Grüner Wasserstoff gilt als eine Schlüsseltechnologie der Energiewende. Doch noch sind nicht alle Fragen geklärt. Hier liest du, worum es bei dem Thema geht und was das Potenzial von grünem Wasserstoff ausmacht.
Mit grünem Wasserstoff als Ergänzung zu den bekannten erneuerbaren Energien soll die Energiewende gelingen. Laut nationaler Wasserstoffstrategie ist Wasserstoff als flexible und dabei klimafreundliche Energiequelle notwendig, um die Klimaziele noch zu erreichen. Dem Klimaschutzgesetz 2021 zufolge bedeutet dies: Treibhausgasneutral bis 2045.
Um endlich von den klimaschädlichen fossilen Brennstoffen wegzukommen, muss sich daher die gesamte Energieversorgung vollkommen anders aufstellen. Das Öko-Institut spricht in diesem Zusammenhang von den vier Säulen der Energiewende:
- Erneuerbare Energien – wie Solar- und Windkraft,
- Energieeffizienz – um den Energieverbrauch insgesamt zu senken,
- Elektrifizierung – wie zum Beispiel durch Umstieg auf Elektrofahrzeuge und
- Grüner Wasserstoff – zur Ergänzung, als alternative Energiequelle.
Wie grüner Wasserstoff entsteht
Wasserstoff kommt auf unserem Planeten in großen Mengen vor. Nur ist er immer an andere Elemente gebunden, wie zum Beispiel im Wasser (H2O). Wasser ist eine Verbindung von Wasserstoff und Sauerstoff.
Der Bundesverband Energie und Wasser nennt als weitere Quellen für Wasserstoff noch Erdöl, Erdgas, Biomasse oder Methan (CH4). Das gasförmige Methan zählt chemisch zu den Kohlenwasserstoffen und ist zudem ein wesentlicher Bestandteil von Erdgas.
Um den Wasserstoff aus solchen stabilen Verbindungen herauszutrennen, ist eine starke Energiequelle notwendig. Das kann zum Beispiel Strom sein, der durch zwei Elektroden fließt. Dieses Trennungsverfahren heißt Elektrolyse. Kommt der notwendige Strom aus grünen, also erneuerbaren Energiequellen, entsteht bei der Elektrolyse „grüner“ Wasserstoff.
Die Umweltorganisation BUND erläutert, dass sich solche Verfahren besonders eignen, um grünen Strom in einen anderen Energieträger umzuwandeln. Damit ließe sich durch Solar oder Windkraft erzeugter Strom, der von der Sonneneinstrahlung und Wetterbedingungen abhängig ist, in Form von Wasserstoff speichern. So könnte der grüne Strom unabhängig von Wettereinflüssen verfügbar sein.
Der Begriff Power-to-X fasst solche unterschiedlichen Methoden zusammen. „Power“ steht dabei immer für den Strom, der etwas herstellt. Das „X“ ist der Platzhalter für den Energieträger. Für den gasförmigen Wasserstoff steht daher der Begriff Power-to-Gas. Andere Möglichkeiten sind beispielsweise auch Wärme (Power-to-Heat) oder Flüssigtreibstoff (Power-to-Liquid).
Es gibt nicht nur grünen Wasserstoff
Grünen Wasserstoff handeln Expert:innen als klimaneutralen Energieträger. Wasserstoff an sich kann in seiner Klimabilanz jedoch auch schlecht abschneiden. Das chemische Verfahren, durch das der Wasserstoff entsteht, entscheidet im Einzelfall über seine Klimafreundlichkeit. Dies kennzeichnen die Farben in der Wasserstoffbezeichnung – sie sind symbolisch zu verstehen, Wasserstoff an sich ist farblos.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz erklärt, welche Farbeinstufungen es außer dem grünen Wasserstoff noch gibt:
- Grauer Wasserstoff – Er belastet das Klima, weil bei der Produktion Treibhausgase wie Kohlenstoffdioxid (CO₂) entstehen. Der Grundstoff ist meist Erdgas. Aus dem enthaltenen Methan lässt sich der Wasserstoff abspalten, übrig bleibt CO2. Methan selbst ist eines der Treibhausgase, die zur Erderwärmung beitragen. In der Chemieindustrie ist grauer Wasserstoff seit längerem als Rohstoff und Energiequelle in Gebrauch.
- Blauer Wasserstoff – Es handelt sich im Grunde um grauen Wasserstoff, nur klimaneutral. Der Unterschied liegt darin, dass die anfallenden CO2-Gase nicht in die Atmosphäre entweichen können. Sogenannte Carbon-Capture-and-Storage Anlagen (CCS) fangen die Gase ab und lagern sie meist in unterirdischen Speichern ein. Greenpeace Energy stellt jedoch fest, dass die Klimabilanz von blauem Wasserstoff durch das Erdgas belastet ist. Bei der Förderung, Verarbeitung und Transport kommt es immer wieder vor, dass Erdgas und damit klimaschädliches Methan entweichen kann.
- Türkiser Wasserstoff – Er entsteht aus Methan, für das ebenfalls Erdgas der Rohstoff sein kann. Allerdings ist der chemische Prozess etwas anders: Anstelle von elektrischen Ladungen spaltet extreme Hitze den Wasserstoff thermisch ab. Bei diesem Verfahren entsteht fester Kohlenstoff statt flüchtige CO2-Emissionen. Damit der türkise Wasserstoff klimaneutral sein kann, sollte die benötigte Wärmeenergie aus grünen Quellen stammen. Der Kohlenstoff, der dabei zurückbleibt, muss dauerhaft gebunden werden.
Was grüner Wasserstoff leisten kann
Das erwähnte Vier-Säulen-Modell der Energiewende verdeutlicht, dass ein Umbau nur gelingen kann, wenn alle vier Faktoren ineinandergreifen.
Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) erläutert, dass grüner Wasserstoff den Strom aus der Steckdose oder aus Batterien ergänzen soll. Der Wasserstoff lässt sich unter anderem in Brennstoffzellen leichter speichern und transportieren. Dadurch ist er vor allem bei einem hohen Energiebedarf von Vorteil.
Der Deutsche Wasserstoff- und Brennstoffzellenverband (DWV) stellt in Aussicht, dass Wasserstoff ein bestehendes Dilemma der Energiewende auflösen könnte. Nach dem heutigen technischen Wissensstand eignet sich die Batterietechnologie nicht dazu, beispielsweise Flugzeuge, LKWs oder Schiffe elektrisch anzutreiben. Eine klimaneutrale Lösung dafür könnten Brennstoffzellen mit grünem Wasserstoff sein.
Weitere Einsatzmöglichkeiten für grünen Wasserstoff sieht der Verband auch als Ersatz für die Rohstoffe Erdgas und Erdöl. Die Chemie- und die Pharmaindustrie verwenden diese Rohstoffe unter anderem zur Herstellung von Kunststoffen oder für Medikamente. Grüner Wasserstoff zusammen mit Kohlenstoffdioxid könnte die fossilen Rohstoffe ablösen. Gleichzeitig könnte der Wasserstoff diese Industriezweige mit klimaneutraler Energie versorgen.
Gibt es genug davon?
Grüner Wasserstoff ist eine Technologie, die Zukunft hat. Allerdings haben Forscher:innen noch einige Fragen zu klären, bevor sie den grünen Wasserstoff massentauglich herstellen können.
Ausreichende Kapazitäten:
- Das Fraunhofer-Institut berichtet, dass die derzeitigen Produktionsanlagen noch nicht ausreichen, um die in Zukunft benötigten Mengen an grünem Wasserstoff herzustellen. Nach Schätzungen des Instituts müsste schon ab 2030 die Leistung jedes Jahr stark anwachsen. Gerechnet wird mit einem jährlichen Zubau der Kapazitäten von eins bis fünf Gigawatt.
- Laut Bundesverband Energie und Wasser gibt es in Deutschland bereits über 30 Elektrolyse-Anlagen für grünen Wasserstoff. Meistens dienen sie erst als Forschungsprojekte.
- Als vielversprechender Partner Deutschlands in Sachen grüner Wasserstoff tut sich Kanada hervor: Wie die Tagesschau berichtet, soll ein Windpark auf der Insel Neufundland CO₂-neutralen Wasserstoff herstellen. Das geplante Wasserstoff-Abkommen der beiden Länder sieht vor, dass eine große Menge davon nach Deutschland exportiert wird. Denn auf Neufundland selbst wohnen nur rund eine Million Menschen, dort wird demnach nicht viel Energie benötigt. Die Finanzierung des Projekts steht jedoch noch nicht, und laut Experten wie Bruno Pollet vom Internationalen Verbund für Wasserstoff-Energie wird die Umsetzung wahrscheinlich noch einige Jahre dauern.
Ausreichende grüne Energie:
- Die Fachzeitschrift Ingenieur erläutert, dass nicht nur die Herstellung von Wasserstoff sehr viel Energie verbraucht, sondern auch der Transport. Dazu müssen energieintensive Verfahren den Wasserstoff erst verflüssigen oder komprimieren. Das bedeutet einen zusätzlichen Bedarf an erneuerbarer Energie, damit der Wasserstoff unterm Strich „grün“ bleibt.
- Greenpeace Energy kritisiert im Mai 2021, dass der grüne Strom nicht ausreiche und Elektrolyse-Anlagen momentan hauptsächlich durch Strom aus fossilen Kraftwerken betrieben würden. Somit könne grüner Wasserstoff noch gar nicht komplett grün sein. Der DWV appelliert in diesem Sinne in einer Stellungnahme zum Referentenentwurf vom 04.03.2022 bezügliche des Ausbaus erneuerbarer Energien ans BMWi, dass der Begriff des „Grünen Wasserstoffs“ klar definiert sein sollte: Wasserstoff, der „in der Einrichtung elektrochemisch durch den ausschließlichen Verbrauch von Strom aus erneuerbaren Energien im Sinne des §2 Nummer 21 EEG hergestellt worden ist.“
Weitere Forschung für grünen Wasserstoff
Die technische Universität Graz forscht mit Biogas. Es gelang den Forscher:innen, Wasserstoff direkt bei einer Biogasanlage herzustellen. Die bestehenden Biogasanlagen vieler Gemeinden ließen sich somit bei der Produktion von Wasserstoff einbinden. Der notwendige schnelle Ausbau käme so einen großen Schritt voran. Zudem verkürzen sich auch die Transportwege zu den Verbraucher:innen. Die Wissenschaftler:innen halten es für möglich, gleich die Wohnhäuser in der Nähe der Anlagen mit Energie zu versorgen. Weitere Überlegungen gehen dahin, den Wasserstoff in Gasflaschen abzufüllen.
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