Utopia Image

Hormesis: Warum Stress auch gesund sein kann

hormesis
Foto: CC0 / Pixabay / ogmentry

Hormesis beschreibt das Phänomen, dass Belastungen und Giftstoffe sich in geringer Dosierung positiv auf unseren Körper auswirken können. Was hinter dem Konzept steckt und wie du es im Alltag umsetzen kannst, erfährst du hier.

Stress verbinden wir in der Regel mit etwas Negativem. Denn natürlich gilt: Wenn wir langfristig unter Druck stehen, chronisch gestresst sind und regelmäßig unsere mentalen und körperlichen Grenzen überschreiten, wird sich dies negativ auf unsere Gesundheit auswirken. Chronischer Stress begünstigt beispielsweise Bluthochdruck sowie depressive Zustände und führt zu ständiger Unruhe und Erschöpfung.

In der richtigen „Dosis“ hat Stress jedoch genau den gegenteiligen Effekt. Er kann dann unsere Gesundheit fördern, unsere Abwehrkräfte stärken und uns dadurch resilienter machen. Dieser Effekt wird auch als Hormesis bezeichnet.

Was ist Hormesis?

In der Toxikologie bezeichnet Hormesis das Phänomen, dass bestimmte Stoffe in niedriger Dosis stimulierend und positiv wirken, jedoch in hoher Dosis hemmende oder toxische Effekte haben. Dies beschreibt Mark Mattson, Professor für Neurowissenschaften an der John Hopkins University, in einem Forschungsbericht von 2008. In der Biologie und Medizin führen Forschende diesen Gedanken weiter: Hormesis beschreibt in diesen Fachgebieten die Anpassung von Zellen und Organismen an eine moderate Belastung.

Wenn Zellen also in Kontakt mit einem Gift oder einer Belastungssituation kommen, lernen sie den potentiell gefährlichen Stoff in einem geschützten und zeitlich begrenzten Rahmen kennen. So können sie Abwehrmechanismen entwickeln. Kehrt dieselbe Situation beziehungsweise derselbe Stoff wieder, ist unser Körper besser gewappnet und kann die bereits erlernten Abwehrstrategien schneller umsetzen.

Laut einem Artikel der Wissenschaftlerin Dr. Elissa Eppel, die sich an der University of California-San Francisco mit Alterung und Stoffwechselprozessen auseinandersetzt, können sogenannte hormetische Stressoren somit die Regenerationsfähigkeit fördern und zur Verjüngung von Zellen und Geweben führen. Hormetische Stressoren bezeichnet Dr. Eppel dabei als akute, intermittierende Stressfaktoren von mäßiger Intensität. Sie müssen also zeitlich begrenzt und in geringem Maß auftreten und von Erholungspausen unterbrochen werden. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn wir uns in kurzen Intervallen in eine heiße Sauna setzen, für ein paar Minuten kalt duschen oder ein paar Tage lang fasten.

Laut Eppel ist es sogar hinderlich für unsere Gesundheit, wenn uns solche hormetischen Stressoren fehlen. Dann könnten sich unsere Zellen schlechter regenerieren und Verjüngungsprozesse im Körper werden somit aufgehalten.

Hormesis-Effekte: Sport, Sauna, Fasten und Kälte

Die Sauna ist ein typischer Anwendungsbereich des Hormesis-Konzepts.
Die Sauna ist ein typischer Anwendungsbereich des Hormesis-Konzepts.
(Foto: CC0 / Pixabay / Mariakray)

Hormesis klingt zunächst nach einem komplexen wissenschaftlichen Konzept. Das ist es aus biochemischer Sicht auch. Doch im Alltag kannst du dich öfter Situationen aussetzen, in denen dein Körper mit hormetischen Stressoren konfrontiert ist:

  • Sport gilt laut Mattson als eines der bekanntesten Beispiele für Hormesis im Alltag. So kann zu starke körperliche Belastung über einen langen Zeitraum Verletzungen begünstigen und beansprucht Gewebe und Gelenke. In Maßen macht uns Sport hingegen widerstandsfähiger gegenüber Verletzungen und Krankheiten. Auch auf unser Nerven- und Verdauungsystem hat Sport positive hormetische Effekte, so Mattson.
  • Die Sauna ist ein weiterer Anwendungsbereich von Hormesis. Setzen wir uns lange Zeit hohen Saunatemperaturen aus, wird unser Körper fatalen Schaden nehmen. Kurze Saunaintervalle regen hingegen unser Immunsystem an, stärken dadurch die Abwehrkräfte und helfen sogar gegen Hautkrankheiten und hohen Blutdruck, so der NDR. Weitere Infos zu diesem Thema bekommst du hier: Finnische Sauna: Das macht sie so gesund.
  • Keine Nahrung aufzunehmen erscheint auf den ersten Blick alles andere als gesund. Doch auch hier gilt: Über einen kurzen Zeitraum kann Fasten positive Effekte auf unseren Körper haben. Der Grund dafür liegt wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge ebenfalls im Hormesis-Konzept begründet, berichtet der Tagesspiegel. Denn wenn wir aufhören zu essen, kommt es laut einem Forschungsbericht aus dem Jahr 2018 zur Autophagie. Dabei handelt es sich um einen Schutzmechanismus unseres Körpers, der beschädigte Zellen, Krankheitserreger und fehlerhafte Proteine beseitigt. Es kommt also zu einer Art „Aufräumarbeit“. Mehr dazu erfährst du hier: Richtig fasten: Anleitung und Tipps für gesundes Fasten.
  • Auch kurzfristige Kälteeinwirkung kann unseren Körper auf gesunde Weise stressen. Auf diesem Konzept bauen zum Beispiel auch die Wasseranwendungen von Sebastian Kneipp auf. Der Mediziner Dr. Thomas Dietze erklärt in einem MDR-Artikel, dass das Abspülen mit kaltem Wasser sowie das „Wassertreten“ in kaltem Wasser die Durchblutung und den Kreislauf anregen und bei Beschwerden wie Kopfschmerzen, Müdigkeit oder schweren Beinen helfen können.

Bei all diesen Anwendungen von Hormesis gilt: Achte auf dein Körpergefühl. Es sagt dir, wann dir die Luft in der Sauna zu heiß, das kalte Wasser zu intensiv oder der Sport zu anstrengend wird und der positive Effekt der Hormesis in negativen Stress umschlägt. Gerade wenn du nicht an Sauna, Kältekuren, Fasten und Workouts gewöhnt bist, solltest du erst einmal langsam anfangen und regelmäßige Erholungsphasen einplanen.

Weiterlesen auf Utopia.de:

English version available: Hormesis: How You Can Experience Healthy Stressors

Bitte lies unseren Hinweis zu Gesundheitsthemen.

** mit ** markierte oder orange unterstrichene Links zu Bezugsquellen sind teilweise Partner-Links: Wenn ihr hier kauft, unterstützt ihr aktiv Utopia.de, denn wir erhalten dann einen kleinen Teil vom Verkaufserlös. Mehr Infos.

Gefällt dir dieser Beitrag?

Vielen Dank für deine Stimme!

Verwandte Themen: