Durch Kopenhagen schlängelt sich die Cykelslangen: eine Brücke ausschließlich für Fahrradfahrende. Sie macht das Radeln in der Stadt schneller und sicherer. Wie es um solche Konzepte in Deutschland steht, erfährst du hier.
Seit 2014 gibt es in Kopenhagen die wahrscheinlich längste Schlange der Welt. Sie ist knallorange und man kann auf ihr Fahrrad fahren: Die sogenannte Cykelslangen (deutsch: „Fahrradschlange“) ist eine 220 Meter lange Brücke für den Radverkehr im inneren Hafengebiet der dänischen Hauptstadt. Auf einer Höhe von sechs bis sieben Metern über dem Straßenniveau können sich Fahrradfahrer:innen schnell und sicher, ohne Konfrontation mit dem Auto- und Fußverkehr, fortbewegen.
Warum die Cykelslangen so beliebt ist
Über die sanft geschwungene Fahrradbrücke können Radfahrer:innen in weniger als einer Minute zwischen Gebäuden hindurch und über das Wasser zur Hafenkante gelangen. Vor dem Bau der Cykelslangen war diese Strecke deutlich beschwerlicher und gefährlicher. Fahrradfahrer:innen mussten nicht nur zwei Treppen überwinden, sondern auch vorsichtig durch überfüllte Fußgängerzonen navigieren.
Die Kopenhagener:innen haben die Cykelslangen daher begeistert angenommen. Nicht die prognostizierten 12.500, sondern bis zu über 20.000 Radfahrer:innen befahren die Strecke an einem einzigen Tag, wie ein Jahr nach Inbetriebnahme gemessen werden konnte.
Dabei ist die Fahrradschlange nicht nur tagsüber attraktiv, denn Beleuchtung entlang der gesamten Strecke macht sie auch nachts zu einer sicheren Verkehrsinfrastruktur. Eine Fahrbahnbreite von vier Metern bietet zudem Platz genug für die wachsende Zahl an Radfahrer:innen und für Überholmanöver.
Mit der Cykelslangen zur kohlenstoffneutralen Hauptstadt
Cykelslangen ist nur eine der vielen Maßnahmen, die Kopenhagen ergreift, um ein ambitioniertes Ziel zu erreichen: bis 2025 die erste kohlenstoffneutrale Hauptstadt der Welt zu werden. Auf dem Weg dorthin haben die Kopenhagener:innen bereits große Fortschritte gemacht. Zwischen 2005 und 2021 konnten sie die CO2-Emissionen um 50 Prozent reduzieren.
Ein großer Teil davon ist wahrscheinlich auf die erfolgreichen Bemühungen zurückzuführen, das Auto als städtisches Fortbewegungsmittel zunehmend unattraktiv zu machen. So kostet jeder Parkplatz in der Stadt Geld, auch Stellplätze für Anwohner:innen. Die Gebühren dafür nahmen 2020 bis um das Hundertfache zu. Wer ohne Ticket erwischt wird, kommt nicht um ein hohes Bußgeld herum.
Dahingegen wird massiv in eine verbesserte Radverkehrsinfrastruktur investiert: Fahrradparkplätze, Fahrrad-„Autobahnen“, die eine schnelle Verbindung zwischen Innenstadt und Außenbezirken ermöglichen, öffentliche Luftpumpen und grüne Wellen auf den Radwegen haben bereits dazu geführt, dass mehr als jede dritte Person in Kopenhagen zur Arbeit, Schule, Universität oder Ausbildung mit dem Fahrrad fährt.
Schwebende Fahrradstraßen wie die Cykelslangen tragen dazu bei, dass der zunehmende Radverkehr nicht mit anderen Verkehrsteilnehmer:innen kollidiert. Baulich getrennte Radwege schaffen klare Verkehrszonen, sodass Fahrradfahrer:innen nicht um Fußgänger:innen Slalom fahren müssen und auch vor Autos sicher sind.
Deutsche sind mit Radwegen noch nicht zufrieden
Solche Verhältnisse dürften auf deutsche Radfahrende geradezu paradiesisch wirken. Das verrät auch der Tweet eines deutschen Kopenhagenbesuchers, der auf der Fahrradschlange unterwegs war: „Darauf zu fahren, erfüllt mich mit einem Gefühl, welches ich in Deutschland noch nie hatte: als Radfahrer gewollt und wertgeschätzt zu werden.“
Tatsächlich teilt eine Mehrheit der Deutschen laut einer Umfrage von Statista und YouGov die Ansicht, dass die hiesige Verkehrsinfrastruktur für Fahrradfahrer:innen noch zu wünschen übrig lässt: 63 Prozent der Befragten geben an, dass die Fahrradwege in ihrer Stadt oder Gemeinde noch ausgebaut werden könnten. Mehr als die Hälfte der Befragten (54 Prozent) stimmt der Aussage zu, dass für die Sicherheit von Radfahrenden noch zu wenig getan werde.
Beheizbare Fahrradbrücke in Tübingen
In einigen Gegenden gibt es Bemühungen, diese Situation zu ändern. Bereits 2015 eröffnete zum Beispiel die erste von mittlerweile vier Teilstrecken des Radschnellwegs RS1, der in Zukunft über rund 115 Kilometer von Moers nach Hamm verlaufen soll. Doch ob und wann die gesamte Strecke fertig gestellt wird, ist zurzeit nicht klar.
Der RS1 besteht zudem nur teilweise aus baulich vom Rest des Verkehrs getrennten Radwegen wie Fahrradbrücken. Stellenweise ist er lediglich durch farbliche Markierungen abgegrenzt. Dabei empfinden Radfahrende baulich getrennte Radwege als die sicherste – und daher attraktivste – Option, wie eine Umfrage unter Berliner Verkehrsteilnehmer:innen zeigt.
Das hat auch die Stadt Tübingen erkannt. Dort wurde 2021 die erste von vier geplanten Fahrradbrücken eröffnet. Der Tübinger Oberbürgermeister gibt an, dazu vom Kopenhagener Vorbild inspiriert worden zu sein. Doch ganz auf dem Niveau der dänischen Fahrradstadt ist die deutsche Version noch nicht. Sie ist zwar beheizt, damit sie auch im Winter sicher befahrbar bleibt, und ebenfalls vier Meter breit, aber mit nur 35 Meter Länge deutlich kürzer als die Cykelslangen.
Es tut sich beim Umdenken und Umplanen des Radverkehrs in Deutschland also immerhin etwas – wenn auch langsamer als in anderen Ländern. Bis es soweit ist, dass Radler:innen hierzulande einen schwebenden Kreisverkehr befahren können, wie er bereits 2014 im niederländischen Eindhoven eröffnet wurde, wird es daher sicherlich noch dauern.
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