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Lebensmittelverschwendung im Catering: Viel zu viel landet in der Tonne

Lebensmittelverschwendung Catering
Fotos: © Andrey Popov, LElik83 - Fotolia.com

Ob Tagung, Krankenhaus, Kantine, Hotel oder große Feiern – viele der dort bereit gestellten Lebensmittel landen im Müll. Die Gründe dafür sind vielfältig. Von rechtlichen Hürden, Beispielen aus der Praxis und Projekten, die etwas dagegen tun.

Lebensmittel sind wertvoll, weil sie aufwendig produziert werden und wir nicht unendlich viele davon haben. Laut Umweltbundesamt landen aber allein in privaten Haushalten in Deutschland jährlich ca. 6,7 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Hinzu kommt der Lebensmittelmüll aus Restaurants, Großküchen und dem Eventcatering. Er beträgt pro Gast und pro Jahr rund 23,6 Kilogramm – das heißt: ein Drittel dessen, was den Gästen an Essen serviert und an Büffets bereitgestellt wird, landet im Müll.

Und außer Haus wird immer mehr gegessen: Die Gastronomie-Branche ist hierzulande nach dem Lebensmitteleinzelhandel der wichtigste Absatzweg für Lebensmittel – und ein stetig wachsender Markt.

Außer Haus essen: Warum wird so viel weggeworfen?

Die Gründe, warum so viele Lebensmittel verschwendet werden beim sogenannten Außer-Haus-Verzehr, sind vielfältig: Von Überproduktion, Fehlkalkulation, Lagerung, über Essen, das als Dekoration dient, Abfälle, die beim Kochen direkt anfallen, bis hin zu den Eigenheiten verschiedener Gästegruppen – meist kommen viele Faktoren zusammen. Kalkulieren Veranstalter zum Beispiel die Teilnehmerzahl zu großzügig, bleibt viel zu viel Essen übrig. Zu große Teller verleiten Gäste dazu, sich mehr vom Büffet zu nehmen, als sie tatsächlich essen.

Catering Umweltbundesamt
Catering gibt es zu vielen Gelegenheiten. Überall lassen sich Lebensmittelabfälle vermeiden. (Grafik: © Umweltbundesamt)

Lebensmittel weitergeben: Hygiene geht vor

Ökotrophologe Timo Schmitt von der Berliner Tafel hat täglich mit Resten aus dem Catering zu tun. Sein Verein sammelt Lebensmittelspenden ein und verteilt diese an Bedürftige. Bei der Berliner Tafel leitet Schmitt den Bereich Hygiene, Arbeitsschutz und Logistik.

Timo Schmitt Berliner Tafel
Timo Schmitt von der Berliner Tafel  (Foto: Berliner Tafel)

Er berichtet aus der Praxis: „Für den Caterer ist es oft einfacher, die restlichen Lebensmittel wegzuschmeißen“, schließlich werden die Kosten für die Entsorgung schon bei der Preiskalkulation berücksichtigt und die Lebensmittel weiter zu verteilen sei mit Arbeit verbunden.

Doch wann dürfen Lebensmittel überhaupt weitergegeben werden? Einige Lebensmittel im Außer-Haus-Markt scheiden aus hygienischen Gründen aus: So zum Beispiel alle Lebensmittel, die in Selbstbedienungsbuffets auslagen – das gilt auch für die beliebten Salatbuffets in Supermärkten. Schließlich kommen dort die Kunden mit dem Essen direkt in Kontakt, was die Weitergabe schwierig macht.

Rechtliche Hürden: Produkthaftungsgesetz

Ein weiteres Hygiene-Problem bei der Weitergabe von Lebensmittelresten: Bei der Abholung kühlpflichtiger Waren muss die Kühlkette eingehalten werden. Sonst besteht die Gefahr, dass sich Bakterien oder Keime im Essen anreichern und Menschen an dem Essen erkranken. Eine mögliche Gefahr, der Caterer entgehen wollen. Denn: Laut Produkthaftungsgesetz haftet derjenige, der die Speisen herstellt.

Doch warum nicht einfach vor Ort die Kunden oder Gäste einen Haftungsausschluss unterschreiben lassen – und somit die Reste mitgeben können? „So einfach funktioniert das nicht“, erklärt Schmitt. Durch das Produkthaftungsgesetz könne man die Haftung für die Lebensmittel nicht komplett auf die Gäste übertragen – auch deswegen seien so viele Caterer zurückhaltend bei der Weitergabe der Lebensmittelreste.

Die Berliner Tafel holt auch kühlpflichtige Ware ab: Sie hat spezielle Kühlwagen, in denen sie solches Essen transportiert. „Lebensmittel, die wir von Caterings abholen, versuchen wir am gleichen Abend oder spätestens am nächsten Morgen weiterzugeben“, so Schmitt. Private oder andere „Lebensmittelretter“ ohne spezielle Kühltransporte könnten die Kühlkette jedoch nicht so gut einhalten – deswegen würden die Caterer oft zögern, solche Lebensmittel weiterzugeben.

Catering Lebensmittelabfälle Wurst Käse Platte
Catering am Frühstücksbuffet: Wurst und Käse (Foto: Pixabay, CCO Public Domain)

Wenig Bewusstsein, viel Bedarf an Verbesserung

Was muss passieren, damit weniger Lebensmittel im Catering weggeworfen werden? Eine Möglichkeit: Mehr Transparenz und ein geschärftes Bewusstsein, dass hier wertvolle Lebensmittel entsorgt werden. „Die Caterer sollten dem Kunden schon in der Planung sagen: Es wird Reste geben, wir würden diese dann weitergeben und spenden“, schlägt Schmitt vor.

Doch nicht nur bei der Planung sollte man ansetzen, sondern auch bei der Art und Weise, wie Speisen präsentiert werden: „Bei der Selbstbedienungstheke zum Beispiel sollten die Caterer warten, bis die Schüsseln leer sind und dann erst nachlegen.“ Denn: Volle Schüsseln bis zum Ende der Veranstaltung bedeuten auch, dass viel Essen in der Tonne landet.

Das darf weitergegeben werden

Essen von der Selbstbedienungstheke sowie kühlpflichtige Ware darf also unter Umständen nicht weitergegeben werden. Eine Ausnahme am Buffet gibt es: Wenn das Essen von geschultem Personal ausgegeben wird und die Endverbraucher keinen direkten Kontakt mit den Speisen haben, können übrig gebliebene Lebensmittel später gespendet werden.

Und dann gibt es noch die Lebensmittel, die nie die Küche oder den für die Gäste unzugänglichen Catering-Bereich verlassen haben: Auch diese dürfen weitergegeben werden. „Wir nehmen unverarbeitete Rohware, Frischware, Obst, Gemüse, kühlpflichtige Ware, Backwaren, Getränke, Gewürze und Öl“, erklärt Schmitt. Sensible Lebensmittel mit Verbrauchsdatum sowie tierische Rohprodukte (Fisch, Hack) sind jedoch tabu.

Diese Initiativen tun etwas

Schmitt schätzt, dass aktuell ungefähr 80 Prozent der Caterer keine Konzepte zur Müllvermeidung verfolgen. Doch ganz so pessimistisch ist die generelle Lage nicht: Zahlreiche Initiativen, Verbünde und Unternehmen wollen die Lebensmittelverschwendung im Außer-Haus-Markt reduzieren:

  • Mit der App „Too good to go“ können Restaurants, Cafés und Bäckereien ihre Lebensmittelreste für wenig Geld anbieten. Das Prinzip: Betriebe stellen die überschüssigen Speisen kurz vor Ladenschluss ein, der Kunde reserviert und holt sie im Restaurant ab. Ein ähnliches Prinzip bietet die App ResQ, sie listet jedoch deutlich weniger Anbieter.
  • Die Initiative United against the Waste bietet ganzheitliches Food-Waste-Management und praxistaugliche Lösungen.
  • FoodWIN: Europäisches Innovation Netzwerk für Nahrungsmittelabfälle, bietet ebenfalls komplette Konzepte für die Lebensmittelrettung an, u.a. für Verwaltungen.
  • Das Institut für nachhaltige Ernährung der Fachhochschule Münster untersucht in mehreren Projekten die Verringerung von Lebensmittelabfällen und erstellt Konzepte für die Praxis (z. B. in Schulen und Großküchen). Das zum Institut gehörige Projekt Nahgast beschäftigt sich mit dem nachhaltigen Wirtschaften in der Außer-Haus-Gastronomie.
  • Die Plattform Lebensmittelwertschätzen listet spannende Positivbeispiele für die Reduzierung von Lebensmittelabfällen in Gastronomie, Catering und Gemeinschaftsverpflegung auf.
  • Die Aktion „Restlos genießen“ möchte Restaurants dazu animieren, ihren Gästen das Einpacken der Reste aktiv anzubieten.
  • Über die Internetplattform foodsharing können privat überschüssige Lebensmittel verteilt werden.
  • Auch ein wichtiger Aspekt: mehr Bio in den Kantinen. Das Netzwerk BioMentoren unterstützt Verantwortliche bei der Einführung von Bio-Lebensmitteln in der Außer-Haus-Verpflegung.

Weniger Lebensmittel verschwenden: Tipps für Caterer

Auch das Umweltbundesamt hat 2016 einen umfassenden Leitfaden (pdf) zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen und einem nachhaltigeren Catering herausgebraucht. Hier ein paar Tipps für Veranstalter und Caterer:

  • Schon bei der Catering-Planung ansetzen und bewusst machen, dass die Verschwendung tierischer Lebensmittel deutlich Klima-schädlicher ist als die pflanzlicher Lebensmittel
  • Lebensmittelauswahl: saisonale Bio-Lebensmittel aus der Region, möglichst wenig verpackt
  • Karaffen mit Leitungswasser anbieten
  • Kleinere Platten wählen, Gäste beraten bei Speisen und Portionsgröße
  • Individuelle, kleine Veränderungen bewirken oft viel: kleinere Brötchen backen, keine Körbe für Brot & Brötchen bereitstellen, kurz vor Frühstücksende Rührei nur auf Nachfrage produzieren
Catering Umweltbundesamt Plattengröße
Eine kleinere Plattengröße reduziert Lebensmittelreste. (Grafik: © Umweltbundesamt)

Lebensmittelverschwendung im Catering: Es muss noch viel passieren

Ob Kantine, Mensa, Krankenhaus oder Schulverpflegung: Der Außer-Haus-Markt ist vielseitig und komplex – auch deswegen fehlen flächendeckenden Konzepte. Angesetzt werden muss vor allem bei der Kommunikation, der Organisation und der Planung.

Und was muss noch getan werden? Schmitt von der Berliner Tafel sieht beim Gesetzgeber Handlungsbedarf, etwa dadurch, dass per Unterschrift bestätigt werden kann, dass man keine rechtlichen Ansprüche an den Caterer stellt. Somit würde die Weitergabe von Lebensmittelresten erleichtert. Er hofft auf Veränderung: „Lebensmittelverschwendung im Catering wurde viel zu lange nicht ernst genommen“.

Welche Erfahrungen habt ihr mit Lebensmittelverschwendung im Außer-Haus-Markt gemacht? Schreibt uns in den Kommentaren.

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