Durch den Halo-Effekt beeinflusst unser erster positiver Eindruck von einer Person unsere nachfolgende Wahrnehmung und Bewertung. Warum das ein Problem sein kann und wie du dir des Effekts bewusst wirst, erklären wir hier.
Der Halo-Effekt ist allgegenwärtig. Was wie ein Fantasy-Computerspiel klingt, ist allerdings ein psychologisches Phänomen, bei dem unser erster Eindruck von einer Person oder Sache auch unsere nachfolgende Wahrnehmung und Bewertung beeinflusst. Dies kann dazu führen, dass die nachfolgende Wahrnehmung und Bewertung aufgrund unserer Voreingenommenheit verzerrt ist.
Das kann zum Problem werden, denn der Halo-Effekt kann Menschen auf der Basis einer ersten schnellen Einschätzung vor allem äußerlicher Merkmale auch hinsichtlich ihres Charakters in einem besseren (oder schlechteren) Licht erscheinen lassen. Der englische Begriff „Halo“ (deutsch: „Heiligenschein“) bezieht sich genau darauf: Nehmen wir eine Person auf den ersten Blick positiv wahr, statten wir sie mit einem „Heiligenschein“ aus, dessen Licht eventuelle Makel und Fehler ausblendet.
Ursprung des Halo-Effekts
Der Halo-Effekt geht auf den Verhaltensforscher Edward Lee Thorndike zurück. Er bat während des Ersten Weltkriegs Offiziere, ihre Untergebenen nach Kondition, Charakter und Intelligenz zu beurteilen. Obwohl die einzelnen Eigenschaften nicht unbedingt etwas miteinander zu tun hatten, wurden Soldaten mit einer guten Körperhaltung und einem hübschen Gesicht automatisch besser bewertet. Weniger attraktive Soldaten wurden hingegen schlechter eingeschätzt. Einer Studie zufolge urteilen wir auf diese Weise bereits von Kind auf: Chinesische Wissenschaftler:innen haben herausgefunden, dass Kinder schönen Menschen mehr Vertrauen schenken.
Ob wir es also wollen oder nicht, zuerst beurteilen wir Menschen häufig nach ihrem Äußeren. Daran ist unser Gehirn schuld, denn es sucht fortwährend nach Mustern, um assoziieren zu können. Im Grunde genommen ist das eine nützliche Eigenschaft, die Menschen ermöglicht, andere „Gleichgesinnte“ zu erkennen. Daraus ergibt sich ein Gefühl der Zugehörigkeit und Sicherheit.
Halo-Effekt: Wenn der Schein trügt
Beim Halo-Effekt schreiben wir Menschen charakterliche Eigenschaften zu und orientieren uns dabei an wenigen, dominanten äußerlichen Merkmalen. Das ist vor allem der Fall, wenn uns nur wenig andere Informationen über eine Person bekannt sind. Das Gehirn verknüpft daher unentwegt: Eine Brille lässt Menschen belesen wirken, Frauen und Männer in Anzügen wirken auf uns seriös und kompetent. Der Halo-Effekt bedient sich also oft Stereotypen, die die unbekannte Personen in einem guten Licht erstrahlen lassen.
Begegnen wir einem Menschen, der uns sympathisch vorkommt, neigen wir dazu, ihm oder ihr weitere Eigenschaften zuzuschreiben, die uns wichtig sind. Für den Halo-Effekt ist zum Beispiel typisch, dass wir bei einer Person, die für uns gut aussieht und sympathisch ist, davon ausgehen, dass sie auch rechtschaffen und ehrlich ist. Die positiv attestierten Eigenschaften lassen die Person insgesamt gut dastehen. Erfahren wir dann etwas über sie, das gegenteilig zu unserer positiven Einschätzung ist, können wir es schwer glauben. Unter anderem deswegen faszinieren viele Kriminalfälle, in die berühmte oder gut aussehende Menschen verwickelt sind.
Selbst bestimmen Gesichtszügen und Mimik schreiben wir Eigenschaften zu: In einem älteren Gesicht mit dünnen Lippen und Falten um die Augen sehen wir Intelligenz und Vornehmheit. Einem besonders maskulinem Gesicht sprechen wir weniger positive Eigenschaften zu als einem mit weicheren Zügen. Spätestens da wird unser Urteil ungenau und kann schnell ins Negative umschlagen.
Im schlimmsten Fall geht das mit der Abwertung einer ganzen Gruppe an Menschen einher. Der negative erste Eindruck anhand von Äußerlichkeiten wird als „Horn-Effekt“ bezeichnet.
Halo-Effekt vermeiden
Besonders im Berufsleben, in dem wir vielen unterschiedlichen Menschen begegnen, kann der Halo-Effekt zum Problem werden. Bei Bewerbungsgesprächen, der Beurteilung von Leistungen oder Beförderungen kann es schwerfallen, objektiv zu urteilen. Das ist durchaus menschlich, dennoch sollten wir aufpassen. Denn unsere gewonnenen Eindrücke bestimmen unser Verhalten, Kommunikation und Erwartungen an unser Gegenüber.
Reagiert unser Gegenüber anders als erwartet, sind wir verwirrt und müssen eventuell unseren ersten Eindruck überdenken – doch das fällt uns keinesfalls leicht. Ein einmal gefestigter Eindruck lässt sich nur schwer revidieren. Psycholog:innen oder Pressesprecher:innen lernen, mit solchen Beurteilungsfehlern umzugehen, auch für Personalverantwortliche kann sich ein solches Training lohnen.
Wie du im Privaten und im Berufsleben den Halo-Effekt verringern kannst:
- Vorab: Gänzlich kannst du den Halo-Effekt nicht vermeiden, denn wir treffen unsere Urteile über Menschen spontan. Aber das Wissen um den Effekt kann dir helfen, an einem Urteil nicht unreflektiert festzuhalten, sondern dir der Vorurteile, die beim Urteil vielleicht eine Rolle gespielt haben, bewusst zu werden.
- Es hilft, dominante Merkmale eines Menschen unabhängig zu betrachten. Eine Brille ist nur eine Brille und ein Anzug ein Kleidungsstück, das jeder auch unabhängig von seinen Qualifikationen anziehen kann.
- Prüfe deine Vorurteile. Wer wortgewandt ist, kann auch gut führen? Wir haben alle Abneigungen und Denkmuster und bevorzugen im Allgemeinen Menschen, die uns ähnlich sind, was ganz schnell zu unbewusster Diskriminierung führen kann. Wer aus der eigenen Heimatstadt kommt, ist nicht zwingend netter oder besser für den Job. Wer rot trägt, ist nicht unbedingt aggressiver und die Haarfarbe verrät sicher nicht, was sich im Kopf der Person abspielt.
Die eigenen Vorurteile gründlich zu prüfen schadet nie – und wer das zur Routine macht, trifft weniger voreingenommene Urteile und klügere Entscheidungen.
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