also möchte, dass der Erlös aus seiner Spende allein karitativen Zwecken zugute kommt, der sollte sie direkt in einem Sozialkaufhaus abgeben oder in einen Altkleidercontainer werfen, bei dem er sicher ist, dass er von einem gemeinnützigen Sammler betrieben wird. Allerdings trifft das nur mehr auf etwa ein Drittel der Container zu, schätzt Thomas Ahlmann vom Dachverband Fairwertung, auf dessen Homepage man entsprechende Standorte in der Nähe finden kann. Der große Rest ist ohnehin gewerblich – im schlimmsten Fall gar illegal.
Keine Frage: Für die Umwelt wäre es am Besten, würden wir keine Kleidung „einwerfen“, sondern sie so lange wie möglich tragen oder anderweitig in Umlauf halten: Ob über Tauschbörsen wie Kleiderkreisel.de, Verleihen im Freundeskreis, Spenden vor Ort oder Verkauf auf dem Flohmarkt. Allerdings: Irgendwann, nach ihrem zweiten oder dritten Leben, landet auch diese Kleidung im Container bzw. hat als Secondhandware in Afrika ausgedient. Und spätestens dann stellt sich – siehe oben – erneut die Frage, ob ihr Rohstoff nicht zu wertvoll ist für den Müll.
Otto Kleiderspende – Gebrauchte Kleidung als Spende an soziale Projekte
2014 hat übrigens der Versandhaus otto.de die Aktion „Platz schaffen mit Herz“ (Link: http://www.platzschaffenmitherz.de/) gestartet. Jeder kann seine gut erhaltenen Kleidungsstücke kostenlos an Otto zurücksenden. Die Spende gebrauchter Kleidung verkauft Otto dann über zertifizierte Fachbetriebe weiter und finanziert mit den Spendenerlösen soziale und ökologische Projekte. Utopia-Benutzer haben die Otto-Kleiderspende getestet und berichten im Blog über ihre Erfahrungen.
Fazit: gute Idee, ausbaufähig
Die Altkleider-Sammlungen großer Mode-Labels sind ein erster Schritt in die richtige Richtung, das Upcycling dahinter muss aber noch ausgebaut werden. Wichtig ist vor allem, dass wir Konsumenten den Container an der Kasse nicht als Ablassbrief für noch größeren Konsum betrachten.
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