Mit reichlich Werbe-Tamtam und flotten Sprüchen will der Finanzanbieter Tomorrow neue Kunden für sein Girokonto gewinnen. Ist das Fintech-Start-up nur ein N26 mit grünem Schleifchen – oder wirklich eine nachhaltige Bank? Wir haben es für dich ausprobiert.
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Der Kunde kommt mit Tomorrow zunächst nur über die Tomorrow-App (für iOS und Android) in Berührung: Mit ihr eröffnet man schnell und unkompliziert ein Konto. Tomorrow setzt dabei auf das Video-Ident-Verfahren, das uns den Gang zur Post erspart. Papierkram fällt keiner an.
Im Test hatten wir nach wenigen Tagen die Tomorrow-Karte im Briefkasten. Sie wird über die App freigeschaltet und dient dann als Debitkarte (im Volksmund meist noch „EC-Karte“), die aber in Onlineshops wie eine Mastercard genutzt werden kann (nur eben ohne Kreditrahmen).
Girokonto bei Tomorrow
Inzwischen sind die Tomorrow-Girokonten nicht mehr kostenlos. Das Girokonto „Now“ kostet 3 Euro monatlich, Überweisungen, Lastschriften und Kontoauszüge sind ebenfalls kostenfrei, allerdings zahlt man pro Barabhebung 2 Euro. Das Girokonto „Change“ kostet 7 Euro monatlich – Vorteile hier: Man kann das Konto mit einer weiteren Person teilen, man kann fünf sogenannte Pockets (Unterkonten) erstellen und fünf Abhebungen pro Monat sind kostenfrei. Jedes weitere Abheben kostet zwei Euro. Zum Abheben kann man jeden Geldautomaten mit dem Visa-Logo benutzen – diese sind weltweit relativ häufig. Das Girokonto „Tomorrow Zero“ kostet 15 Euro monatliche Gebühr, dafür kann man weltweit unbegrenzt kostenlos Geld abheben, kann unbegrenzte Unterkonten („Pockets“) anlegen und bekommt eine Visa-Karte aus Holz. Zudem kompensiert das Unternehmen für die Kund:innen rund 11 Tonnen CO2 pro Jahr.
Mehr als das Girokonto mit Debitkarte mit Mastercard-Funktion wird zurzeit nicht angeboten. Ein Premiumkonto mit noch vagen Features sowie weitere Formen der nachhaltigen Geldanlage sind geplant.
Die App selbst bietet derzeit:
- einen schnellen Blick auf den Kontostand,
- eine Überweisungsfunktion,
- ein digitales Haushaltsbuch, das Einnahmen und Ausgaben vergleicht,
- einen Impact-Report, auf den wir noch zu sprechen kommen, sowie
- klassische Funktionen wie PIN-Änderungen, Karte sperren etc.
Soweit eine prima App fürs Smartphone-Banking. Doch Tomorrow geht einen Schritt weiter: „Bei Tomorrow fließt kein Cent in Rüstung, Kohlekraft oder Gentechnik“, heißt es in der Selbstbeschreibung. Man finanziere ausschließlich nachhaltige Projekte – und derzeit entscheiden sich monatlich schon etwa 1.000 Neukunden dazu, es mal mit Tomorrow zu versuchen.
Aber Moment mal: Nachhaltigkeit – machen das nicht auch schon andere Banken?
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Nachhaltige Banken gibt es, doch keine ist (so) mobil
Mit den vier echten Ökobanken Ethikbank, GLS Bank, Umweltbank und Triodos Bank existieren nämlich bereits mehrere nachhaltige Banken, deren positive Wirkung auch weitaus größer ist als die von Tomorrow. Ihnen gegenüber positioniert Tomorrow sich ergänzend als erste nachhaltige Smartphone-Banking-App.
Zwar hat auch die GLS Bank eine eigene App, die Ethikbank nutzt die VR-BankingApp, die Triodos Bank die MyBankingApp. Doch der Unterschied liegt im Detail: Bei Tomorrow sind wirklich alle Einstellungen bis hin zur PIN der Debitkarte über die App steuerbar.
Die bekannteste andere Smartphone-Banking-App ist derzeit N26 (laut Handelsblatt aber derzeit im Visier der Bafin), und mit Revolut oder Bunq gibt es bereits spezialisierte Anbieter. Unter ihnen hat sich aber bislang nur Tomorrow ausdrücklich Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben. Und geizt nicht mit Versprechungen: „Mit Kundeneinlagen fördert Tomorrow Ökolandbau, regenerative Energien und moderne Mobilität; bietet nachhaltige Spar-/Investment-Optionen & eine Kreditkarte, die Bäume pflanzt und vieles mehr“, wurde im Januar 2018 in einer Pressemitteilung angekündigt, auch, dass man eine Kreditkarte böte, die Bäume pflanzt.
Vieles davon gibt es noch nicht oder es kam anders – es ist eben ein Start-up mit hohem Marketing-Faktor. Aber dennoch ist Tomorrow schon jetzt ziemlich interessant.
Die Kreditkarte, die Bäume pflanzt?
Wer mit Kreditkarte bezahlt, weiß oft nicht, dass der Händler einen Teil des Geldes an die Bank abführen muss. Diesen Betrag will Tomorrow nach eigenen Angaben für Klimaschutz einsetzen, ursprünglich kommunizierte das Startup dies als „die Kreditkarte, die Bäume pflanzt“, PDF.
Nun bietet die Tomorrow gar keine richtige Kreditkarte, es ist eine Debitkarte, die aber kreditkartenähnlich einsetzbar ist und auch hier fallen Transaktionsgebühren an. Einen Teil dieser Gebühr steckt das Start-up nach eigenen Angaben in ein Klimaschutzprojekt, bei dem „Regenwald geschützt“ wird. So landen von 1000 Euro 1,30 Euro im Regenwald, bzw. besser gesagt erst mal beim Klimaschutzprojektpartner. Hier wählte Tomorrow ClimatePartner, deren akkurate Dokumentation es möglich macht, in der App recht genaue Zahlen auszuweisen.
So was haben die etablierten Ökobanken nicht. Auch liefert die Tomorrow-App über die Impact-Anzeige ein direktes Feedback, wie viel Geld von wie vielen Usern in welche Projekte fließt. So mag der Impact im Vergleich zu den bestehenden Nachhaltigkeitsbanken nicht groß sein, aber Kunden sehen es eben sofort.
Ja, noch ist die Zahl der Projekte bescheiden: Die Kundeneinlagen (also alle Gelder, die auf den Tomorrow-Konten der Kunden liegen) fließen aktuell anteilig in einen Mikrokredit-Fonds (50.000 €) und seit Kurzem auch in einen Green Bond (100.000 €, erneuerbare Energien). Und doch macht diese App etwas, was die anderen nicht schaffen: Sie macht den Kunden sofort bewusst, dass Geld arbeitet – und schlauerweise in nachhaltigen Projekten arbeiten sollte.
Liegen die restlichen 2,6 Millionen ohne Impact herum? Derzeit ja. Aber: „Das Zielbild ist eine Quote von ca. 50%“, schreibt uns Lilli Staack von Tomorrow auf Nachfrage, „sprich: die Hälfte der Kundeneinlagen wird mittels Krediten und Investments aktiv für positiven Wandel sorgen.“
Denn zur zweiten Jahreshälfte sollen ja weitere Spar- und Investmentprodukte folgen, und dann ist auch der „Index of Tomorrow“ geplant, ein eigens kuratiertes Aktienportfolio aus nachhaltigen Unternehmen, in das Kundinnen bereits mit Kleinbeträgen investieren können. (Im sogenannten Maschinenraum gibt Tomorrow Einblicke in die Roadmap.)
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Ist Tomorrow überhaupt eine Bank?
Was nicht so gut gefällt: Offenbar ist Tomorrow (noch) keine eigene Bank. Denn Herausgeber der Karte ist die Solarisbank, auf deren Namen läuft auch das IBAN-Konto. Die Solarisbank wiederum ist keine nachhaltige Bank, sondern ein Finanzunternehmen mit BaFin-Lizenz, das es Fintech-Start-ups wie Tomorrow über eine technische Schnittstelle ermöglicht, Finanzprodukte wie die Tomorrow-App zu entwickeln.
Und so wirkt Tomorrow zurzeit noch ein bisschen wie ein grüner Überzug für ein konventionelles Konto, oder wie eine App, die auf einem Solarisbank-Girokonto aufsetzt. Das kann man ein klein bisschen schlecht finden, doch der konkrete positive Impact findet natürlich dennoch statt – und wäre ohne Tomorrow gar nicht vorhanden.
Doch was macht eigentlich Solaris mit dem Geld? „Die Solarisbank kann, darf und wird damit nicht selbstständig arbeiten, das ist vertraglich gesichert“, versichert uns Lilli Staack von Tomorrow. „Allein wir haben die Entscheidungshoheit über die Verwendung der Gelder und stellen mittels unseres Nachhaltigkeitsprozesses sicher, dass das Kundenversprechen eingehalten wird.“
Fazit: spannende Mobilbankapp
Es gibt knapp 2.000 Banken in Deutschland, davon nur eine Handvoll Ökobanken. Es schadet überhaupt nichts, wenn Tommorow hier als Smartphone-Girokonto-App noch eine stark mobile Option für Smartphone-Nutzer hinzufügt, die jüngere Zielgruppen anspricht und diese für das Thema nachhaltiger Geldanlagen gewinnt.
Vergleichbar sind traditionelle Ökobanken und Tomorrow derzeit noch nicht: Erstere bieten umfangreiche Dienstleistungen für private und geschäftliche Nutzer und haben seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, in teils Tausende von Projekten nachhaltig investiert. Tomorrow fängt erst an, bietet ein Girokonto mit Debit-Mastercard und hat noch keine Kreditdienstleistungen für nachhaltige Projekte und Unternehmen im Portfolio und hat nach wie vor keine Bafin-Lizenz, ist als keine Bank im üblichen Sinne.
Was uns aber besonders gefällt: Die Tomorrow-App macht den positiven Impact sofort sichtbar, das schafft derzeit keine Ökobank. Ausprobieren lohnt, auch weil derzeit keine Schufa-Meldung erfolgt – schließlich ist noch kein Dispo-Kredit zu haben (der würde die Schufa auf den Plan rufen).
Wer also bis jetzt noch nicht zu einer nachhaltigen Bank gewechselt ist, weil das zu mühsam schien, sollte Tomorrow zum Anlass nehmen, es mal auszuprobieren. Und wer schon lange mit Smartphone-Banking à la N26 liebäugelt, hätte hier die Gelegenheit, das Ganze mal in nachhaltig auszuprobieren.
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Und noch was: Wenn du schon die Bank wechselst, denk gleich über einen neuen, nachhaltigen Handytarif nach. Inzwischen kannst du auch beim Telefonieren und mobilen Surfen zu Gemeinwohl und Energiewende beitragen. Gibt’s doch gar nicht? Dann schau dir mal die Tarife von Wetell (alle monatlich kündbar) an.
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