Der Niederwald ist selten geworden, dabei ist er das Zuhause vieler bedrohter Tierarten. Die alte Bewirtschaftungsform hat auch einen Nutzen für Menschen.
Was ist ein Niederwald?
Der Niederwald ist eine historische Waldbauform, die zu Wäldern führt, in welchen die Baumstämme zwar dünn, aber zahlreich sind. Das liegt an der besonderen Art und Weise, wie die Bäume bewirtschaftet wurden.
In einem Niederwald wachsen vor allem Weiden, Haseln, Birken, Kastanien oder Eschen. Auch Eichen und Hainbuchen prägen das charakteristische Bild eines Niederwaldes. Gemeinsam haben diese Laubbaumarten, dass sie das Stockausschlagen gut vertragen. Werden die Bäume „auf den Stock gesetzt“, schlagen die Förster:innen oder die Besitzer:innen des Waldstücks alle fünf bis 30 Jahre die Bäume über der Wurzel ab – ein vergleichsweise kurzer Zyklus in der Forstwirtschaft.
Bei dem Hieb bleiben die Wurzeln unverletzt und so kann der Baum wieder hochwachsen. Mit der Zeit führt das Stockausschlagen dazu, dass die Bäume mehrere Stämme ausbilden und daher fast wie Sträucher wirken. Das ist günstig, da sie so mehr Holz produzieren, das geerntet werden kann. Nach dem Abschlag können die Bäume mehrere Jahre bis Jahrzehnte in Ruhe wachsen, bis die Stämme ungefähr armdick sind und wieder abgeschlagen werden können.
Die Tradition und der Nutzen des Niederwaldes
Der Niederwald hat lange Tradition. Schon den Römern war diese Bewirtschaftungsart bekannt. Im Mittelalter nutzten Menschen das Holz der abgeschlagenen Bäume zum Heizen, die wertvolle Eichenrinde diente als Lohe zum Gerben von Leder. Direkt nach dem Stockhieb nutzten Bäuer:innen die Flächen als Getreidefelder, Jahre später als Waldweiden.
Mit der Industrialisierung und dem Aufkommen von Kohle und Öl als Alternativen zu Holz verloren die Niederwälder jedoch an Bedeutung und wurden nach und nach aufgegeben oder in Nadelwälder oder Hochwälder, also Wälder, in denen die einzelnen Stämme nur aus Kernwüchsen wachsen, die zu sehr hohen Bäumen werden, umgewirtschaftet. Heute machen Niederwälder nur einen Prozent der Waldfläche in Deutschland aus. Mit ihnen sind auch die für den Niederwald angepassten Pflanzen- und Tierarten selten geworden.
Warum sind Niederwälder wertvoll?
Der Niederwald könnte als zeitlos gelten. Denn er ist sowohl ein Wald aus der Vergangenheit, wie auch ein Hoffnungsträger der Zukunft. Viele Baumarten des Niederwaldes, wie die Edelkastanie oder die Eiche, kommen sehr gut mit heißen und trockenen Sommern zurecht. Baumarten der Hochwälder sind dagegen auf nasses und kühleres Klima angewiesen. Für den Menschen hat das Holz der niederwaldtypischen Bäume zudem einen direkten Nutzen, denn es hat einen guten Brennwert, brennt also lange. Das ermöglicht eine nachhaltige Nutzung und Versorgung mit Brennholz.
Der Niederwald zeichnet sich zudem durch eine besondere Dynamik aus. Es gibt lichtdurchflutete Kahlstellen, aber auch zugewachsene Stellen mit jungen Stämmen. Vor allem für die Artenvielfalt im Pflanzen- und Tierreich hat der Niederwald einen hohen Wert. Viele bedrohte Arten sind auf lichte Plätze im Wald angewiesen. Dazu zählen Waldorchideen oder der selten gewordene Speierling, ein Wildobstbaum. Das Haselhuhn und der Grauspecht sowie viele Insektenarten fühlen sich an hellen Standorten im Wald wohl. So gibt es alleine in den Fränkischen Eichen-Hainbuchen-Mittelwäldern (Mittelwälder entstehen, wenn einige Bäume in Niederwäldern zur vollen Größe wachsen dürfen) rund 800 Großschmetterlinge, darunter viele vom Aussterben bedrohte Arten wie der Maivogel, Gelbringfalter und die Spanische Flagge.
Für den Natur- und Tierschutz ist es also sinnvoll, die Zahl der Niederwälder stark in die Höhe zu treiben. Für den Klimaschutz gilt das nur bedingt. Denn die Bäume der Niederwälder können nicht so viel CO2 speichern wie ausgewachsene Bäume mit dichten Blätterkronen. Sinnvoller als Hochwälder in Niederwälder umzuwandeln, ist es daher, ungenutzte Niederwälder wieder zu bewirtschaften wie früher.
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