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Geisternetze in den Meeren: So gefährlich sind sie

Geisternetz
Foto: CC0/pixabay/A_Different_Perspective

Geisternetze schwimmen als Plastikmüll in den Ozeanen und gefährden nicht nur für Meeresbewohner. Lies hier, was schon unternommen wird und was du selbst dagegen tun kannst.

Geisternetze: Die schwimmende Gefahr im Meer

Unzählige verlassene Fischernetze treiben als sogenannte Geisternetze in den Weltmeeren. Die Netze treiben teilweise senkrecht in den tiefen Gewässern oder verfangen sich am Meeresgrund.

Das Fatale daran ist: Die Geisternetzen erfüllen weiterhin ihre ursprüngliche Bestimmung, denn sie hören nicht auf zu fischen. Für Meerestiere und Seevögel stellen diese Netze eine tödliche Gefahr dar. Eine Studie von 2015 zählte mindestens 344 Tierarten, die sich nachweislich schon in Geisternetzen verfangen haben. Fast die Hälfte davon (161 Arten) sind Seevögel, wie Pelikane oder Pinguine, sowie Meerestiere, wie Robben, kleinere Wale oder Wasserschildkröten. Auf der Futtersuche verfangen sich die Tiere in den engen Maschen oder das Netz schneidet ihnen den Weg zur Oberfläche ab. Sie können dann nicht mehr auftauchen, um Luft zu holen.

Auch an Land bleiben die Geisternetze vor allem für Seevögel gefährlich. Der NABU berichtet, dass Seevögel wie der Basstölpel, die Netzteile in ihren Nestern mit einbauen. Die festen Schlingen können sich für die Jungvögel jedoch zur tödlichen Falle entwickeln.

Zudem geht von den Netzen eine Gefährdung durch Mikroplastik aus, denn sie bestehen überwiegend aus strapazierfähigem Nylonmaterial. Bei dessen Zersetzung entsteht Mikroplastik, und auch andere enthaltene Chemikalien wie Weichmacher lösen sich. Durch die Meerestiere, die diese Stoffe aufnehmen, landen sie mitunter auch durch die Nahrungskette in Speisefischen und schlussendlich auf unseren Tellern.

Geisternetze sind ein Problem in allen Meeren

Geisternetze schneiden Robben den Weg an die Oberfläche ab.
Geisternetze schneiden Robben den Weg an die Oberfläche ab.
(Foto: CC0/pixabay/Noutch)

Die Geisternetze sind ein Problem in allen Weltmeeren. In einem Beitrag von 2018 weist der WWF auf die Problematik hin. Laut seinen Angaben stammen zwischen 30 und 50 Prozent des weltweiten Plastikmülls, der in den Ozeanen schwimmt, von der Fischerei. Einen Teil davon machen die Geisternetze aus. Jedes Jahr kommen neue verlorene Netze hinzu – damit nimmt die Problematik der Meeresvermüllung Jahr für Jahr zu.

  • Atlantik – mit Nord- und Ostsee, Mittelmeer und arktischen Gewässern. Der WWF schätzt, dass Geisternetze in europäischen Gewässern etwa zehn Prozent des schwimmenden Mülls ausmachen. Greenpeace rechnet hoch, dass jährlich etwa 25.000 Netze in diesen Gewässern landen
  • Pazifischer Ozean – Hier befindet sich der pazifische Müllstrudel (Great Pacific Garbage Batch). National Geographic berichtet, dass es sich nach neuesten Erkenntnissen um zwei zusammenhängende Müllstrudel handelt. Den westlichen und östlichen Strudel, die eine zentrale Strömung verbindet. Jeder für sich erreicht schon gigantischen Ausmaße. Zusammen reichen sie von der Westküste der USA bis nach Japan. Ein Großteil besteht aus kleinsten Plastikpartikeln und Mikroplastik, die das Meer in eine trübe Suppe verwandeln. Dazwischen treiben Geisternetze oder andere Plastikteile. Laut dem Umweltprojekt Ocean Cleanup befinden sich etwa bis zu 92 Prozent Plastikabfälle im Müllstrudel. Davon sind fast die Hälfe (46 Prozent) Geisternetze.
  • Indischer Ozean – Eine marinewissenschaftliche Untersuchung ergab, dass im Indischen Ozean der Müll zu 84 Prozent aus Netzen oder anderem Fischereizubehör besteht. Greenpeace berichtet, dass sich die Geisternetze unter anderem an den Hängen der Unterwassergebirge verfangen.

    Das Geisternetz-Problem braucht neue Lösungen

    Geisternetze treiben auch an den Strand an.
    Geisternetze treiben auch an den Strand an.
    (Foto: CC0/pixabay/AlkeMade)

    Verschiedene Umweltorganisationen, wie der WWF oder Ocean Cleanup, engagieren sich seit Jahren, die Ozeane vom Plastikmüll zu befreien. Allerdings stellt die Bergung von Geisternetzen die Organisationen vor besondere Herausforderungen:

    • Die Geisternetze finden – Die Netze treiben großteils unter der Wasseroberfläche. Sie lassen sich oft nur mit modernster Technologie aufspüren. Der WWF setzt dafür Sonargeräte ein. Sie funktionieren ähnlich wie ein Radar, nur unter Wasser. Mithilfe von Schallwellen orten die Sonare Hindernisse unter der Wasseroberfläche. In Geodatenbanken lassen sich die vermuteten Fundstellen von Netzen markieren. Oftmals müssen dann Taucher:innen erst noch vor Ort bestätigen, dass es sich bei dem Sonarsignal tatsächlich um Geisternetze handelt.
    • Die Netze bergen – Der WWF berichtet über die Fortschritte des Geisternetz-Projekts vor den deutschen Küsten. Aus der Ostsee konnte der WWF unter Mithilfe von zwei lokalen Kutterbesatzungen und viel Muskelkraft sechs Tonnen Netzmaterial vor Rügen bergen. In der Nordsee konnten bei sieben von fünfzehn identifizierten Fundstellen schon gleich die Geisternetze geborgen werden. Im Pazifik stellt der Müllstrudel die Wissenschaft vor fast unlösbare Aufgaben. Wie National Geografic berichtet, würden engmaschige Netze benötigt, um die in winzige Bestandteile aus zerfallenem Plastikmüll einzufangen. In den engen Maschen verfangen sich jedoch auch die Kleinstlebewesen aus dem Meer.
    • Die Netze verwerten – Der aus dem Meer gefischte Plastikmüll könnte eine Quelle für das Recycling von Rohstoffen sein. Die Geisternetze bestehen aus Polyamid, dem Grundstoff für Nylon. Daraus lassen sich mit einem bereits existierenden Recyclingverfahren wieder Nylongarne herstellen. Das beweist unter anderem das Recyclinggarn Econyl, das ausschließlich aus Polyamid-Abfällen besteht. Zu einem kleinen Anteil werden dafür auch schon heute Geisternetze verwendet. Allerdings ist die Säuberung und Aufbereitung von Fischereimüll noch zu aufwendig für die kommerzielle Nutzung. Eine Studie des Fraunhofer-Instituts sieht in diesem Bereich noch Verbesserungsbedarf bei den derzeitigen Verfahren.

    Wie die Geisternetze ins Meer kommen

    Die Besatzung eines Schiffes ist auch gesetzlich für ihre Netze verantwortlich.
    Die Besatzung eines Schiffes ist auch gesetzlich für ihre Netze verantwortlich.
    (Foto: CC0/pixabay/Detmold)

    Geisternetze können auf unterschiedliche Weise in die Meere gelangen. Zu den häufigsten Ursachen zählen die folgenden:

    Sturm, Unfälle oder „Entsorgen“: Netze können sich durch Unwetter losreißen oder werden über Bord gespült. Mitunter „entsorgen“ die Besatzungen auch die alten, ausgedienten Netze einfach im Meer.

    • In europäischen Gewässern ist eigentlich die Besatzung selbst für ihr Material verantwortlich. Gelingt eine Bergung nicht, sind die staatlichen Behörden gefragt. Die Fischerei-Kontrollverordnung (Artikel 48) der EU besagt, dass verlorene Netze mit der letzten Position zu melden sind.
    • Der WWF kritisiert jedoch, dass in Deutschland nicht ausreichend kontrolliert wird, ob Meldungen über verlorene Netze wirklich eingehen oder ob eine Bergung erfolgt ist. In der vom WWF beauftragten Studie des Fraunhofer-Instituts schlagen die Fachleute einen eigentlich ganz einfachen Lösungsweg für die ausrangierten Netze vor – Sammelstellen in den Fischereihäfen einzurichten.
    • Die Umweltschutzorganisation Ocean Care kritisiert, dass „der derzeitige Rechtsrahmen zu zersplittert ist“. Sie fordern unter anderem die Bergung und Entsorgung der Netze weltweit.

    Bestimmte Arten oder Teile von Fangnetzen: Umweltorganisationen weisen in diesem Zusammenhang insbesondere auf Grundschleppnetze hin.

    • Laut NABU schleifen Grundschleppnetze während ihres Einsatzes über den Meeresboden. Verhakt sich das Netz dort, soll statt des Netzes selbst ein Scheuerschutz abreißen. Diese sogenannten Dolly Ropes sind Taue aus farbigen Plastikgarn, die dann weiter im Meer treiben. Sie vergrößern somit das Plastikproblem. Außerdem können sich auch in ihnen Tiere verfangen.
    • Die Deutsche Stiftung Meeresschutz nennt Grundschleppnetze „mit keiner anderen legalen Fischereimethode zu vergleichenden Raubbau“. Bei der Fangmethode wird alles gefischt, was sich in den Netzen verfängt. Fische, die nicht zu verwerten sind, werfen die Mannschaften ins Meer zurück. Oftmals sind die Tiere so schwer verletzt, dass sie nicht überleben. Grundschleppnetze führen so zur Überfischung und verwüsten den Meeresboden. Die Organisation berichtet, dass in der EU bis 2024 erste Maßnahmen zum Verbot dieser umstrittenen Fangmethode in Meeresschutzgebieten umgesetzt sein sollen. 

    Illegaler Fischfang: Die Organisation Global Ghost Gear Initiative (englisch für Geisternetze) berichtet, dass zwischen illegaler Fischerei und Geisternetzen ein fataler Zusammenhang besteht.

    • Dem WWF zufolge kommt es in einigen Ländern in Südamerika, Afrika oder Asien zu illegalem Fischfang. Illegal ist es unter anderem, in Schutzgebieten zu fischen oder mit verbotenen Fangmethoden zu arbeiten. Die Besatzungen kappen manchmal ihre Netze, um sich bei Kontrollen der Beweise zu entledigen. Diese Netze bleiben dann als Geisternetze im Meer zurück.

    Geisternetze: Was kannst du selbst dagegen tun?

    Wasserschildkröten verfangen sich in den Geisternetzen.
    Wasserschildkröten verfangen sich in den Geisternetzen.
    (Foto: CC0/pixabay/TeeFarm)

    Oft können nur gezielte Reinigungseinsätze die vorhandenen Geisternetze erfolgreich aus dem Ozean fischen.

    Der WWF arbeitet weltweit mit Taucher:innen, um die Netze zu bergen, wie bei dem erwähnten Geisternetz-Projekt vor den deutschen Küsten. Darüber hinaus betreibt der WWF Aufklärungsarbeit im globalen Süden. Die Menschen in den Fischerorten verstehen in diesem Rahmen, dass Geisternetze auch sie bedrohen. Sie leben meist vom Fischfang – gibt es keine Fische, fehlt ihnen die Lebensgrundlage.

    Geisternetze sollen zwar aus dem Meer verschwinden, aber nicht als Müll auf dem Land enden. Das langfristige Ziel von Organisation wie dem WWF oder Ocean Cleanup ist die nachhaltige Weiterverarbeitung.

    Auch du kannst dich im persönlichen Bereich für die Meere und gegen Geisternetze engagieren. Folgende Möglichkeiten hast du:

    • Spenden: Du kannst die Arbeit von Umweltverbänden wie WWF, NABU oder Greenpeace mit Spenden unterstützen.
    • Selber sammeln: Beim Projekt Gewässerretter kannst du selbst aktiv werden. Dort hast du die Möglichkeit, eine Sammelaktion für Netze zu starten. Im interaktiven Logbuch trägst du entweder deine geplante Aktion ein oder du markierst eine Fundstelle.
    • Du bist Sporttaucher:in? Die vom WWF entwickelte App Ghostdiver unterstützt die Suche nach Geisternetzen. Als Sporttaucher:in kannst du an markierten Positionen nachschauen, ob dort tatsächlich Netze im Meer treiben und die Information per App weitergeben. Die Bergung übernehmen anschließend speziell ausgebildete Taucher:innen.
    • Weniger Fisch essen: Das Problem der Geisternetze hängt zum Teil mit der industriellen Fischerei zusammen. Die Deutsche Stiftung Meeresschutz berichtet, dass die Bestände in Europa schon zu 41 Prozent überfischt sind. Du schonst die Bestände der Tiere und vermeidet vielleicht das eine oder andere Geisternetz, wenn du Fischmahlzeiten einschränkst oder ihnen ganz eine Absage erteilst. Möchtest du ab und zu Fisch genießen, kannst du dich bei dem WWF mit dem Fisch-Einkaufsratgeber informieren. Die grüne Markierung zeigt dir Fischarten an, die aus nachhaltigem Fang stammen.

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