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Survivorship Bias: Wie sie dich zu Fehlern verleitet

survivorship bias
Foto: CC0 / Pixabay / SnapwireSnaps

Survivorship Bias bezeichnet eine Wahrnehmungsverzerrung, die zum Überschätzen von Erfolgschancen führt. Er spielt zum Beispiel in der Wirtschaft und im Berufsleben eine Rolle, aber auch im Privaten. Was dahintersteckt, liest du hier.

Der Begriff des Survivorship Bias stammt aus dem Englischen und lässt sich nicht ganz leicht übersetzen. Unter bias versteht man umgangssprachlich eine Voreingenommenheit, (bevorzugende) Neigung, oder eine Verzerrung.

Ein Survivorship Bias, auch als Survivor Bias bekannt, ist grob übersetzt also eine „Überlebenden-Verzerrung“. Der Fehler besteht hier darin, sich in der Auswertung von Ergebnissen unverhältnismäßig stark auf erfolgreiche Personen oder Verhaltensweisen zu konzentrieren und Misserfolge zu vernachlässigen.

Im Bereich der Statistik bezeichnet der Begriff übrigens auch eine Verzerrung, also Fehler bei der Erhebung oder Auswertung von Daten. Solche Fehler können zum Beispiel dadurch passieren, dass eine Stichprobe zu klein oder begrenzt ist, um repräsentative Ergebnisse liefern zu können. Die Online-Plattform Statista nennt für einen Bias das anschauliche Beispiel, durch eine Umfrage in der Münchner Innenstadt die beliebteste Fußballmannschaft Deutschlands herausfinden zu wollen.   

Survivorship Bias: Ursprung und Bedeutung

Im Zweiten Weltkrieg saß das US-Militär beim Versuch, seine Flugzeuge sicherer zu machen, einem Survivorship Bias auf.
Im Zweiten Weltkrieg saß das US-Militär beim Versuch, seine Flugzeuge sicherer zu machen, einem Survivorship Bias auf.
(Foto: CC0 / Pixabay / WikiImages)

Nicht immer muss dabei tatsächlich das Überleben auf dem Spiel stehen. Geprägt wurde der Begriff allerdings in einem Zusammenhang, in dem es wirklich um Leben und Tod gehen konnte: Im Zweiten Weltkrieg war der militärischen Führungsspitze der US-Armee daran gelegen, die Anzahl der abgeschossenen US-amerikanischen Kampfflugzeuge zu verringern. Um das zu erreichen, sollten US-Ingenieure die Panzerung der Flugzeuge verbessern – und zwar bevorzugt an den Stellen, an denen bei getroffenen Flugzeugen statistisch besonders viele Einschusslöcher festgestellt worden waren.

Der Mathematiker Abraham Wald widersprach allerdings diesem Vorgehen. Er gab zu bedenken, dass die vorliegenden Daten zu kritischen Einschussstellen eine entscheidende Lücke aufwiesen. Flugzeuge, die so verheerend getroffen würden, dass sie abstürzten, kehrten schließlich gar nicht zurück und fehlten deshalb in der Statistik. Wald empfahl also stattdessen, die Stellen zu verstärken, die bei den getroffenen, aber trotzdem zurückgekehrten Flugzeugen schwachen oder keinen Beschuss erlitten hatten. Er nahm an, dass Treffer an diesen Stellen mit größerer Wahrscheinlichkeit zum Absturz führen müssten.     

Weiter gefasst geht es beim Survivorship Bias aber nicht unbedingt um tatsächliche Überlebenschancen, sondern um Erfolgschancen im Allgemeinen. Das „Überleben“ der betroffenen Personen oder Einrichtungen ist dann eher im übertragenen Sinn gemeint. 

Beispiele aus Wirtschaft, Architektur und Kunst

Nicht alle Gebäude waren früher schöner und stabiler.
Nicht alle Gebäude waren früher schöner und stabiler.
(Foto: CC0 / Pixabay / Makalu)

Ein bekanntes Beispiel für Survivorship Bias aus dem Finanzbereich ist der Umgang von Investmentgesellschaften mit erfolglosen Fonds. Fonds, die keinen Erfolg bringen, werden in der Regel nach einer gewissen Zeit wieder abgestoßen. Dadurch gehören sie nicht mehr zu den aktiven Fonds der Investmentgesellschaft – und fallen somit auch aus der Bilanz heraus, die dadurch positiver wirkt.

1996 wies ein Artikel im Review of Financial Studies auf dieses Phänomen hin. Den Autoren des Artikels zufolge sorgt ein solches Vorgehen für einen Survivorship Bias, der für das Unternehmen selbst zwar günstig ist, eine realistische Einschätzung für Außenstehende aber erschwert.

Ein anderer häufig zitierter Fall von Survivorship Bias kommt aus dem Bereich der Architektur. Dabei geht es um die verbreitete Einschätzung, Gebäude aus früheren Epochen seien schöner, standfester oder allgemein qualitativ hochwertiger gewesen als moderne Architektur. Das könne man schließlich daran sehen, dass sie heute noch stünden und sich in ästhetischer Hinsicht besonders hervorhöben.

Der Denkfehler besteht allerdings darin, dass es sich bei solchen herausragenden Gebäuden meist nicht um den Regelfall handelt, sondern meist um kulturell bedeutsame Bauwerke oder von besonders wohlhabenden Bürger:innen in Auftrag gegebene Häuser. Weil sie meist länger „überleben“ als die weniger ansehnlichen und robusten Häuser ihrer Zeit, entsteht so schnell der Eindruck, damals sei grundsätzlich besser gebaut worden.

Dieselbe Denkweise ist auch in Bezug auf Kunstwerke verbreitet: Die allgemeine Qualität von Malerei, Filmen oder Musik etwa sei demnach früher höher gewesen als in der Gegenwart. Auch dabei wird aber vernachlässigt, dass meist nur besonders beliebte oder erfolgreiche Kunstwerke über längere Zeit im kulturellen Gedächtnis „überleben“. Weniger erfolgreiche Gemälde, Filme oder Lieder werden dagegen schnell vergessen und verzerren so einmal mehr die Statistik. 

Beruflich und privat: Deshalb ist Survivorship Bias problematisch

Die Erfolgsgeschichten berühmter Musikstars können leicht zu einem Survivorship Bias führen.
Die Erfolgsgeschichten berühmter Musikstars können leicht zu einem Survivorship Bias führen.
(Foto: CC0 / Pixabay / Pexels)

Sich die Existenz von Survivorship Bias bewusst zu machen ist wichtig, denn sie kann leicht zu Fehleinschätzungen führen. Wie die bisher genannten Beispiele zeigen, ist davon nicht nur die Statistik betroffen, sondern auch andere Lebensbereiche. Häufig sorgt ein Survivorship Bias dafür, dass Menschen eine Situation positiver oder mit mehr Optimismus einschätzen, als es tatsächlich angemessen wäre. Der Survivorship Bias kann dazu führen, dass wir Erfolgssituationen als den Regelfall oder zumindest als deutlich wahrscheinlicher wahrnehmen, als sie statistisch gesehen tatsächlich sind.

Ein Artikel der BBC befasst sich mit den Konsequenzen, die das beispielsweise in der Geschäftswelt haben kann: So sei es für Unternehmen nicht unbedingt ratsam, sich ein Beispiel an besonders radikalen Geschäftsstrategien zu nehmen, nur weil diese bei anderen besonders erfolgreichen Firmen funktioniert hätten. Denn das sei keine Garantie dafür, dass die betreffenden Strategien auch für das eigene Unternehmen erfolgversprechend sein werden. Vielmehr sei es in solchen Fällen sinnvoll, sich insbesondere auch Negativbeispiele für dasselbe Vorgehen anzuschauen und die Möglichkeit eines Misserfolgs angesichts besonders spektakulärer Erfolge nicht aus den Augen zu verlieren.   

Auch Einzelpersonen kann ein Survivorship Bias zu Fehlern verleiten, insbesondere in Berufsfeldern, die von starkem Wettbewerb geprägt sind. Fokussiert man sich beim Einschätzen der eigenen Karriereaussichten nur auf Erfolgsgeschichten – beispielsweise von Musikstars, Profi-Athlet:innen oder Firmengründer:innen, denen der große Durchbruch gelungen ist  kann dadurch eine verzerrte Wahrnehmung entstehen. Ausgeblendet wird dabei, dass es auch zahlreiche Beispiele gescheiterter oder abgebrochener Karrieren in diesen Feldern gibt. Das Überschätzen der eigenen Erfolgschancen kann deshalb mitunter zu großen Enttäuschungen führen. 

Nicht immer muss sich Selbstüberschätzung aber auf das Beispiel berufen, das andere vorgeben. Auch im Rückblick auf die eigenen Erfolge und Misserfolge kann sich leicht ein Survivorship Bias herausbilden, wenn man die Erfolge stärker gewichtet und Misserfolge ausblendet. Dabei ist das Annehmen und Analysieren von Fehlschlägen oft wichtig für die persönliche Weiterentwicklung, denn aus ihnen lässt sich für die Zukunft lernen. Wer sie einfach ignoriert, macht gegebenenfalls dieselben Fehler immer wieder.   

Dasselbe gilt nicht nur für das Berufsleben, sondern auch für private Lebensbereiche. Wenn du beispielsweise Sport treibst und deinen Erfolgen mehr Aufmerksamkeit widmest als deinen Misserfolgen, kann das ebenfalls zu Selbstüberschätzung und Frustration führen. Versuche außerdem, dich nicht zu sehr am Beispiel erfolgreicher Vorbilder zu messen, sondern deinen eigenen Rhythmus und deinen eigenen Weg finden. So läufst du nicht in die Falle, zu schnell zu viel zu erwarten und die selbst unrealistischen Leistungsdruck zu machen.         

So gehst du mit der Wahrnehmungsverzerrung um

Wenn du deine Erfolgschancen abwägst, achte darauf, dass dir keine wichtigen Informationen fehlen.
Wenn du deine Erfolgschancen abwägst, achte darauf, dass dir keine wichtigen Informationen fehlen.
(Foto: CC0 / Pixabay / StockSnap)

Um zu vermeiden, dass du in deiner Selbsteinschätzung oder der Einschätzung einer Situation einem Survivorship Bias aufsitzt, kannst du Folgendes tun:

  • Daten auf Vollständigkeit überprüfen: Wie das Beispiel von Adam Wald zeigt, kann ein Survivorship Bias dadurch entstehen, dass wichtige Informationen fehlen oder vernachlässigt werden. (In seinem konkreten Fall die Trefferverteilung bei abgestürzten Flugzeugen.) Um Denkfehlern aus dem Weg zu gehen, solltest du dich also immer erst fragen, ob du alle wichtigen Punkte bedacht hast, bevor du die Erfolgschancen eines bestimmten Vorgehens einschätzt. Diesen Schritt kannst du übrigens nicht nur auf dein eigenes Denken anwenden, sondern zum Beispiel auch bei Methoden und Lösungsansätzen, die im Team diskutiert werden oder von Kolleg:innen beziehungsweise Vorgesetzten vorgeschlagen werden.
  • Erfolgsgeschichten hinterfragen: Auch wenn Erfolgsgeschichten motivierend und inspirierend sein können: Oft sind sie nicht der Regelfall, sondern eine Ausnahmeerscheinung. Hinzu kommt, dass Erfolge sehr personen- und situationsabhängig sein können: Was für eine Person oder ein Unternehmen funktioniert hat, muss nicht genauso gut für alle anderen funktionieren. Das solltest du im Hinterkopf haben, wenn du aus Erfolgsgeschichten anderer lernen willst. Aus einigen Aspekten kannst du sicherlich Inspiration ziehen. Andere musst du aber vielleicht an deine eigene Situation anpassen.  
  • Misserfolge annehmen: Lernen kannst du aber nicht nur aus Erfolgen, sondern auch aus Dingen, die schiefgehen. Fehlschläge sind nicht angenehm und es liegt deshalb nahe, dass du dich vielleicht nicht näher mit ihnen auseinandersetzen, sondern sie lieber vergessen willst. Wenn du deine Misserfolge annimmst und dich fragst, wie sie zustande gekommen sind, kannst du daraus aber mitunter wertvolle Erkenntnisse gewinnen. So verringerst du die Wahrscheinlichkeit, dieselben Fehler beim nächsten Versuch zu wiederholen. Auch aus den Misserfolgen anderer kannst du lernen – ein weiterer Grund, sich nicht nur auf Erfolgsgeschichten zu konzentrieren. Lies mehr dazu in unserem Ratgeber „Fehler machen: So lernst du, damit umzugehen“.

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