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Green Hushing: Das neue Greenwashing?

green hushing
Foto: CC0 / Pixabay / kaboompics

„Green Hushing“ betreiben Unternehmen, die ihre Klima- und Umweltschutzmaßnahmen verheimlichen. Der Grund: Sie wollen den Vorwurf des Greenwashings vermeiden.

Mittlerweile rühmen sich viele Unternehmen mit ihren angeblichen Nachhaltigkeitsbemühungen: Irgendetwas ist an ihren Produkten immer „recycelbar“ oder ihre Dienstleistungen sind „klimaneutral“. Für Verbraucher:innen wird es zunehmend schwierig zu erkennen, ob sich hinter diesen Begriffen tatsächlich ernstgemeintes Engagement für den Umwelt- und Klimaschutz verbirgt oder nur Greenwashing

Die Europäische Union will das ändern. Sie plant, mit der Green-Claims-Richtlinie härter gegen den grünen Schwindel von Unternehmen vorzugehen. Diese Leitlinie soll Unternehmen dazu veranlassen, klare, präzise und inhaltsstarke Aussagen über die Umweltleistung ihrer Produkte oder Dienstleistungen zu machen, damit Verbraucher:innen nicht getäuscht werden. Die Richtlinie enthält Regeln für die Verwendung von Begriffen wie „umweltfreundlich“, „klimaneutral“ oder „recycelbar“ und fordert eine klare und nachvollziehbare Dokumentation solcher Aussagen. 

Was sich zunächst nach einem guten Weg anhört, für mehr Transparenz zu sorgen, könnte jedoch auch Green Hushing begünstigen – vom englischen „hush“, was „schweigen“ oder „vertuschen“ bedeutet: eine Strategie, mit der Unternehmen ihre Umweltinitiativen bewusst verschweigen, um die Gefahr von Vorwürfen des Greenwashings zu vermeiden.

Was ist Green Hushing?

Immer mehr Unternehmen betreiben Green Hushing: Sie schweigen zu ihren Nachhaltigkeitsbemühungen.
Immer mehr Unternehmen betreiben Green Hushing: Sie schweigen zu ihren Nachhaltigkeitsbemühungen.
(Foto: CC0 / Pixabay / terimakasih0)

Green Hushing ist das Gegenteil von Greenwashing: Anstelle von irreführenden Werbeaussagen und leeren Versprechen, mit denen sich Unternehmen ein grüneres Image zulegen wollen, bezeichnet der Begriff Maßnahmen, mit denen Unternehmen ihre Klimastrategien verheimlichen. Sie weichen bei Nachfragen diesbezüglich aus oder verweigern schlicht die Antwort. 

Die Gründe dafür:

  • Unternehmen wollen möglichen Greenwashing-Vorwürfen vorbeugen, falls sie ihre Klimaziele verfehlen. Green Hushing ist für ein Unternehmen oder eine Marke also ein Schutzmechanismus. In der Öffentlichkeit gibt es ein wachsendes Bewusstsein für Greenwashing und für den Anteil, den Unternehmen mit ihren CO₂-Emissionen am Klimawandel haben. Hinzu kommen Regelungen wie die Green-Claims-Richtlinie, die Nachhaltigkeit im Marketingkontext standardisier- und überprüfbar machen. Angesichts dieser Entwicklungen äußern sich Unternehmen lieber gar nicht oder nur vorsichtig zu ihren Klimazielen. Denn sie wissen: Wenn Konsument:innen Greenwashing vermuten, sinkt ein Unternehmen laut einer Studie nicht nur in deren Ansehen, sondern sie nehmen seine Produkte und Dienstleistungen oft auch anders wahr als zuvor. Dieses Risiko wollen viele Firmen nicht eingehen. 
  • Manche Unternehmen entscheiden sich auch dagegen, ihre Klimaziele zu veröffentlichen, weil sie sich nicht mit dem Öko-Image identifizieren wollen, das nachhaltigen Produkten anhaftet. 
  • Ein weiterer Grund ist, dass Nachhaltigkeit längst nicht mehr das Alleinstellungsmerkmal ist, das es vor ein paar Jahren noch war. Nachhaltigkeit gilt nicht mehr als Ausnahme, sondern als Standard. Unternehmen suchen inzwischen schon wieder nach anderen Themen für ihr Marketing – denn wer jetzt anfängt, noch mit Nachhaltigkeit zu werben, fällt unter all den anderen entweder kaum oder sogar negativ als Nachzügler auf. 

Das „grüne Schweigen“ ist zu einer Strategie für Unternehmen und Organisationen geworden, um zu vermeiden, öffentlich auf den Prüfstand gestellt zu werden. Insbesondere kleine Unternehmen wenden Green Hushing an. Sie verfügen oft nicht über die Mittel, um groß angelegte Nachhaltigkeitsmaßnahmen durchzuführen, sondern setzen sich verhältnismäßig kleine Ziele – was Verbraucher:innen als nicht ausreichend kritisieren könnten. 

Wie verbreitet ist Green Hushing?

Einem Bericht der Schweizer Beratungsfirma South Pole zufolge betreiben 25 Prozent der weltweit über 1.200 befragten Unternehmen Green Hushing: Sie würden wissenschaftlich fundierte Netto-Null-Ziele verfolgen, allerdings bewusst darauf verzichten, diese öffentlich zu kommunizieren. In Deutschland verheimlicht sogar ein Drittel der Unternehmen seine Klimaziele. 

Das macht Green Hushing so problematisch

In einer Hinsicht scheint Green Hushing lobenswert: Vielleicht geht es einigen Unternehmen tatsächlich darum, zu handeln statt nur zu reden. Doch Green Hushing hat auch Schattenseiten:

  • Wenn Unternehmen ihr Klima-Engagement verheimlichen, etablieren sich Nachhaltigkeitsnormen  langsamer. Verschweigen immer mehr Firmen ihre Maßnahmen, können sich keine verlässlichen Standards entwickeln, was für welche Art Unternehmen in Sachen Klima- und Umweltschutz erreichbar wäre. 
  • Denn: Wenn bekannte Marken Veränderungen hin zu Klima- und Umweltschutz vornehmen, ermutigt dies auch kleinere Marken, es ihnen gleichzutun. Dieser Anreiz fällt weg, wenn große Konzerne zum Thema Nachhaltigkeit schweigen.
  • Teilen Unternehmen ihre Klima-Erfolge nicht, können andere Unternehmen nicht von ihnen lernen. Das verhindert, dass Unternehmen gemeinsam an einem Strang ziehen. Stattdessen muss jede Firma Nachhaltigkeit in einem „try-and-error“-Prozess selbst etablieren, anstelle sich die erprobten Maßnahmen von anderen abschauen zu können. Dadurch laufen einige Nachhaltigkeitsbemühungen Gefahr, weniger effektiv zu sein, als sie sein könnten. 
  • Green Hushing macht es für Verbraucher:innen noch schwieriger, zu erkennen, welche Produkte wirklich umweltverträglicher und klimafreundlicher sind. 

Green Hushing erkennen

Green Hushing ist äußerst schwer zu erkennen – schließlich bist du als Verbraucher:in auf die Informationen angewiesen, die Unternehmen über sich preisgeben. Ob du nun Greenwashing oder Green Hushing aufdecken möchtest, überprüfe das jeweilige Unternehmen daher auf seine Transparenz: Bietet es klare und belegbare Informationen darüber, wer die Zulieferbetriebe sind und wo, woraus und von wem die Produkte hergestellt werden?

Du kannst außerdem auf Siegel und Zertifikate achten. Doch bedenke: Siegel sind auch häufig ein Mittel, um Greenwashing zu betreiben, wie das Beispiel des Klimaneutral-Labels zeigt. Für eine erste Orientierung, welche Siegel vertrauenswürdig sind, kannst du in unseren Siegel-Guide schauen. 

Weiterlesen auf Utopia.de:

English version available: Green Hushing on the Rise: How Problematic Is the Greenwashing Twin?

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