Ein Rucksack für 2 Euro, In-Ear-Kopfhörer für unter 4 Euro, und modische Shirts für unter 3 Euro: Der Onlineshop Temu aus China lockt mit absurd günstigen Spottpreisen und aggressivem Marketing. Die Verbraucherzentrale warnt vor versteckten Kostenfallen. Hier erfährst du, wo der Haken bei Temu ist.
Die derzeit am häufigsten heruntergeladene kostenlose App im Apple App Store ist nicht etwa TikTok, Amazon, Shein oder Instagram – sondern Temu. Denn der Werbung des Unternehmens ist derzeit kaum zu entkommen.
Der chinesische Schnäppchen-Shop ist zwar erst im Frühjahr 2023 in Deutschland auf den Markt gekommen, wirbt aber aggressiv in vielen sozialen Netzwerken. Derzeit lockt der Onlineshop unter anderem mit Rabatten von bis zu 90 Prozent. Wir haben ihn uns näher angeschaut.
Was ist Temu?
„Shoppen wie ein Milliardär“ – so lautet der Slogan des neuen Onlineshops “Temu”, der im Prinzip der Nachfolger von Wish ist. Bei einem ersten Blick auf die Temu-Webseite und die Preise dort mag man sich fragen, ob der Shop wirklich echt ist oder ob es sich um einen Fake-Shop handelt. Derart günstig sind die Preise. Auch das Sortiment ist riesig. Wir können bestätigen: Temu ist eine echte Plattform.
Temu (ausgesprochen tee-moo) ist ein Online-Marktplatz, der nach eigenen Aussagen „Verbraucher mit Millionen von Verkäufern, Herstellern und Marken auf der ganzen Welt verbindet, mit der Mission, ihnen die Möglichkeit zu geben, ihr bestes Leben zu führen“.
Ähnlich wie Amazon verkauft Temu über seine Website und die App eine riesige Auswahl an Artikeln – von Fast Fashion und Drogerieartikeln bis hin zu Elektronik und Haushaltswaren. Temu führt selbst kein Warenlager und bietet keine Eigenmarken an, sondern fungiert ausschließlich als digitaler Marktplatz, auf dem Verkäufer:innen (hauptsächlich aus China) ihre Waren an Kund:innen in den USA, Kanada und seit Frühjahr 2023 auch in Europa verkaufen.
Wer steckt hinter Temu?
Hinter Temu verbirgt sich – wie auch bei Shein – ein chinesisches Unternehmen: der chinesische E-Commerce-Riese Pinduoduo, der aktuell viel in Werbung investiert, um die Reichweite der Plattform zu erhöhen.
Temu wurde 2022 in Boston (USA) gegründet, ist aber eine chinesisch Firma. In den USA ging das Unternehmen im September 2022 an den Start. Seit Frühling 2023 gibt es Temu in Deutschland, Italien, Frankreich, Spanien, Großbritannien und den Niederlanden.
Wie erfolgreich ist die chinesische Schnäppchen-Shop?
In den USA gehört Temu bereits zu den beliebtesten Downloads und ist im Apple App Store – vor Amazon und Shein – die beliebteste Shopping-Plattform.
Auch in Deutschland stürmt Temu die Charts der Shopping-Apps: Derzeit ist der Online-Shop auf Platz 1 der Shopping-Apps im App Store – vor Shein und Kleinanzeigen. Unabhängig vom Shopping-Segment belegt Temu Platz 2 der App-Charts – nach ChatGPT und weit vor Shein.
Temu Shop: Absurder Preis-Wahnsinn mit vielen Schattenseiten
Bei Temu gibt es – auch wieder ähnlich wie bei Shein – Rabattaktionen ohne Ende und zusätzlich die Option von Gruppenverkäufen: „Dabei wird ein Produkt zu zwei Preisen angeboten: einem normalen und einem niedrigeren. Dieser wird nur greifbar, wenn sich eine Mindestanzahl von Käufer:innen zusammentut“, erklärt T3n.de. Wenn du Freund:innen animierst, deinen Lieblingsartikel zu kaufen, wird es also nochmals billiger. Aus diesem Prinzip leitet sich übrigens auch der App-Name ab: Temu bedeutet auf Chinesisch: „Schließt euch zusammen – Preis runter“.
Für den Shop sprechen die große Auswahl und die günstigen Preise. Das war’s aber auch schon. Dem gegenüber stehen viele Probleme und Nachteile:
11 wichtige Punkte, die du über den Billig-Shop wissen solltest
- Die Ware kommt allermeist aus dem weit entfernten China. Im Gepäck: Probleme wie miserable Arbeitsbedingungen, fehlende soziale und ökologische Standards sowie eine schlechte Klimabilanz durch den Transport.
- Derzeit ist das chinesische Unternehmen im Visier der US-Politik: So warf ein Bericht eines Kongressausschusses sowohl Temu als auch der ebenfalls chinesischen App Shein kürzlich vor, Produkte anzubieten, die mit Zwangsarbeit in der westchinesischen Region Xinjiang hergestellt wurden. Es bestehe ein „extrem hohes Risiko“, dass die Lieferketten durch Zwangsarbeit kontaminiert seien, warnte der Bericht.
- Man bestellt bei einzelnen Händlern – und weiß insofern nie so genau, bei wem man eigentlich bestellt.
- Es kann wochenlang dauern, bis die bestellte Ware dann auch wirklich ankommt.
- Aufgrund der niedrigen Preise muss Temu in vielen Fällen keinen Zoll zahlen. Der fällt erst ab einem Warenwert von 150 Euro an. Aber: „Dennoch könnten Einfuhrumsatzsteuern und Verbrauchssteuern anfallen, die Kaufende bereits ab 5,26 Euro Warenwert zahlen müssten. Zustelldienste legen diese Kosten in der Regel aus und kassieren dann bei Ihnen bei der Paket-Zustellung“, warnt die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.
- Vieles spricht dafür, dass die Produkte nicht nachhaltig produziert werden.
- Es lässt sich nicht nachvollziehen, inwiefern Menschenrechte und Umweltschutz bei der Produktion eingehalten werden.
- Laut Nutzer:innenberichten bietet Temu billig produzierte und qualitativ minderwertige Ware.
- Der Kundenservice scheint in vielen Fällen nicht zu funktionieren, so die User:innen-Meinungen auf der Bewertungsplattform Trustpilot.
- Ein Probekauf des WDR-Magazins Servicezeit zeigt: Bei elektronischen Geräten ist kein in Deutschland zugelassenes CE-Zeichen vorhanden. „Das Zeichen (CE steht für Conformité Européenne) ist beispielsweise für Spielwaren oder Haushaltsgeräte in der EU verpflichtend. Mit dem Zeichen bestätigt der Hersteller, dass das Produkt den produktspezifisch geltenden europäischen Richtlinien entspricht“, so die Verbraucherzentrale. Das führt zu einem hohen Risiko: Die Produkte sind nicht auf ihre Sicherheit hin überprüft – und zwar weder nach europäischen noch nach chinesischem Standard.
- Als chinesisches Unternehmen unterliegt Temu nicht dem EU-Recht.
Auf Trustpilot ist die Rede von „unterirdischen Lieferzeiten“. Eine Userin meint „Was man bekommt, ist wirklich Ramsch, die Produktfotos entsprechen in etwa 20 Prozent [der Fälle] dem, was man bekommt.“ Und weiter: „Müll! Billigste Chinaware. Teilweise schon kaputt, nicht funktionsfähig oder nach dem ersten Test kaputt. Stoffteile riechen derart nach Chemie, das man es im Haus nicht haben will“.
Das Fazit eines anderen Users lautet: „Es ist ein chinesisches Unternehmen, welches mit Productflooding versucht, den europäischen Markt mit zweitklassiger Ware zu übernehmen.“
Zwar gibt es auf Trustpilot durchaus auch begeisterte Kommentare, an deren Echtheit darf allerdings gezweifelt werden. Denn viele der positiven Kommentare enthalten Rabattcodes, mit denen man beim nächsten Einkauf sparen kann.
Verbraucherzentrale warnt vor versteckten Kostenfallen
Auch die Verbraucherschützer:innen der Verbraucherzentrale warnen vor Temu: So können vermeintliche Schnäppchen durch Zollgebühren schnell teuer werden. Sie rät deshalb unter anderem:
- Informiere dich über die geltenden Zollbestimmungen, wenn du außerhalb der EU bestellst.
- Bezahle nach Möglichkeit nicht über Vorkasse, sondern erst, wenn du die Ware auch erhalten hast.
- Achte bei elektronischen Geräten auf zugelassene CE-Zeichen.
Die Verbraucherzentrale weist zudem darauf hin, dass Temu keinen Hehl daraus macht, an personenbezogenen Daten interessiert zu sein und diese auch für kommerzielle Zwecke zu nutzen. „Wer die Plattform datensparsam nutzen möchte, sollte darauf achten, etwa dass das Standorttracking in den Einstellungen des Smartphones deaktiviert ist.“
Amazon, Alibaba, Wish, Shein – und jetzt Temu? Bitte nicht!
Utopia meint: Temu hat den Zeitpunkt für den Start in Deutschland clever gewählt: Themen wie Inflation, hohe Energiepreise und steigende Lebenshaltungskosten beschäftigen aktuell viele Menschen. Nichtsdestotrotz dürfen Fast Fashion und schneller Konsum nicht unsere Reaktion auf hohe Produktpreise sein. Der Temu Onlineshop ist das Gegenteil von verantwortungsvollem Konsum – er geht zu Lasten von Mensch und Umwelt. Unsere Aufgabe ist, uns nicht von vermeintlichen Schnäppchen und süchtig machenden Mechanismen verführen zu lassen und uns an die drei goldenen Regeln des Konsums zu halten:
- Kauf nur, was du wirklich brauchst! Weniger Konsum ist mehr Umweltschutz.
- Wenn du kaufst, dann setze auf nachhaltige Produkte.
- Geh mit allem, was du kaufst und besitzt, nachhaltig um. Das heißt: Alle Produkte möglichst lange benutzen und dann verantwortungsvoll weitergeben.
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