Kostüme, Kulisse, Catering: Der Dreh von Film- und Fernsehproduktionen verschlingt viele Ressourcen. Birgit Heidsiek von der Plattform Green Film Shooting erklärt gegenüber Utopia, wodurch die größten Klimabelastungen entstehen, wie die Filmbranche grüner werden will und vor welchen Herausforderungen sie dabei steht.
Rund 600 Tonnen CO2 hätte der Dreh von „Buddy“, eine Komödie von Michael Bully Herbig von 2013, unter üblichen Produktionsbedingungen freigesetzt. Bezogen auf die Angaben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMUV) von 2020 entspricht das den Emissionen von etwa 65 Einwohner:innen Deutschlands im gesamten Jahr. Durch die Bemühungen der Filmcrew, sich klimafreundlich zu verhalten und beispielsweise Ökostrom zu beziehen, wenig Dieselgeneratoren einzusetzen und Abfall zu vermeiden, ist es gelungen, diesen Wert auf knapp 400 Tonnen Kohlendioxid zu senken.
Dies ist ein Beispiel für nachhaltigeres Handeln innerhalb der Filmbranche, sagt Birgit Heidsiek, Politikwissenschaftlerin und Herausgeberin des unabhängigen Medienmagazins Green Film Shooting. Ein weiteres sei der Dreh der französischen Dokumentation „Les Incorrectes“ über die Sportpionierin Alice Milliat. Daran mitwirkende Sportlerinnen aus Neuseeland oder den USA interviewte die in Paris ansässige Regisseurin über das Videokonferenztool Zoom. Gedreht wurde mit lokalen Kamerateams vor Ort.
Klimabilanz der Filmbranche: Energie, Transport und Müll verursachen den größten Schaden
Projekte wie diese sind laut Heidsiek bislang aber eher die Ausnahme. Die Branche emittiert insgesamt viel CO2 und belastet die Umwelt. „Die größten Rollen spielen dabei Energie, Mobilität und Abfall“, erklärt sie. Strom, der unter anderem für die Beleuchtung am Set benötigt wird, kommt häufig aus Dieselgeneratoren, Schauspieler:innen reisen oft mit Flugzeugen zu den Drehorten, die Filmtechnik transportieren Lkws und durch Catering, Kostüme und Masken entsteht haufenweise Müll.
Wie viel genau, lässt sich Heidsiek zufolge kaum vereinheitlichen. Denn: Je nach Art und Ort des Drehs unterscheiden sich die Faktoren, die den CO2-Ausstoß beeinflussen. Frankreich beispielsweise nutzt einen anderen Energiemix als Deutschland; für den Dreh einer Naturdokumentation werden kleinere Teams benötigt als für einen Hollywood-Blockbuster. Obendrein unterscheiden sich auch die Rechner, mit denen die Kohlenstoffdioxidwerte erfasst werden.
All das erschwert die Berechnung der Klima- und Umweltkosten für einen Film- oder Fernsehdreh. Dennoch findet Heidsiek es sinnvoll, sich um eine verlässliche Datenbasis zu bemühen. „So kann letztlich ein Bewusstsein dafür entstehen, wie viel CO2 sich einsparen lässt“, sagt sie.
Ein wichtiger Schritt ist für die Expertin bereits geschafft: Lange spielte das Thema Nachhaltigkeit in der Filmbranche nur eine untergeordnete Rolle.
Viele Ansätze für mehr Umweltbewusstsein – aber noch kaum Einheitlichkeit
Das ändert sich nun langsam. „Viel ins Rollen gebracht hat 2012 die Einführung des Grünen Drehpasses durch die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein“, sagt Heidsiek. Mit dem Gütesiegel, das Filmteams beantragen müssen, werden umweltbewusste Dreharbeiten ausgezeichnet.
„In den ersten Jahren sind im Schnitt nur etwa 20 Produktionen im Jahr damit zertifiziert worden. Das war sozusagen ein Alleinstellungsmerkmal“, so die Expertin.
Mittlerweile bemühen sich deutlich mehr Produktionen um den Grünen Drehpass. Seit 2020 heißt dieser „Grüner Filmpass“ und verpflichtet überwiegend deutsch finanzierte und in Deutschland gedrehte Produktionen dazu, die gesamte Wertschöpfungskette von der Drehbuch-Entwicklung bis zur Verwertung im Kino, TV oder auf anderem Weg ökologisch zu gestalten.
Filmförderungsgesetz soll staatliche Unterstützung an Nachhaltigkeit binden
Seit Anfang dieses Jahres gibt es außerdem das neue Filmförderungsgesetz. Es sieht unter anderem vor, dass Filmprojekte nur dann Geld vom Staat erhalten, wenn sie „wirksame Maßnahmen zur Förderung der ökologischen Nachhaltigkeit“ treffen. Wie diese aussehen sollen, ist allerdings noch unklar. An Richtlinien zur Umsetzung des Gesetzes arbeitet die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien (BKM), Claudia Roth, gemeinsam mit der Filmförderungsanstalt (FFA).
Parallel dazu soll es ein Zertifikat für besonders nachhaltige audiovisuelle Produktionen geben. Erprobt werden die dafür erforderlichen Nachhaltigkeitskriterien derzeit mit Partnern in einem sogenannten Reallabor. Im Mai sollen die Ergebnisse vorliegen.
Der von der baden-württembergischen Filmförderung (MFG) gegründete Arbeitskreis „Green Shooting“ hat bereits im Oktober vergangenen Jahres unter dem Label „Green Motion” eine Reihe ökologischer Mindeststandards veröffentlicht – beispielsweise die Nutzung von Ökostrom am Set und eine fachliche Beratung durch Nachhaltigkeitsexpert:innen.
Zahlreiche Produktionsunternehmen, Sender, Streamingdienste und Filmverbände wie Constantin Film, das ZDF und Netflix haben sich den Standards verpflichtet. Claudia Roth zufolge sollen sie mit den Nachhaltigkeitskriterien der Filmförderungen von Bund und Ländern vereinheitlicht werden. Verbindliche Regelungen sollen ab kommendem Jahr vorliegen.
Schon jetzt können Filmteams mehr für Umwelt und Klima tun
„Bis das Thema Nachhaltigkeit fest in der Branche verankert ist, wird es somit noch ein wenig dauern“, schätzt Birgit Heidsiek. Bereits jetzt könne aber jede:r, der an Filmdrehs beteiligt ist, einen Beitrag für mehr Klima- und Umweltbewusstsein am Set leisten.
„Beispielsweise bei der Auswahl der Drehorte, um Reisen zu entlegenen Orten zu vermeiden oder, indem man Teile der Kulisse wiederverwertet; beim Catering auf regionale Produkte aus ökologischer Herkunft setzt und auf Food Waste verzichtet, indem das übriggebliebene Essen nach Drehschluss an Cast und Crew verteilt wird“, zählt sie auf. Eine der wichtigsten Maßnahmen ist für Heidsiek aber, dass Filmteams nach Möglichkeit aufs Fliegen verzichten und stattdessen auf umweltfreundlichere Reisemethoden setzen.
Vorsicht vor Greenwashing bei Filmdrehs
All das könnten der Expertin zufolge echte Beiträge für mehr Nachhaltigkeit in der Branche sein. Greenwashing sei dort aktuell noch ein Problem: Manche Teams nutzen Produkte wie Bambusgeschirr, das oft unter unfairen Arbeitsbedingungen in Asien hergestellt wurde und mit Containerschiffen nach Europa transportiert wird. Dort wird es fälschlicherweise als „kompostierbares Produkt” vermarktet, obwohl es Kunststoffklebstoffe enthält, die nicht abbaubar sind und die Umwelt belasten.
„Da mangelt es noch an Transparenz“, sagt Birgit Heidsiek. Sie empfiehlt, dass sich Filmschaffende frühzeitig mit dem Thema Nachhaltigkeit befassen: „Wenn man anfängt zu drehen, ist es dafür bereits zu spät.“
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