Der Lithium-Abbau steht schon lange in der Kritik. Wegen des Elektroauto-Booms steigt die Nachfrage nach Lithium rasant an, doch der Abbau läuft meist verantwortungslos ab. Gibt es auch "faires" Lithium?
Lithium ist ein wichtiger Rohstoff, der für zahlreiche Produkte nötig ist:
- Smartphones
- Notebooks
- E-Autos
- Glas- und Keramikprodukte
- Batterien
- Schmierstoffe
Die größten Lithium-Vorkommen befinden sich in Chile, Australien und Argentinien. Gemeinsam mit Bolivien bilden Argentinien und Chile das sogenannte Lithium-Dreieck. Dort lagert es in Salzseen, die ausgetrocknet werden, um es zu entnehmen. In der Wüstenregion ist das natürlich besonders problematisch.
Die hohe Nachfrage nach dem begehrten Lithium stellt für diese Staaten eine wichtige Chance dar, Armut und soziale Ungleichheit im eigenen Land zu verringern.
Die Erfahrung beim Abbau vieler anderer Rohstoffe hat in den vergangenen Jahrzehnten allerdings gezeigt, dass Rohstoffreichtum auch zu mehr sozialer Ungleichheit führen kann (PDF). Vor allem in ländlichen Gebieten der rohstoffreichen Länder bleibt vielen Menschen nichts anderes übrig, als im Kleinbergbau zu arbeiten. Das tun sie dort oft zu katastrophalen Bedingungen – vor allem, wenn es sich um illegalen Kleinbergbau handelt.
Damit sich dieser „Rohstofffluch“ oder „Ressourcenfluch“ nicht beim Lithium-Abbau wiederholt, setzen sich Regierungen und NGOs für eine stärkere Umverteilung der Erlöse aus dem Lithiumverkauf ein.
Lithium-Abbau für E-Autos: Nachfrage steigt rasant
Der Lithium-Abbau nimmt bei der Produktion von E-Autos derzeit eine Schlüsselrolle ein. Alle namhaften Hersteller von Elektroautos setzen auf einen von Lithium-Ionen-Batterien angetriebenen Elektromotor und forschen an Optimierungen der Lithium-Speichertechnologie. Lediglich ein chinesischer Batteriekonzern hat 2023 eine Natrium-Ionen-Batterie angekündigt – also ohne die Problemrohstoffe Lithium und Kobalt. Es bleibt jedoch unklar, ob diese sich durchsetzen können wird.
Auch in der Zukunft wird Lithium daher höchstwahrscheinlich wichtig bleiben. Grund für die herausragende Rolle des Lithiums ist die hohe Energie- und Leistungsdichte des Metalls. Auch in den meisten tragbaren Elektronikprodukten werden Lithium-Ionen-Batterien verwendet, darunter Kameras, Smartphones und Notebooks.
Die Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien findet in der Regel nicht in dem Land statt, in dem der Rohstoff Lithium abgebaut wurde. Bei der Batterieproduktion sind aufwendige technische Verfahren notwendig, um eine hohe Reinheit des Lithiums zu gewährleisten und somit zum Beispiel brennende Lithium-Ionen-Batterien auszuschließen.
In den USA und Europa gibt es seit kurzem zwar die ersten kleineren Batterieproduzenten. Trotzdem verbleibt der Hauptanteil der Lithium-Ionen-Batterieproduktion weiterhin in Korea, China und Japan, wo Kompetenzen und entsprechend ausgebildete Angestellte vorhanden sind. Damit verbleiben auch die meisten Einnahmen in diesen Ländern und nicht in den Rohstoffländern, in denen der Lithium-Abbau erfolgt.
Wo wird Lithium abgebaut?
Lithium kann entweder in Bergwerken aus dem Gestein abgebaut (zum Beispiel in Australien) oder aus Salzseen (Salaren) gewonnen werden.
Vor allem in Chile, Argentinien und Bolivien gibt es in den Bergen Salzseen, die unter der Oberfläche hochkonzentriertes Lithium enthalten. Das Salzwasser, genannt Sole, wird meist nach oben gepumpt, verteilt und mithilfe von Chemikalien verdunstet.
Dieser Lithium-Abbau ist allerdings problematisch: Wie Deutschlandfunk berichtet, sinkt durch das Verdunsten des Wassers das Grundwasser in Regionen, in denen es ohnehin kaum regnet. Außerdem werden immer wieder Gewässer mit dem Salzwasser kontaminiert und verschärfen die Wasserknappheit. Chemikalien zum Trennen des Lithiums verbreiten sich dem Bericht zufolge in der Umwelt und sind möglicherweise die Ursache für ein jahrelang andauerndes Viehsterben.
In Argentinien kommt alternativ das sogenannte „Direct Lithium Extraction“-Verfahren zum Einsatz: Die Sole wird in eine Anlage gepumpt und das Lithium durch chemische Prozesse direkt herausgezogen. Das hat Potenzial, umweltfreundlicher zu sein, weil dafür kein Wasser verdunstet werden muss.
Folgen des Lithium-Abbaus für die Umwelt
Die steigende Nachfrage nach Lithium auf dem Weltmarkt führt dazu, dass auch in bisher unberührten Landschaften neue Abbaugebiete eröffnet werden. Dazu gehören insbesondere der bolivianische Salar de Uyuni und der tibetische Zabuye-Salzsee „mit entsprechenden Folgen für die Ökosysteme“, so die Schweizerische Akademie der Technischen Wissenschaften. Denn Wasser ist für das gesamte Ökosystem die essenziellste Ressource, sodass bei Wassermangel sehr schnell alles aus dem Gleichgewicht geraten kann.
Ein besonders großes Problem ist beim Lithium-Abbau in Lateinamerika die Verschmutzung der Gewässer. Da das Flusswasser als Trinkwasser und zur Bewässerung der Felder verwendet wird, gefährdet eine Kontaminierung durch Lithium-Abbau die Gesundheit der Menschen in der Region. Hintergrund ist, dass beim Lithium-Abbau viele Chemikalien zum Lösen des Lithiums eingesetzt werden und nicht brauchbare Schwermetalle in die Umwelt gelangen. Beides kontaminiert das Grundwasser und gefährdet die Trinkwassersicherheit der Menschen vor Ort.
Lithium-Abbau als Chance?
Der größte Lithium-Produzent der Welt ist Australien, gefolgt von Chile und China. Wenngleich diese Länder derzeit das meiste Lithium fördern, lagern die größten Lithiumressourcen noch unter der Erde Lateinamerikas. Schätzungsweise rund 60 Prozent der gesamten Lithium-Ressourcen lagern in Salzseen in Bolivien, Chile und Argentinien. Allein in bolivianischen Salzseen sollen Schätzungen zufolge rund 21 Millionen Tonnen lagern.
Aufgrund staatlicher Regulierungen wird Lithium in Bolivien bisher nur in kleinen und größtenteils illegalen Minen abgebaut. Denn im Gegensatz zu den beiden Nachbarn im Lithium-Dreieck ist der Abbau des Rohstoffs nicht für private Unternehmen geöffnet, sondern stark reglementiert.
Bolivien ist eines der lateinamerikanischen Länder, das mit den Einnahmen der Rohstoffexporte eine Umverteilung anstrebt. Besonders hervorzuheben ist der von den Regierungen erklärte Zusammenhang zwischen den Exporten des Bergbausektors und ihrer angestrebten Sozialpolitik:
Um mit dem Lithium dieses „gute Leben“ (Buen Vivir) zu verwirklichen und keinen neuen Rohstofffluch zu beginnen, setzt die bolivianische Regierung strenge Reglementierungen für die Zusammenarbeit mit privaten multinationalen Unternehmen. So sollen Gewinne aus dem Lithium-Abbau nicht an private Unternehmen im Ausland fließen, sondern dem Land einen Industrialisierungssprung ermöglichen. Dazu sind vor allem sozialpolitische Maßnahmen vorgesehen.
2023 hat Bolivien mit dem chinesischen Konsortium CBC vereinbart, zwei Industriekomplexe zum Lithium-Abbau zu entwickeln. Es soll eine Milliarde US-Dollar in Infrastruktur wie Stromversorgung und Straßen gesteckt werden. Das bolivianische Staatsunternehmen will in der Zusammenarbeit jedoch weiterhin die Produktionskette von Abbau bis Vermarktung selbst kontrollieren. Ab 2025 sollen Batterien aus der Kooperation exportiert werden. Später in dem Jahr unterschrieb Bolivien außerdem eine Zusammenarbeit mit der kanadischen Uranium One Group mit ähnlichen Zielen.
Gibt es "besseres" Lithium?
Vorab festzuhalten ist, dass Recycling, eine lange Nutzung und weniger Konsum wichtig und nötig sind, um die Umwelt zu schonen. Alte Handys, Laptops oder andere Geräte, in denen Lithium vorhanden sind, sollten weiterverkauft oder fachgerecht entsorgt werden, damit die wertvollen Rohstoffe wiederverwendet werden können.
Außerdem könnte eine gut ausgearbeitete und streng kontrollierte Zertifizierung ein Mittel gegen Lithium aus menschenunwürdigen und umweltschädlichen Bedingungen sein. Kann Lithium-Abbau denn überhaupt umweltfreundlich ablaufen?
Wie etwa bei Gold (mehr dazu im Artikel Goldrichtig – Fairtrade zertifiziert Gold) könnten auch für den Lithium-Abbau soziale und ökologische Mindeststandards eingeführt werden. Darunter fiele etwa ein Verbot von Kinderarbeit und die Pflicht, wassersparende Techniken einzusetzen – zum Beispiel, damit das lithiumhaltige Wasser nicht verdunstet, sondern weiterverwendet werden kann.
Bisher gibt es aber weder ein Siegel noch andere Möglichkeiten, um „besseres“ Lithium zu erkennen. Das hängt auch damit zusammen, dass die meisten Rohstoffzertifizierungen auf dem System der physischen Rückverfolgbarkeit basieren. Das bedeutet, dass zertifizierte Rohstoffe von nichtzertifizierten Rohstoffen getrennt gelagert, eingekauft und verschickt werden müssen – und das alles überwacht.
Im Gold-Bergbausektor haben sich verschiedene Zertifizierungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten durchgesetzt. Sie legen den Fokus entweder auf soziale Standards, Nachhaltigkeitsstandards oder die Einhaltung der OECD-Leitsätze (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung).
Eine mögliche Zertifizierung des Lithiums hängt aber auch von der Nachfrage der Batterie-Produzenten nach zertifizierten Rohstoffen ab und damit letztlich auch von den Endkund:innen. Die Offenlegung der Lieferkette für Elektronikprodukte gibt es derzeit bei kaum einem Hersteller, darunter zum Beispiel der niederländische Smartphone-Hersteller Fairphone. Lithium gehört beim Fairphone 5 zu den 14 sogenannten Fokusmaterialien aus Recycling oder fairer Quelle.
Die Nachfrage nach den Fairphone-Handys sei zwar da, doch mit vergleichsweise geringen Stückzahlen von 100.000 Exemplaren pro Jahr habe Fairphone zu wenig Einfluss bei Zulieferern, analysieren Branchendienste.
Doch inzwischen tut sich etwas: Im branchenübergreifenden Projekt „Responsible Lithium Partnership“ will sich Fairphone gemeinsam mit BMW, BASF, Mercedes, Daimler und Volkswagen für verantwortungsvollen Umgang mit natürlichen Ressourcen im Salar de Atacama einsetzen.
Lithium aus Deutschland
Auch in Deutschland gibt es Projekte, um Lithium zu gewinnen oder abzubauen. Eine Möglichkeit, die erforscht wird, ist die Gewinnung durch Geothermie. Voraussetzung dafür ist allerdings ein hoher Lithium-Gehalt im Tiefenwasser.
2020 gab es ein erstes Forschungsprojekt mit dem Karlsruher Institut für Technologie. Mit mehreren Partnern wurde eine Pilotanlage im Geothermiekraftwerk in Bruchsal eingerichtet. Gewonnen wird das Lithium aus dem Tiefenwasser, das für die Wärme- und Stromerzeugung genutzt wird. Bevor dieses wieder in die Erde zurückgepumpt wird, läuft es durch die Anlage und eine lithiumreiche Lösung entsteht. Anschließend wird die Lösung zu Lithiumsalz verarbeitet, das wiederum in der Batterieherstellung genutzt werden kann.
Auch in der Lüneburger Heide haben Probebohrungen stattgefunden, um Lithium über Tiefenwasser zu gewinnen. In Landau in der Pfalz wurde 2023 eine Pilotanlage gestartet und dort soll voraussichtlich ab 2026 eine industrielle Nutzung beginnen.
Ein weiterer Ort, an dem Lithium gewonnen werden soll, ist das sächsische Erzgebirge. Dort soll aber der Rohstoff im klassischen Bergbau abgebaut werden. Allerdings ist, unabhängig davon, wo der Rohstoff abgebaut oder gewonnen wird, die Endlichkeit ein Problem. Außerdem werden häufig große Flächen gerodet, um den Rohstoff fördern zu können. Das hat erhebliche, meist negative, Auswirkungen auf die Umwelt und den Lebensraum von Mensch und Tier.
Weiterlesen bei Utopia.de:
- Nachhaltigkeitssiegel für Smartphones & Notebooks
- Seltene Erden: das Gold der Technologiekonzerne
- Batterien aufladen: So halten Akkus länger
Überarbeitet von Lena Kirchner
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