Etwa alle 15 Minuten schauen wir auf unser Handy. Doch obwohl wir das Smartphone ständig in der Hand haben, wissen die meisten nicht, was eigentlich drinsteckt. Utopia hat recherchiert, welche Rohstoffe im Handy verbaut sind – und warum man damit Kinderarbeit, bewaffnete Konflikte und massive Umweltzerstörung in Kauf nimmt.
Der Freundin schreiben, die Bahnverbindung checken oder die Rezensionen des nächstgelegenen Cafés lesen: Unser Smartphone ist ein hilfreicher Begleiter im Alltag. Damit die Minicomputer so funktionieren, wie sie sollen, braucht es eine Menge Bestandteile – und diese sind aus unterschiedlichen Gründen oft hoch problematisch.
Eisen, Aluminium und Kupfer: Smartphones bestehen vor allem aus Metallen
Smartphones haben auf der Rückseite ein Gehäuse und vorne einen Bildschirm mit Touchfunktion. Im Inneren der Geräte folgen kleinere, komplexe Bestandteile: der Akku, die SIM-Karte, Lautsprecher, Vibrationsmotor, Kamera sowie Leiterplatte und -bahnen samt Abdeckungen.
Die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe weist die wichtigsten Materialien in Smartphones aus: Zu rund 45 Prozent bestehen Smartphones demnach aus Metallen und zu 32 Prozent aus Glas. Kunststoffe machen 17 Prozent des Gewichts eines Smartphones aus, die übrigen sechs Prozent sind Materialverbunde, also mechanisch nicht trennbare Kunststoffe und Metalle.
In Untersuchungen identifizierte die Deutsche Rohstoffagentur 66 Elemente in einem Handy, bei 53 davon konnte sie den Anteil ermitteln. Am häufigsten werden folgende Metalle in Smartphones verbaut:
- Eisen
- Silizium
- Magnesium
- Aluminium
- Kupfer
- Nickel
- Chrom
- Zinn
- Zink
- Strontium
Diese zehn Metalle machen den Großteil der Metalle in einem Handy aus. Edelmetalle und Sondermetalle kommen nach Angaben der Rohstoffagentur zwar nur in geringen Mengen vor. Doch sie sind für die Funktionalität der Smartphones zwingend notwendig.
Gold und Co.: Wertvolle Rohstoffe im Handy
Das wird deutlich, wenn man sich die einzelnen Bestandteile eines Smartphones genauer anschaut: Die SIM-Karte eines Handys besteht teils aus Gold, der Akku ist aus Kobalt, Lithium, Mangan und Nickel gefertigt und ohne Wolfram würde das Gerät nicht vibrieren. Nachfolgend zeigen wir dir die unverzichtbaren Rohstoffe für dein Handy, die sehr große Probleme nach sich ziehen – ökologisch und für die Menschen, die sie abbauen.
In der Grafik siehst du beispielhaft Abbaugebiete wichtiger Handyrohstoffe:
Gold in Smartphones: Kinderarbeit, hochgiftiges Zyanid und gerodete Wälder
Das einstige Zahlungsmittel Gold ist auch heute noch eine Wertanlage und das beliebteste Material für Schmuck. Doch das Edelmetall ist nicht nur bares Geld wert, sondern wird wegen seiner Korrosionsbeständigkeit und Leitfähigkeit auch in der Kommunikationstechnik eingesetzt.
Wofür braucht es Gold im Smartphone?
Das Edelmetall Gold findet sich in der SIM-Karte und der Leiterplatte sowie den Leiterbahnen; kurz gesagt überall dort, wo sich Bauteile berühren und Spannung zwischen ihnen fließen soll.
Was ist am Rohstoff Gold problematisch?
Die globalen Goldreserven sind geographisch breit gestreut, das Edelmetall wird nicht nur industriell, sondern auch im Kleinbergbau gewonnen. Der industrielle Goldbedarf sank in den vergangenen Jahren – auch weil beispielsweise Kupfer Gold in einigen Elektronikkomponenten verdrängt. Die DERA stuft Gold deshalb nicht als kritisch im Sinne der Versorgungssicherheit ein.
Dennoch zieht der Goldabbau diverse Probleme nach sich: Große Goldminen liegen vorrangig in China, Australien, Russland, den USA, Kanada und Südafrika. Seit einigen Jahren nimmt der Goldabbau auch in anderen afrikanischen Staaten und in Lateinamerika stark zu.
Da Gold meist noch von anderen Gesteinen getrennt werden muss, kommen oft giftige Chemikalien wie Zyanid und Quecksilber zum Einsatz. Menschen, die in den Goldminen arbeiten, erhalten oft keine ausreichende Schutzausrüstung. Die Chemikalien schädigen zudem Tiere und Gewässer.
Human Rights Watch berichtet zudem immer wieder von Kinderarbeit im Goldabbau – Kinder schürfen Gold unter gefährlichen Bedingungen und kommen mit giftigem Quecksilber in Kontakt.
Auch die Umwelt leidet: Für neue Minen werden Wälder gerodet, der Abbau und die Aufbereitung verbrauchen eine Menge Wasser. Für nur ein Kilogramm Gold werden nach Angaben der DERA knapp 700.000 Liter Wasser benötigt. Dies entspricht etwa dem Jahresverbrauch von 15 Ein-Personen-Haushalten in Deutschland.
Daneben können sich in Goldminen saure Grubenwässer bilden. Ein Beispiel, das die verheerenden Ausmaße verdeutlicht, ist der weltgrößte Goldförderbezirk Witwatersrand in Südafrika. Dort treten Schätzungen zufolge täglich belastete Grubenwässer an die Oberfläche, die dem halben Wasserbedarf von Berlin entsprechen. Die kommunale Wasserversorgung leidet massiv darunter.
Lies dazu auch: Nachhaltiges Gold: Das solltest du beim Goldkauf wissen
Lithium für Smartphone-Akkus: Umweltverschmutzung in Südamerika
Das Leichtmetall Lithium gewinnt zunehmend an Bedeutung: Der Akku eines Smartphones benötigt Lithium – ebenso wie die Akkus in E-Autos. Der Vorteil des Stoffes: Lithium-Batterien können im Verhältnis zur Größe viel Energie speichern, so das Informationszentrum Mobilfunk.
Wofür braucht es Lithium im Smartphone?
Smartphones ziehen ihre Energie aus Lithiumionenbatterien.
Was ist am Rohstoff Lithium problematisch?
Lithium wird aus Gestein abgebaut und in Konzentraten angereichert (in Australien) oder aus lithiumhaltigen Solen gewonnen (in Südamerika). Die größten Lithium-Vorkommen liegen in Australien, Argentinien, Bolivien und Chile. In Chile etwa wird Lithium seit Jahrzehnten im industriellen Maßstab gefördert.
Immerhin: Kinderarbeit oder gefährliche Arbeitsbedingungen im Bergbau sind im südamerikanischen „Lithium-Dreieck“ kein großes Problem. Ein Branchenexperte gab gegenüber Utopia an, dass Arbeiter:innen im chilenischen Lithiumabbau im Vergleich zu anderen Branchen gute Gehälter beziehen.
Aber: In Südamerika verschmutzen die verwendeten Chemikalien zum Lösen des Lithiums das Grundwasser und örtliche Gewässer. Da Flusswasser vor Ort als Trinkwasser und zur Bewässerung dient, gefährdet das die Gesundheit der lokalen Bevölkerung.
Um Lithium zu gewinnen, muss Wasser in riesigen Solebecken verdunsten – daher ist der Wasserverbrauch enorm. Der dadurch sinkende Grundwasserspiegel verschärft die Wasserknappheit vor Ort.
Lies dazu auch: Lithium-Abbau: Das solltest du darüber wissen
Tantal: Coltan-Abbau begünstigt Bürgerkrieg
Tantal ist ein weniger bekanntes Metall, zählt aber neben Gold, Wolfram und Zinn zu den sogenannten Konfliktmineralien (bzw. Konfliktrohstoffen). Tantal ist für die Elektronik- und Kommunikationsindustrie unentbehrlich.
Wofür braucht es Tantal im Smartphone?
Als Rohstoff im Handy wird Tantal in der Leiterplatte des Geräts benötigt, um elektrische Ladung und Energie zu speichern. Die leistungsstarken Kondensatoren mit Tantal sorgen laut Informationszentrum Mobilfunk dafür, dass Smartphones immer kleiner gebaut werden können und dennoch eine lange Lebensdauer haben.
Was ist am Rohstoff Tantal problematisch?
Um das Metall Tantal zu gewinnen, muss man das Erz Coltan abbauen. Der selten vorkommende Rohstoff wird vor allem in Zentralafrika (zum Beispiel in der Demokratischen Republik Kongo), Brasilien und Australien gefördert.
Bodenschätze wie Coltan finanzieren im Osten der Demokratischen Republik Kongo den immer wieder aufflammenden Bürgerkrieg mit (Quelle: Christliche Initiative Romero). Die Kleinschürfer:innen arbeiten meist unter prekären Bedingungen: Ohne Arbeitskleidung, in ungesicherten Tunneln und zu Hungerlöhnen. Auch Kinderarbeit und moderne Lohnsklaverei sind der Initiative zufolge an der Tagesordnung.
Wolfram: Gefährliche Minenarbeit für Handy-Rohstoff
Das Schwermetall Wolfram ist korrosionsbeständig und leitfähig. Es hat zudem einen hohen Schmelzpunkt und wird deshalb auch in der Leuchtmittelindustrie verwendet.
Wofür braucht es Wolfram im Smartphone?
Wolfram wird im Handy verwendet, um den Vibrationsalarm bei Anrufen und Nachrichten auslösen zu können.
Was ist am Rohstoff Wolfram problematisch?
Der Abbau von Wolfram ist sehr aufwendig, das Metall zählt zu den Konfliktrohstoffen. China ist der mit Abstand größte Wolframproduzent; das Element kommt zudem in großen Mengen in Russland, Kanada, USA, Bolivien und in Österreich vor. Die Arbeitsbedingungen in den Minen sind teils schlecht, wie das Informationszentrum Mobilfunk schreibt. Und gefährlich: Kommt man mit Wolfram in Kontakt, kann es zu Reizungen von Haut und Augen kommen, das Einatmen reizt Schleimhäute und Lunge.
Zinn: Umweltzerstörung On-Shore und Off-Shore
Zinn kennen viele von alten Bechern und Dosen – in Handys vermutet man das Metall nicht sofort.
Wofür braucht es Zinn im Smartphone?
Zinn wird im Touchscreen und der Abdeckung darunter verbaut. Es verbindet die einzelnen Elektronikbauteile mit der Leiterplatte und leitet elektrische Energie weiter.
Was ist am Rohstoff Zinn problematisch?
Auch wenn Zinn uns im Alltag womöglich geläufiger ist als Tantal oder Wolfram, zählt es ebenso zu den Konfliktmineralien. China, Indonesien und Myanmar zählen zu den größten Zinnproduzenten, gefolgt von Bolivien, Peru und Brasilien.
Wie die DERA schreibt, kann der flächenintensive Zinnabbau wertvolle Kultur- und Naturräume schädigen. Die Agentur kritisiert schlechte Arbeitsbedingungen und fehlende Renaturierung. In Indonesien etwa schädigt die angewandte Kiespumpengewinnung von Lockermaterial den Boden. Die Off-Shore-Gewinnung von Zinn erfolgt mit Baggern am Meeresboden. Das kann Korallenbänke und damit ganze Ökosysteme zerstören.
Konfliktrohstoffe im Handy – wie geht es besser?
Smartphones bestehen aus zahlreichen verschiedenen Rohstoffen, die von überall auf der Welt stammen. Der Abbau und die Weiterverarbeitung bringen zahlreiche Probleme mit sich.
Derzeit sind trotz einzelner Initiativen zum Recycling oder der faireren Gewinnung von Rohstoffen keine echten, großflächig einsetzbaren Alternativen am Horizont zu erkennen. Hier müssen Hersteller noch viel stärker in die Pflicht genommen werden, ihre Lieferketten bis hin zum Abbau der Mineralien zu überprüfen und alle Beteiligten stärker zu schützen.
Um die katastrophalen Arbeitsbedingungen der Minenarbeiter:innen zu verbessern und Umweltzerstörung beim Rohstoffabbau zu verhindern, sind also in erster Linie Unternehmen und Politik gefragt. Das Lieferkettengesetz muss ausgeweitet sowie die Kontrollen in den Abbaugebieten verstärkt werden. Gemäß der Verordnung für die Konfliktmineralien Zinn, Tantal, Wolfram und Gold von 2021 haben Importeure dieser Stoffe in der EU weitgehende Sorgfalts- beziehungsweise Prüfpflichten. Das Gesetz ist ein wichtiger Schritt, reicht aber nicht aus.
Was können wir tun?
Auch wir Konsument:innen dürfen nicht länger sorglos mit Smartphones und anderer Elektronik umgehen. Die wichtigsten Maßnahmen, die jede:r Einzelne treffen kann:
- Das Smartphone möglichst lange nutzen.
- Den Elektronikkonsum insgesamt reduzieren – vor Neuanschaffungen gut überlegen: Brauche ich das wirklich?
- Bei kleineren Defekten Smartphones und andere Elektronik nicht gleich entsorgen, sondern reparieren (lassen).
- Handys, Tablets, Laptops & Co. gebraucht kaufen: Für Second-Hand-Geräte müssen keine neuen Ressourcen eingesetzt werden.
- Wenn es doch ein neues Gerät sein soll, kauf ein nachhaltigeres Smartphone: Fairphone aus den Niederlanden und Shiftphone aus Deutschland arbeiten bereits fairer als die großen Konzerne. Lies dazu: Nachhaltiges Handy: Das sind die besten Modelle – und darauf musst du achten
Auch wichtig: Alte und kaputte Smartphones solltest du nicht in der Schublade liegen lassen, sondern bei Sammelstellen abgeben, damit die Rohstoffe recycelt werden können. Das verbaute Gold etwa kann zu fast 100 Prozent wiederverwendet werden. Da die Sammelraten allerdings so niedrig sind, wird das Gold nach Schätzungen der DERA derzeit zu weniger als 40 Prozent zurückgewonnen. Hier können Verbraucher:innen, die defekte Smartphones oder andere Elektronik abzugeben haben, gegensteuern.
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